Ausgabe von Babynahrung in den USA
Reuters/Brian Snyder
Versorgungskrise

US-Rüstungsgesetz soll Babymilch sichern

In den USA spitzt sich die Versorgungslage bei Babymilch zu, nun greift US-Präsident Joe Biden zu eher ungewöhnlichen Mitteln. Auf Basis eines Rüstungsgesetzes soll die Produktion von Babynahrung priorisiert werden, unter dem Namen „Fly Formula“ soll außerdem für den Import von Babymilch eine „Luftbrücke“ eingerichtet werden.

Mit der Anwendung des Defense Production Act, eines Notfallgesetzes, soll für Hersteller von Babynahrung die Beschaffung von Zutaten, die für die Erhöhung der Versorgung benötigt werden, priorisiert werden, teilte das Weiße Haus in der Nacht mit. Das Gesetz erlaubt es US-Präsidenten, im Interesse der nationalen Sicherheit in die Privatwirtschaft einzugreifen. In der CoV-Pandemie war die Regelung zuletzt zum Einsatz gekommen, um Unternehmen zur verstärkten Herstellung von medizinischen Geräten und Schutzmasken zu verpflichten.

Biden habe außerdem die Behörden angewiesen, Verkehrsflugzeuge des Verteidigungsministeriums einzusetzen, um zusätzliche Säuglingsnahrung schnell aus anderen Ländern in die USA zu bringen. „Die Umgehung der regulären Luftfrachtrouten wird die Einfuhr und den Vertrieb von Säuglingsnahrung beschleunigen und eine kurzfristige Lösung bieten, bis die Hersteller ihre Produktion weiter hochfahren können“, so das Weiße Haus.

Erst am Montag hatte die US-Regierung angekündigt, wegen der Engpässe mehr Importe von Babymilchpulver zuzulassen. Die europäischen Hersteller Reckitt Benckiser und Nestle reagierten mit der Zusage, mehr Babynahrung als gewöhnlich in die USA zu exportieren. Nestle gab an, es gehe speziell um zwei Marken hypoallergener Milch, da der Mangel in den USA besonders Eltern von Kindern mit Kuhmilcheiweiß-Unverträglichkeit belaste.

US-Rüstungsgesetz wegen Milchpulvermangels

In den USA spitzt sich die Versorgungskrise für Säuglingsnahrung zu. US-Präsident Joe Biden greift nach Angaben des US-Präsidialamts nun auf ein Rüstungsgesetz zurück, um die Engpässe in den Supermärkten zu beheben.

Großer Produzent seit Monaten ausgefallen

Hintergrund des Mangels ist der Ausfall einer Fabrik des größten Herstellers von Säuglingsmilchnahrung in den USA, Abbott. Der Produzent hatte mehrere Produktlinien zurückgerufen, nachdem womöglich wegen bakterieller Verunreinigungen vier Säuglinge erkrankt und zwei gestorben waren. Der Verdacht erhärtete sich nicht, aber es wurden einige Unregelmäßigkeiten bei den Untersuchungen durch die US-Arzneimittelbehörde FDA entdeckt. Die Produktion in einem Werk der Firma im Bundesstaat Michigan wurde komplett gestoppt. Betroffen ist unter anderem die Marke Similac.

Leere Regale im US-Supermarkt
Reuters/Kaylee Greenlee
Die Abgabe von Babynahrung ist in vielen Regionen in den USA eingeschränkt – falls überhaupt etwas vorhanden ist

Die FDA einigte sich nach eigenen Angaben mit Abbott auf diverse Vorkehrungen, um die betroffene Fabrik wieder zu öffnen. Bis die Produktion dort wieder angelaufen sei und Säuglingsmilchnahrung in den Handel ausgeliefert werden könne, werde es wohl Monate dauern, teilte das Unternehmen mit.

Thema für „Midterms“ im Herbst

Davor waren Lieferketten wegen eines Arbeitskräftemangels aufgrund der Pandemie beeinträchtigt. Zuletzt gab es laut dem Marktbeobachter Datasembly in den Lagerbeständen eine Lücke von mehr als 40 Prozent. Derzeit stammen nach offiziellen Angaben 98 Prozent der in den USA verbrauchten Babymilch aus US-Produktion.

Abbott Fabrik in Sturgis, Michigan (USA)
APA/AFP/Jeff Kowalsky
Einige Wochen bis Monate soll es dauern, bis die Produktion im seit Wochen geschlossenen US-Werk von Abbott wieder voll anläuft

Die Versorgungskrise bei Babynahrung sorgt seit Monaten für Debatten und Streit in der US-Politik. Das Magazin „The Atlantic“ schrieb zuletzt, der Babymilchmangel habe sich von einer anfänglichen Kuriosität zu einer „nationalen Krise angewachsen“ – eine Steilvorlage für die oppositionellen Republikaner, denn im Herbst stehen die wichtigen Kongresszwischenwahlen an. Sie werfen den Demokraten unter Biden Untätigkeit vor, das Weiße Haus beteuert laufend, „rund um die Uhr“ daran zu arbeiten, das Problem zu beheben.