Person haltet Gemälde von George Floyd bei Demonstration, 2020
APA/AFP/Eric Baradat
George-Floyd-Todestag

Scheitern der USA an Polizeireform

Seit George Floyd – fast zehn Minuten lang von einem Polizisten gewaltsam niedergehalten – vor genau zwei Jahren grausam erstickt ist, haben die USA eine heftige Protestwelle gegen Rassismus allgemein und rassistisch motivierte Polizeigewalt im Besonderen erlebt. Es gab laute Stimmen für tiefgreifende Änderungen, unter ihnen der damalige demokratische Kandidat und jetzige US-Präsident Joe Biden.

Doch eine weitreichendere Reform mit Floyds Namen wurde im Senat längst begraben. Das hat mit dem Widerstand der Republikaner und der in den USA besonders mächtigen Polizeigewerkschaften zu tun. Nun stehen im Herbst die Midterm-Wahlen an. Viele demokratische Kandidatinnen und Kandidaten wagen es nicht mehr, hier Positionen der „Black Lives Matter“-Bewegung zu vertreten und die Forderungen, Budgetmittel von der Polizei zu traditionell unterbudgetierter Sozialarbeit und Streetwork umzuschichten, zu unterstützen. Die Polizei wird in vielen Städten fast militärisch mit Waffen aufgerüstet.

Dabei hatte Biden im Wahlkampf und auch kurz danach zu umfangreichen Reformen gedrängt. „Keine weiteren Ausreden“, „keine weiteren Verzögerungen“, richtete Biden dem damaligen Amtsinhaber Donald Trump aus. Doch selbst in Amt und Würden, „scheint das Hauptgewicht mehr darauf zu liegen, wie man die Zahl der Polizisten aufstockt, als die Polizei zu reformieren“, resümierte die „Washington Post“. Zuletzt rief Biden die Bundesstaaten dazu auf, Bundesmittel aus den Milliardenhilfspaketen „zu verwenden, um die öffentliche Sicherheit zu priorisieren. Beeilen Sie sich, noch vor dem Sommer, wenn die Kriminalitätsraten traditionellerweise in die Höhe schnellen. … Stellen sie Polizisten an!“

Biden kündigt neue Regeln für Bundespolizei an

Zumindest für die Bundespolizei will Biden neue Regeln durchsetzen. Einen entsprechenden Erlass werde der Präsident am Mittwoch unterzeichnen, hieß es aus US-Regierungskreisen. Die neuen Regeln sollen mehr als 100.000 Bundespolizistinnen und -polizisten betreffen. Das Gros der Polizeikräfte – auf lokaler und Bundesstaatenebene – ist davon allerdings nicht umfasst.

Schwer ausgerüstete Polizisten in New York
Reuters/Andrew Kelly
Polizeikordon in New York 2020 gegen „Black Lives Matter“-Proteste

Laut dem geplanten Erlass soll eine neue nationale Datenbank für polizeiliches Fehlverhalten geschaffen werden. Bürgerrechtsverletzungen durch die Polizei sollen künftig besser untersucht und verfolgt werden. Der Erlass sieht laut US-Medien außerdem vor, dass neue Richtlinien für Körperkameras verabschiedet werden. Diese müssen dem Weißen Haus zufolge vorschreiben, dass die Kameras bei Aktivitäten wie Festnahmen und Durchsuchungen aktiviert werden. Die Freigabe von Filmmaterial nach Vorfällen mit schwerer Körperverletzung oder Todesfällen in Gewahrsam soll beschleunigt werden.

Zudem soll für die Bundespolizei auch ein weitgehendes Verbot bestimmter Würgegriffe gelten, hieß es weiter. Auch Durchsuchungen, bei denen sich die Polizei nicht zuvor an der Tür bemerkbar machen muss, sollen beschränkt werden. Zudem solle der Kauf von Militärausrüstung mit Bundesmitteln eingeschränkt werden. Eine Liste mit verbotenen Ausrüstungsgegenstände werde erweitert, hieß es.

Fenster schließt sich

„Defund the Police“-Aktivistinnen und -Aktivisten zeigten sich über das monatelange Nichtstun von Biden verärgert und sehen die Chancen auf eine grundlegende Änderung schwinden. Denn mit einem Anstieg der Verbrechensrate geraten Biden und die Demokraten stärker unter Druck, sich eindeutig und klar zur Polizei zu bekennen und größere Reformschritte abzublasen.

Laut „Boston Globe“ ist die Unterstützung für eine Polizeireform gesunken. Binnen eines Monats – von April auf Mai – fiel die generelle Unterstützung der Ziele von „Black Lives Matter“ von 48 auf 41 Prozent, so eine Umfrage der University of Massachusetts in Amherst. Nach dem Tod von Floyd habe die Bewegung „überwältigende Unterstützung zumindest für eine Polizeireform, wenn nicht für einen radikalen Umbau der Polizeistationen im ganzen Land gehabt“, so der Politikwissenschaftler Tatishe Nteta von der Uni Amherst gegenüber dem „Boston Globe“. Das sei nicht länger der Fall, auch wenn es vielfach weiter Unterstützung gebe.

BLM-Protest in Michigan
APA/AFP/Mustafa Hussain
Proteste nach der Tötung des 26-jährigen Schwarzen Patrick Lyoya durch Polizisten im April in Grand Rapids, Michigan

Auch konkrete Maßnahmen wie das Verbot des Ankaufs militärischer Ausrüstung für lokale Polizeistationen, das Recht auf Klagen gegen einzelne Polizisten wegen des Vorwurfs exzessiver Gewaltanwendung und die Einschränkung des Ausschaltens von Körperkameras durch Polizisten haben laut der Umfrage weniger Zustimmung als zuvor. Und die Forderungen von „Black Lives Matter“ treffen vermehrt auf Widerstand, teils in der Wissenschaft, vor allem in der Öffentlichkeit. Und das, obwohl die wesentlichen Argumente der Gegner laut der Denkfabrik Brookings Institution falsch sind.

„Dann kannst du nichts machen“

Bidens klare Statements über die Existenz von „systemischem Rassismus“, aber wohlweislich nicht für „Defund the Police“ halfen ihm 2020 im Wahlkampf. Politisch versuchen die Republikaner seit zwei Jahren freilich alles, um die Demokraten als Partei hinzustellen, die Chaos und Gewalt toleriert und für weniger Geld für die Polizei eintritt. Biden und die Demokraten schafften es wegen dieses Gegenwindes, wegen ihrer nur knappen Mehrheit im Senat und interner Uneinigkeit nicht, eine Polizeireform durchbringen.

Letztlich zeige das die „begrenzte Macht einer Präsidentschaft“, so der schwarze Politologe Mikchael Fauntroy von der George Mason University gegenüber der „Washington Post“. Es sei egal, wie gut eine Idee sei – „wenn du nicht die 60 Stimmen im Senat und 218 im Abgeordnetenhaus bekommst, dann kannst du nichts machen“.