Druschba-Pipeline
Reuters/Kacper Pempel
EU

Streit über Ölembargo überschattet Gipfel

Seit mehr als drei Wochen ringt die EU erfolglos um eine Einigung auf ein Embargo für russisches Erdöl. Mehrere Staaten, allen voran Ungarn, stemmen sich angesichts ihrer hohen Abhängigkeit von russischem Öl und starker Teuerungsraten gegen die Pläne. Die Blockade beschäftigt den am Montag startenden zweitägigen EU-Sondergipfel, der sich dem Ukraine-Krieg und dem Thema Energie widmet.

Das Ölembargo ist Teil des sechsten EU-Sanktionspakets und soll bis Ende des Jahres umgesetzt werden. Doch es stößt auf deutlichen Widerstand und befindet sich nun seit 25 Tagen in der Warteschleife. Noch am Sonntag hatten Verhandler einen Kompromiss auf den Tisch gelegt, mit dem auf die Bedenken einzelner Staaten eingegangen werden sollte – doch auch zu diesem gibt es noch Verhandlungsbedarf.

Dem Vorschlag zufolge soll der Importstopp vorläufig nur für Lieferungen per Schiff gelten, Pipelines sollen ausgenommen werden. Damit wollte man Ungarn, der Slowakei und Tschechien entgegenkommen, die große Teile ihres Erdöls aus der „Druschba“-Pipeline beziehen, welche die russischen Ölfelder mit Raffinerien in Ost- und Mitteleuropa verbindet.

„Am Ende wird es Einigung geben“

Allerdings sei bei der „schwierigen und komplexen Diskussion“ keine Übereinkunft erzielt worden, hieß es am Sonntagabend. Laut dem Außenbeauftragten Josep Borrell habe es am Montag erneut „harte Gespräche“ gegeben, er hielt eine rasche Einigung für möglich. Am Widerstand unter anderem Ungarns werde das Vorhaben nicht scheitern, meinte Borrell. „Am Ende wird es eine Einigung geben.“

Gipfel ringt um Ölembargo

Vor dem EU-Sondergipfel am Montag haben sich die Botschafter der 27 Mitgliedstaaten noch nicht auf einen Kompromissvorschlag geeinigt, berichtet ORF-Korrespondent Robert Zikmund aus Brüssel.

Ungarn, der Slowakei und Tschechien müsse mehr Zeit zur Anpassung ihrer Öleinfuhren gegeben werden. Allen drei Ländern wurde eine zweijährige Ausnahme vom Embargo als Übergangsregel angeboten. Die Regierung in Budapest, die sich hauptsächlich gegen die Maßnahme stemmt, verlangte zuletzt aber eine vierjährige Übergangsfrist und 800 Millionen Euro Finanzhilfen, um ihre Raffinerien anzupassen und eine Pipeline von Kroatien auszubauen. Derzeit kommen zwei Drittel des von Ungarn verbrauchten Öls und Benzins aus Russland.

„Politico“: „Stille“ Zustimmung für Ungarn

Allerdings sorgt die Umsetzung des Ölembargos offenbar auch bei anderen Staaten für Kontroversen – denn die hohen Energiepreise und generellen Teuerungen setzen der gesamten EU zu und würden durch ein Ölembargo noch verschärft werden. Viele Länder würden Ungarns Blockade „still unterstützen“, berichtete „Politico“ (Onlineausgabe) unter Berufung auf EU-Beamte und -Diplomaten. Dem Portal zufolge hätten auch mehrere Regierungsvertreter Kritik an dem Pipelinekompromiss angemeldet, weil sie Wettbewerbsvorteile in einzelnen Staaten als Folge befürchten.

„Es fängt schon wieder an zu bröseln und zu bröckeln“, kritisierte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Blick auf den Gipfel die aktuelle Lage. Ein langsamer Verlust der europäischen Einigkeit deute sich an, dabei habe man nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gesehen, wozu Europa bei starkem Zusammenhalt in der Lage sei, sagte Habeck am Sonntag.

Energie und Lebensmittel auf der Agenda

Entsprechend sind vor dem offiziellen Beginn des Gipfels am späteren Nachmittag noch intensive Gespräche zu erwarten. Dem Vernehmen nach gab es bei einem letzten Treffen der EU-Botschafterinnen und -Botschafter am Vormittag immer noch keine Einigung. Die ersten eingetroffenen Staats- und Regierungschefs ließen erahnen, dass es ein längerer Abend werden könnte: Während der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow sagte, dass eine „allgemeine“ Einigung auf das Embargo mit Verzögerung erzielt werden könnte, sagte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas, dass eine Einigung auf Sanktionen am Montag unrealistisch sei.

Ein weiteres Thema wird die Strategie für eine rasche Unabhängigkeit von russischen Energieträgern sein. Zudem soll es um mögliche Maßnahmen gegen die aktuell sehr hohen Energiepreise und die weitere Unterstützung für die Ukraine gehen. Dabei geht es unter anderem um neue Finanzhilfen.

Auf dem Programm stehen auch Gespräche zur Zusammenarbeit der EU im Bereich der Sicherheit und der Verteidigung, Thema wird außerdem die Lebensmittelsicherheit sein. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird Österreich auf dem Gipfel vertreten. Zur aktuellen Lage in der Ukraine wird es der Planung zufolge ein Briefing durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geben. Dieser soll per Videokonferenz zugeschaltet werden.