Der kroatische Präsident Zoran Milanovic
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Präsident vs. Regierung

Krach in Kroatien wegen NATO-Beitritten

Neben der Türkei könnte sich ein weiteres NATO-Mitglied gegen den geplanten Beitritt von Finnland und Schweden stemmen: Der kroatische Präsident Zoran Milanovic will eine Aufnahme aus innenpolitischen Motiven blockieren. Die Regierung in Zagreb freilich sieht das anders und spricht selbst von „Erpressung“.

Milanovic kündigte am Mittwoch an, er werde den kroatischen NATO-Botschafter Mario Nobilo anweisen, gegen die Aufnahme beider skandinavischer Länder in das Bündnis zu stimmen, solange das Wahlgesetz in Bosnien-Herzegowina nicht geändert wird. Die Reform soll die Position der bosnischen Kroaten bei den Föderationswahlen stärken.

„Das ist kein Akt gegen Finnland und Schweden, sondern einer für Kroatien“, sagte Milanovic laut Nachrichtenagentur HINA. Der Staatspräsident möchte damit die internationale Gemeinschaft drängen, die stockenden Verhandlungen in Bosnien-Herzegowina voranzubringen.

Außenminister um Ruf des Landes besorgt

Dagegen beteuert die kroatische Regierung ihre „uneingeschränkte Unterstützung“ für die Aufnahme der Länder. Außenminister Gordan Grlic Radman kritisierte die Position des Präsidenten als „Erpressung“ und „nicht europäisch“, wie die HINA berichtete. „Die Rechte des kroatischen Volkes werden durch rechtliche Mechanismen, politische und diplomatische Bemühungen und nicht durch Erpressung erreicht“, sagte er. Milanovic warf er vor, mit seinen Äußerungen den internationalen Ruf Kroatiens zu ruinieren.

Der kroatische Botschafter bei der NATO habe die Anweisung, den Beitrittsantrag Finnlands und Schwedens zu billigen, betonte Radman. Nobilo werde auch die Vollmacht erhalten, das Protokoll zu unterzeichnen, und werde wie üblich im Einklang mit den Anweisungen des Ministeriums handeln. Der Außenminister zeigte sich außerdem überzeugt, dass das kroatische Parlament die Beitrittsprotokolle ratifizieren werde.

Grafik zu NATO-Mitgliedern
Grafik: APA/ORF.at

„Putins Mann in Kroatien“

Staatspräsident Milanovic will sich hingegen bis zuletzt gegen die Ratifizierung starkmachen, um damit die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die kroatischen Interessen zu lenken. Wenn das Parlament den Beitritt nicht ratifiziert, „dann würde ein unglaubliches Interesse für Kroatiens Problem entstehen“, sagte er und verwies auf die Blockade der Türkei. „Schauen wir uns an, was die Türkei macht“, sagte Milanovic und fügte hinzu, dass sie am Ende „bestimmt nicht mit leeren Händen dastehen wird, wobei sie viel verlangt“.

Bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine sorgte die kremlfreundliche Haltung von Milanovic für Aufregung, weil sie die Politik der Regierung in Zagreb konterkarierte, schrieb jüngst der „Standard“. Von manchen werde er als „Putins Mann in Kroatien“ bezeichnet. Russische Medien zeigten sich überzeugt, dass „viele andere europäische Staats- und Regierungschefs bald dem Weg von Milanovic folgen werden“, und bezeichneten ihn als „endlich einen vernünftigen europäischen Führer“.

Erdogan hält an Veto fest

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hielt unterdessen auch am Donnerstag am Veto seines Landes fest. „Wir haben den Verantwortlichen in der NATO gesagt, dass wir Nein zum Beitritt Finnlands und Schwedens sagen werden. Und so werden wir auch weiter verfahren“, sagte Erdogan im Staatssender TRT. Er fügte hinzu: „Schweden ist ein wahres Terrornest.“

Am Mittwoch hatte die Türkei den Start der Aufnahmegespräche mit beiden nordischen Ländern im NATO-Rat blockiert. Begründet wird das mit angeblicher Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der syrischen Kurdenmiliz YPG. Fachleute vermuten hinter dem türkischen Vorgehen verschiedene Motive. Dabei könnten auch Waffengeschäfte eine Rolle spielen. Ankara will in den USA Kampfjets kaufen – in Washington war ein möglicher Deal zuletzt aber politisch umstritten.

Andere vermuten innenpolitische Motive hinter Erdogans Äußerungen. Dessen Umfragewerte sinken gerade. Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen die PKK finden traditionell im nationalistischen Wählerklientel Anklang.

Die Fahnen der NATO, Schwedens und Finnlands
Reuters/Johanna Geron
Finnland und Schweden haben am Donnerstag offiziell die Mitgliedschaft in der NATO beantragt

Optimismus in Helsinki

Die finnische Regierungschefin Sanna Marin zeigte sich unterdessen gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ zuversichtlich, dass der Widerstand der Türkei durch Dialog gelöst werden könne. „Ich denke, dass es in dieser Phase wichtig ist, ruhig zu bleiben, Gespräche mit der Türkei und allen anderen Mitgliedsländern zu führen, Fragen zu beantworten und eventuelle Missverständnisse zu korrigieren“, sagte sie. Sie sagte weiter, dass die NATO keine Stationierung von Atomwaffen oder Stützpunkten in Finnland plane. Es gebe nicht einmal ein Interesse innerhalb der NATO daran, so Marin.

Hochrangige Unterstützung

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist trotz des einstweiligen Vetos der Türkei von einer raschen Aufnahme Schwedens und Finnlands überzeugt. Er betonte aber auch: „Die Sicherheitsinteressen und Bedenken aller Bündnispartner müssen berücksichtigt werden.“ Die NATO habe eine lange Tradition dafür, trotz unterschiedlicher Standpunkte zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Auch in dem Fall, dass die Türkei die Aufnahme Schwedens weiter blockiere, werde es kein separates Verfahren für Finnland geben, so Stoltenberg. „Schweden und Finnland haben sich gemeinsam beworben. Wir behandeln das als ein gesammeltes Verfahren.“

Unterdessen brachte auch US-Präsident Joe Biden seine volle Unterstützung für die Anträge Finnlands und Schwedens zum Ausdruck. Bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson im Weißen Haus sagte Biden, er sei stolz darauf, die Anträge der beiden Staaten auf Beitritt zum „stärksten und mächtigsten Verteidigungsbündnis der Weltgeschichte“ zu unterstützen. „Finnland und Schweden machen die NATO stärker.“ Und: „Der Beitritt neuer Mitglieder stellt für keine Nation eine Bedrohung dar.“