Lockl neuer Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats

Lothar Lockl ist der neue Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats. Der bisherige Leiter des grünen „Freundeskreises“ im obersten ORF-Gremium erhielt in der gestern abgehaltenen konstituierenden Sitzung bei einer Enthaltung 34 der 35 möglichen Stimmen und löste damit Norbert Steger ab. Als stellvertretender Vorsitzender wurde einstimmig erneut der bürgerliche Franz Medwenitsch bestimmt.

Lockl kam auf einem Ticket der grünen Parlamentspartei in den Stiftungsrat und wurde als Favorit für den Stiftungsratsvorsitz gehandelt, sah doch ein „Sideletter“ der ÖVP-Grünen-Bundesregierung ein Vorschlagsrecht der Grünen für diese Funktion vor.

Mittlerweile PR-Berater

Der 53-jährige frühere Bundesparteisekretär der Grünen war Wahlkampfleiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen späterer Berater. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Lockl & Keck, die auch in die Öffentlichkeitsarbeit des Klimarats involviert ist und schon länger vom Umweltministerium Aufträge bezieht.

Lockl erfreut

Lockl zeigte sich erfreut und überrascht über die beinahe einhellige Wahl seiner Person zum Stiftungsratsvorsitzenden der nächsten vier Jahre. „Mir geht es um die Zukunft des ORF“, erklärte er im Anschluss an die Sitzung seinen Beweggrund, für die Funktion zur Verfügung zu stehen. Der „Sideletter“ der Regierung habe damit nichts zu tun.

„Ich war nicht Teil der Regierungsverhandlungen, und mein Name wurde auch nicht genannt“, so der neue Vorsitzende. Er sei dem Wohle des ORF verpflichtet, weshalb er künftig auch keine Wahlkämpfe managen werde. Das sei mit seiner neuen Funktion unvereinbar, erklärte er. Keine Unvereinbarkeit bestehe dagegen in Hinblick auf die Tätigkeit seiner Kommunikationsagentur und Aufträge der öffentlichen Hand.

„Positives Signal“

Der ÖVP-„Freundeskreisleiter“ Thomas Zach, wertete die breite Unterstützung für Lockl als „positives Signal für die Zukunft des ORF“. Er sei überzeugt davon, dass Lockl seine neue Funktion gut ausführen werde. Auch SPÖ-„Freundeskreisleiter“ Heinz Lederer meinte, Lockl habe in der Sitzung auch noch die letzten Zweifler überzeugt. Man müsse ihn nun an seinen Taten messen.

Zach hielt in Hinblick auf den „Sideletter“ fest, dass die Entscheidung im Stiftungsrat gefällt worden sei – nicht von der Regierung. Gefragt, ob parteipolitische „Freundeskreise“ noch zeitgemäß seien, meinte er, dass es „extrem wichtig“ sei, sich im Vorfeld einer Sitzung zu beraten. Lederer erachtete die „Freundeskreise“ als „semantisches Problem“, gebe es doch auch Länder- oder Kulturinteressen. Insgesamt handle es sich um ein „sehr partizipatives Gremium“.

Einstimmige Verlängerungen

Auch die Vorsitzenden des Finanz- sowie des Programmausschusses wurden gewählt, wobei es in beiden Fällen zu einstimmig beschlossenen Verlängerungen kam. Zach agiert weiterhin als Finanzausschussvorsitzender (Stellvertreterin Sigrid Pilz) und Medwenitsch als Programmausschussvorsitzender (Stellvertreterin Hildegard Aichberger).

Die Rätinnen und Räte setzten erneut eine Corporate-Governance-Arbeitsgruppe ein, die von Klaus Poier geleitet wird (Stellvertreterin Katharina Hofer). Auch die erst heuer ins Leben gerufene Arbeitsgruppe „Cultural Change, Diversity, Frauenförderung im ORF“ wird unter der Leitung von Petra Stolba (Stellvertreterin Andrea Danmayr) fortgeführt.

Weißmann informierte über finanzielle Lage

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann nützte die Sitzung, um die Räte zur angespannten finanziellen Lage des öffentlich-rechtlichen Unternehmens zu informieren. Inflation, erhöhte Energie- und Baupreise wie auch GIS-Abmeldungen setzen dem ORF zu. ORF-intern wird bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket gearbeitet, um drohende Millionenverluste abzuwenden und doch noch ausgeglichen zu bilanzieren. Als Worst-Case-Szenario wurden in etwa 40 Mio. Euro Verlust am Jahresende genannt.

Es sei richtig, sich mit allen Szenarien auseinanderzusetzen, so Zach. Das gebiete die kaufmännische Vorsicht. Verfrüht sei es jedoch, sich auf ein Szenario festzulegen. „Da wären wir alle Hellseher“, so der ÖVP-„Freundeskreisleiter“. Im Juni solle es Informationen zu konkreten Maßnahmen geben. Lederer warnte angesichts der Verlustszenarien vor „Alarmismus“. Er vertraue darauf, dass sich Lösungen für die Probleme finden werden, möchte aber möglichst bald konkrete Maßnahmen sehen. Widerstand kündigte er an, sollten diese einen starken Stellenabbau oder Einschränkungen der Senderflotte vorsehen.