NATO-Logo und Fahnen der Mitgliedsstaaten vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel
Reuters/Pascal Rossignol
NATO-Beitritt

Türkei bremst Nordländer weiter aus

Delegationen aus Schweden und Finnland versuchen derzeit in Ankara, die Bedenken der Türkei gegen einen NATO-Beitritt der beiden Länder zu zerstreuen. Fortschritte lassen aber weiter auf sich warten. „Es ist nicht einfach“, sagte ein Vertreter der Türkei. Es müssten konkrete Schritte unternommen werden, die schmerzhaft sein dürften. Die Gespräche würden fortgesetzt, hieß es am Freitag, ein Datum gebe es aber noch nicht.

Finnland und Schweden wollen infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die westliche Militärallianz. Für einen NATO-Beitritt müssen alle 30 Länder zustimmen. Die Türkei blockiert derzeit als einziges NATO-Mitglied öffentlich den Beginn des Aufnahmeprozesses der beiden nordischen Länder.

Ankara begründet seine Haltung mit der angeblichen Unterstützung Finnlands und Schwedens von „Terrororganisationen“ und bezieht sich dabei auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die syrische Kurdenmiliz YPG und die Gülen-Bewegung. Während die PKK in den USA, der EU und der Türkei auf der Liste der Terrorgruppierungen steht, gilt das nicht für die YPG und die Bewegung des im US-Exil lebenden türkischen muslimischen Predigers Fethullah Gülen.

Ankara: „Jeder weiß, warum“

Letztere macht die Türkei etwa für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Die YPG – Verbündete der USA im syrischen Bürgerkrieg – sieht Ankara als Ableger der PKK. „Jeder weiß, warum wir dagegen sind", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu dem türkischen Sender Habertürk. „Wenn sie NATO-Mitglieder werden wollen, dann müssen sie ihre Unterstützung von Terrororganisationen beenden.“

Türkisch-schwedische Verhandlungen in Ankara (Türkei)
AP/Turkish Presidency
Delegationen aus Schweden und Finnland suchen mit Ankara eine Lösung im Streit über ihre NATO-Beitrittsgesuche

Schweden weist Vorwürfe zurück

Schwedens Regierung wies die türkischen Vorwürfe zurück, militante Kurdenorganisationen in Syrien zu unterstützen. „Schweden gibt keine gezielte Unterstützung an syrische Kurden oder an die politischen oder militärischen Strukturen in Nordostsyrien“, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Stockholm. Von Entwicklungszusammenarbeit des Landes profitiere aber die Bevölkerung in allen Teilen des Landes.

„Schweden ist ein bedeutender humanitärer Geldgeber in der Reaktion auf die Syrien-Krise durch globale Beiträge zu humanitären Organisationen – vornehmlich den UNO-Organisationen, die in der Region aktiv sind (einschließlich der Türkei)“, hieß es weiter. Die Unterstützung für Nordwestsyrien habe im vergangenen Jahr umgerechnet knapp 9,5 Millionen Euro betragen, so das schwedische Außenministerium. Die Hilfe erreiche die Menschen an Ort und Stelle jedoch vornehmlich durch die UNO sowie andere internationale Organisationen.

EU-Diplomaten gehen davon aus, dass der „Terroristen“-Vorwurf nur vorgeschoben ist und die türkische Regierung tatsächlich die Aufhebung eines Exportstopps von Rüstungsgütern verfolgt. Dabei geht es vor allem um den Kauf von US-Kampfflugzeugen des Typs F-16. Nach Ansicht von Experten steckt auch eine Wahlkampagne dahinter. Weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan innenpolitisch derzeit schlecht dasteht, wolle er außenpolitisch punkten, sagte etwa Hüseyin Bagci, Vorsitzender des türkischen Foreign-Policy-Instituts.

Schweden als Gastgeber von Ostsee-Manöver

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine findet im kommenden Monat unter Führung der USA ein großes multinationales Manöver im Ostsee-Raum statt. An der jährlichen maritimen Übung „Baltops 22“ nehmen neben 14 NATO-Staaten auch die Partnerländer Schweden und Finnland teil, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Donnerstag (Ortszeit) in Washington.

Grafik zur NATO-Präsenz in Osteueropa
Grafik: APA/ORF.at

Schweden ist in diesem Jahr der Gastgeber des Manövers, das vom 5. bis 17. Juni geplant ist. Das Manöver findet bereits seit 1972 regelmäßig im Ostsee-Raum statt. Heuer nehmen an „Baltops 22“ laut Kirby 45 Marineeinheiten, 75 Flugzeuge und rund 7.000 Soldaten aus Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Schweden, der Türkei, Großbritannien und den USA teil.

Macron sprach mit Erdogan

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron visierte unterdessen in einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Erdogan über die Blockade des NATO-Aufnahmeprozesses für Schweden und Finnland eine rasche Lösung an. Der Pariser Elysee-Palast teilte nach dem etwa einstündigen Telefonat am Donnerstag mit, Macron habe seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, die Gespräche mögen weitergehen, um eine baldige Lösung zu finden.

Demzufolge sagte Macron, wie wichtig es sei, die souveräne Entscheidung der beiden Nordländer zu respektieren. Erdogan habe Macron deutlich gemacht, dass Finnland und Schweden aus Sicht der Türkei Terrororganisationen unterstützten und das nicht mit dem Bündnisgeist der NATO vereinbar sei, teilte das Präsidialamt in Ankara mit.

Finnische Regierungschefin in der Ukraine

Inmitten des Ringens um einen NATO-Aufnahmeprozess setzte Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin ein diplomatisches Signal: Die Regierungschefin besuchte am Donnerstag die Ukraine. Auf dem Programm standen ein Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, aber auch Ortsbesuche in Irpin und Butscha. Der Ukraine-Krieg war für Finnland ein entscheidender Auslöser, eine Mitgliedschaft bei der NATO zu beantragen.