Boris Johnson
Reuters/John Sibley
„Partygate“-Affäre

Regierungsspitze laut Bericht verantwortlich

Der britische Premierminister Boris Johnson wird im Untersuchungsbericht der Regierung zur „Partygate“-Affäre heftig kritisiert. Die interne Ermittlerin, Spitzenbeamtin Sue Gray, erneuerte in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Bericht ihre Vorwürfe, die Verantwortlichen in Downing Street habe Führungsversagen und fehlendes Urteilsvermögen gezeigt. Johnson entschuldigte sich am Nachmittag im Parlament.

Er übernehme die volle Verantwortung, aber habe aus den Fehlern gelernt, sagte Johnson am Mittwoch im Parlament. Es habe bereits Veränderungen gegeben, was auch die interne Ermittlerin Sue Gray in ihrem „Partygate“-Bericht angemerkt habe. Einen Rücktritt erwähnte der Premier nicht.

Gray hatte mehrere Lockdown-Partys in der Downing Street 10 untersucht, bei denen CoV-Regeln gebrochen worden waren. „An den Veranstaltungen, die ich untersucht habe, nahmen Führungsfiguren der Regierung teil“, schrieb Gray.

Foto des britischen Premiers Boris Johnson bei einer Party in der Downing Street während der Coronaviruspandemie
Reuters/Sue Gray Report / Gov.uk
Johnson bei einer Feier mitten im Lockdown

„Exzessiver Alkoholkonsum“

„Viele dieser Events hätten nicht zugelassen werden dürfen.“ Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass ihre Teilnahme erlaubt sei, da auch führende Politiker anwesend gewesen seien. Die Führung müsse die Verantwortung tragen, forderte Gray. Die Geschehnisse seien weit hinter den zu erwartenden Standards zurückgeblieben. Es sei teils zu „exzessivem Alkoholkonsum“ gekommen. Viele Menschen seien „bestürzt“ über das Verhalten im Herzen der Regierung, schrieb die Beamtin.

Johnson wollte sich zu Mittag im Parlament zu dem Bericht äußern. Dabei werde er „die volle Verantwortung für meine Fehler“ übernehmen, meldete die Nachrichtenagentur PA ohne Angabe von Quellen. Er habe aus seinen Fehlern gelernt. Die Polizei hat wegen der Regelverstöße mittlerweile insgesamt mehr als 120 Strafbescheide gegen Dutzende Teilnehmerinnen und Teilnehmer verhängt, in einem Fall auch gegen Johnson.

Neue Berichte über wöchentliche Partys

Unmittelbar vor der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts hatten Augenzeugen von Lockdown-Feiern in der Regierungszentrale schwere Vorwürfe erhoben. In Downing Street 10 habe es während des Lockdowns jeden Freitag Einladungen zu Treffen mit Alkohol gegeben, zitierte die BBC am Mittwoch mehrere anonymisierte Beschäftigte. Leere Flaschen und Reste von Essenslieferungen seien noch am nächsten Morgen herumgelegen.

Zuletzt waren Fotos einer Zusammenkunft am Regierungssitz vom 13. November 2020 aufgetaucht. Zu sehen ist, wie Johnson ein Glas erhebt und offenbar den anderen Anwesenden zuprostet. Niemand trägt eine Maske, auf einem Tisch stehen mehrere offene Flaschen. Nach BBC-Angaben standen etwa 30 bis 40 Menschen eng beieinander in einem Raum. Johnson selbst habe seinen Mitarbeitern Alkohol eingeschenkt. Zu dem Zeitpunkt waren private Zusammenkünfte untersagt.

Kritik auch an Londoner Polizei

Auch die Londoner Polizei steht in der Affäre in der Kritik. Der Premier war zwar zu einem Bußgeld verdonnert worden, weil er an einer Überraschungsfeier zu seinem 56. Geburtstag in Downing Street 10 teilgenommen hatte. Für das Zusammentreffen am 13. November gab es hingegen kein Bußgeld. Bürgermeister Sadiq Khan forderte von der Polizei am Dienstag Auskunft über ihre Ermittlungen: „Das war klar eine Party. Er hat sein Glas erhoben, und da waren leere Weinflaschen. Ich glaube, die Polizei sollte erklären, wie sie zu ihren Schlüssen gekommen ist.“

Die stellvertretende Chefin der Labour Party, Angela Rayner, bezeichnete es auf ITV als „verblüffend“, dass der konservative Regierungschef kein Bußgeld für eine Versammlung zahlen müsse, „die nicht besonders nach Arbeit aussah“. Johnson habe „gewusst, dass er die Regeln gebrochen“ habe, und trotzdem versucht, sich aus der Affäre zu ziehen. „Er hat versucht, die britische Öffentlichkeit zu belügen, und er hat versucht, im Parlament zu lügen“, sagte Rayner.

Verkehrsminister Grant Shapps verteidigte Johnson. Er habe „den Eindruck, dass er (Johnson) aus dem Büro kommt, den Mitarbeitern dankt und sein Glas erhebt“, schilderte Shapps dem Sender SkyNews seine Einschätzung zu den neuen Fotos. Er betrachte das nicht als Fest.