„Ros Beiaard“: Zehntausende bejubelten Riesenpferd in Flandern

Dendermonde im belgischen Ostflandern ist an sich eine gemütliche Kleinstadt, gestern herrschte dort jedoch der Ausnahmezustand: Zum ersten Mal seit zwölf Jahren war sie wieder Schauplatz der „Ros Beiaard“-Parade.

Höhepunkt des Umzugs ist ein überdimensionales Holzpferd, das traditionell von vier Brüdern durch die Stadt „geritten“ wird. Über 80.000 Menschen – und damit rund doppelt so viele Menschen wie in Dendermonde leben – ließen sich laut Polizei das Spektakel nicht entgehen, trotz wechselhaften Wetters.

Neben dem Pferd selbst stellten rund 2.000 Artistinnen und Artisten die Legende um das Pferd und die Geschichte Dendermondes nach, mechanische Drachen, Feuerschlucker, unzählige weitere Pferde und ein Gänsemarsch inklusive.

Schwierige Kriterien für Brüder auf dem Ross

Dass die Parade überhaupt in dieser Form stattfinden kann, grenzt dabei an ein Wunder: Für die Brüder, die das Ross reiten dürfen, gibt es teils absurd klingende Kriterien. So müssen die vier nacheinander – ohne Unterbrechung durch ein Mädchen – geboren worden und zwischen sieben und 21 Jahre alt sein. Sie müssen nicht nur in Dendermonde auf die Welt gekommen sein, sondern auch ununterbrochen in der 40.000-Einwohner-Stadt gelebt haben – wie auch ihre Eltern.

Das „Ros Beiaard“ in Dendermonde
ORF.at/Florian Bock

Karl der Große im Streit mit Graf von Dendermonde

Diese Kriterien sind in der vor allem in der Gegend bekannten Sage um das Pferd Beiaard festgeschrieben: Haimon, Graf von Dendermonde, ist im Streit mit Karl dem Großen. Haimons vier Söhne kämpfen für ihren Vater – mit der Unterstützung des übermächtigen Beiaards. Karl der Große bietet Frieden an – im Austausch für das Pferd. Die Söhne willigen ein, das Pferd wird ertränkt.

Mit der Parade, so heißt es auf der Seite der Veranstaltung, soll das Ross damit rund alle zehn Jahre wieder zum Leben erweckt werden. Zuletzt fand sie 2010 statt, coronavirusbedingt musste die ursprünglich für 2020 geplante Parade verschoben werden.

Eine Stadt im Ausnahmezustand

Das Pferd wird von drei Teams zu je zwölf – augenscheinlich recht kräftigen – Männern durch die Stadt getragen. Auch für die Brüder Maarten (18), Wout (13), Stan und Lander (beide elf) ist der Ritt auf dem Ross aber alles andere als komfortabel. Das Holzpferd ist genau zwei Meter breit – alle müssen im Spagat auf ihm sitzen und mussten dafür ausführlich trainieren.

Dendermonde selbst wurde für den Anlass in den Farben der Stadt rot-weiß geschmückt und befand sich am Wochenende ganz offensichtlich im Ausnahmezustand. Garagen wurden kurzerhand in „Ros Beiaard“-Partyräume umgewandelt, auf den Balkonen sammelten sich Familien und jubelten dem Holzpferd und den Künstlern zu, aus einem Dachfenster sorgte gar ein Trompeter für gute Stimmung.