Bundeskanzler Karl Nehammer
APA/Hans Punz
„Signale“

Nehammer telefonierte mit Putin

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Freitagnachmittag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Krieg in der Ukraine gesprochen. Konkret ging es um „grüne Korridore“ und den Gefangenenaustausch. Das Telefonat sei „sehr intensiv und ernst“ gewesen, sagte Nehammer. Putin habe aber „Signale“ gegeben, ukrainische Exporte von Saat- und Nahrungsmitteln über Seehäfen zuzulassen.

Die militärische und humanitäre Lage im Donbas und anderen Kampfgebieten bezeichnete Nehammer in einer Pressekonferenz nach dem Gespräch als „besonders dramatisch“. Auf beiden Seiten gebe es sehr schwere Verluste. Es sei wichtig, mit beiden Parteien zu sprechen „und den Aggressor Russland klar zu benennen“, versuchte Nehammer seine Intention für das Gespräch zu erklären: „Österreich verstehe sich als Land mit einer aktiven Neutralitätspolitik.“

Im Gespräch mit dem Kreml-Chef sei es zum einen darum gegangen, Putin „klar mit dem Krieg und dessen Folgen zu konfrontieren“, so der Bundeskanzler vor Journalisten und Journalistinnen. Gleichzeitig sollte auch beantwortet werden, „was an Möglichkeiten in diesem fatalen Kriegsgeschehen überhaupt da sind“.

Nehammer telefoniert mit Putin

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Freitag mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin telefoniert, um ihn mit dem „Wahnsinn des Krieges“ zu konfrontieren und um humanitäre Lösungen für die Ukraine zu erörtern.

Zugang zu Kriegsgefangenen gefordert

Eine dieser Möglichkeiten ist offenbar die Ernährungssicherheit über „grüne Korridore“. Putin habe „Signale gegeben“, die ukrainische Ernte über Seehäfen zuzulassen. Es gehe um Millionen von Tonnen Weizen und Getreide, die aus der Ukraine weggebracht werden müssten. Aber: „Die wirkliche Bereitschaft zeigt sich erst dann, wenn der Export umgesetzt wird“, betonte Nehammer. „Die Folgen einer potenziellen Nahrungsmittelkrise werden insbesondere Länder in Nordafrika oder Pakistan treffen, die stark von den Exporten aus der Ukraine abhängig sind.“

Politikwissenschaftler Gerhard Mangott hielt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nach der Pressekonferenz Nehammers fest, dass es von Moskau schon vor Tagen ähnliche Signale für den „grünen Korridor“ gegeben habe. Allerdings war die Zusage an die Aufhebung der Sanktionen geknüpft, so der Russland-Experte der Universität Wien.

In Sachen Gefangenenaustausch, der laut Nehammer derzeit ins Stocken geraten sei, gebe es eine „Zusicherung“ des Kreml-Chefs, dieses Thema mit der Ukraine zu verhandeln. Es soll zudem einen Zugang zu den ukrainischen Kriegsgefangenen geben. Im Gegenzug habe Putin Zugang zu russischen Gefangenen in der Ukraine gefordert.

Kreml weist Vorwürfe des Westens zurück

Das Gespräch habe 45 Minuten gedauert und habe nur „akustisch“, also nicht per Videoschaltung, stattgefunden. Auf Nachfrage erklärte Nehammer, dass Putin versucht habe, die Ernährungsunsicherheit in weiten Teilen der Welt als Folge der Sanktionen darzustellen. „Aber ohne Krieg würde es diese Sanktionen gegen Russland gar nicht geben“, will Nehammer Putin gesagt haben.

Die Aussagen des Kanzlers deckten sich mit der Reaktion aus dem Kreml. Putin habe die Vorwürfe des Westens, sein Land sei für die weltweite Getreidekrise verantwortlich, als „haltlos“ zurückgewiesen, hieß es nach dem Gespräch mit Nehammer. „Wladimir Putin hat betont, dass Versuche, Russland für die Schwierigkeiten bei der Lieferung von Agrarprodukten zu den Weltmärkten verantwortlich zu machen, haltlos sind.“ Stattdessen habe er die „wirklichen Ursachen“ der Probleme benannt, „die unter anderem durch die antirussischen Sanktionen der USA und der Europäischen Union aufgetreten“ seien.

Nehammer wollte Putin mit Krieg „konfrontieren“

Bereits am Freitagvormittag hatte Nehammer seine Beweggründe für das Telefonat mit Putin in einer Presseaussendung dargelegt: „Es ist weiterhin wichtig, Wladimir Putin mit den Folgen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine zu konfrontieren.“ In der Pressekonferenz erklärte der Bundeskanzler, dass Österreich auf humanitärer Ebene alles tue, um die fürchterlichen Folgen des Krieges zu mildern. So wolle man nun 100 schwerverletzte Zivilisten und Zivilistinnen medizinisch versorgen.

Vladimir Putin
Reuters/Sputnik
Nehammer stattete Putin Mitte April einen Besuch ab, am Freitag telefonierte er mit dem Kreml-Chef

Nehammer war bereits Mitte April nach Moskau gereist, um den Kreml-Chef mit dem Krieg zu „konfrontieren“, wie er auch damals sagte. Aus Russland ist der Bundeskanzler mit „generell keinen positiven Eindrücken“ zurückgekommen. Putin sei „massiv in einer Kriegslogik angekommen“, so Nehammer, der zuvor auch in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchte.

Pendeldiplomatie per Telefon

Nehammer hatte schon am Donnerstag mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ausgetauscht und zuvor mit Selenskyj, Ministerpräsident Denys Schmyhal und dem Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes, Peter Maurer, gesprochen. Österreich leiste weiterhin „direkte humanitäre Hilfe in der Ukraine“, so Nehammer, der die internationale Solidarität mehrmals betonte.

Am Freitagvormittag telefonierte er mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, um über den Istanbuler Friedensprozess sowie die Frage der Ernährungssicherheit im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu sprechen. „Mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan habe ich heute die Istanbuler Gespräche erörtert, deren Weiterführung ich sehr unterstütze“, so Nehammer.

Dieses Format sei bisher das einzige, in dem die Ukraine und die Russische Föderation miteinander gesprochen hätten. „Für mich ist wichtig, dass die beiden Seiten auch nicht aufhören, über die Möglichkeiten eines Gefangenenaustauschs zu sprechen“, unterstrich der Bundeskanzler. Auch das Internationale Rote Kreuz setze sich dafür ein, dass das zustande komme. „Österreich wird einen solchen Austausch politisch jederzeit und mit all seinen Möglichkeiten unterstützen.“