Auskunftsperson vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 01.06.2022
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ÖVP-U-Ausschuss

Einblick in „erschütternde“ Einflussnahme

Die Vorarlberg-Woche im ÖVP-U-Ausschuss hat genauso schwierig und in aufgeheizter Stimmung begonnen wie erwartet. Und wie angekündigt zweifelte die ÖVP die Zulässigkeit des Themas und damit viele Fragen an, in der ersten Stunde gab es gleich drei größere Debatten zur Geschäftsordnung. Die erste Auskunftsperson, ein Großbetriebsprüfer, gab dann tiefen Einblick in politische Einflussnahme.

Die ÖVP bezweifelt ja, dass die Vorarlberger Inseratenaffäre überhaupt Thema eines Untersuchungsausschusses auf Bundesebene sein kann. ÖVP-Abgeordneter Christian Stocker begann entsprechend die erste Befragungsrunde mit einem Statement, wonach die gesamte Vorarlberg-Causa und auch das Steuerverfahren nicht Thema im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss sein könnten. Das Steuerverfahren gegen den Wirtschaftsbund, angesiedelt bei der Großbetriebsprüfung, habe nach dem Untersuchungszeitraum begonnen, man sei komplett außerhalb des Untersuchungsgegenstands – er verzichte durchgehend auf Fragen.

Die Frage von SPÖ-Abgeordneter Nurten Yilmaz, wann die Auskunftsperson das erste Mal mit der Causa befasst war, führte in weiterer Folge gleich zu ersten Debatte, welche Fragen überhaupt zulässig sind. Verfahrensrichterin Christa Edwards erklärte – nach ihrem Statement, dass sie sich als Richterin ausschließlich dem Gesetz verpflichtet fühle und sich nicht von der Medienöffentlichkeit oder Parteiinteressen leiten lasse –, dass das Steuerverfahren erst durch Selbstanzeige ins Laufen kam und damit eindeutig außerhalb des Untersuchungszeitraums sei.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Verfahrensrichterin Edwards führte keine Erstbefragung durch

Politischer Einfluss rund um NR-Wahl

Nach einer ersten Beratung der Abgeordneten mit dem Vorsitzenden Wolfgang Sobotka und Verfahrensrichterin Edwards wurde die Frage so nicht zugelassen. Yilmaz fragte dann weiter, wo es politischen Einfluss gegeben habe. Die Auskunftsperson hatte in seinem Anfangsstatement erklärt, dass es wenig politischen Einfluss gegeben habe. Nach Einwürfen der ÖVP sagte die Auskunftsperson, dass es beim Wirtschaftsbund keine politischen Interventionen gegeben habe, jedoch bei einer anderen Prüfung – aber nicht im Untersuchungszeitraum, sondern kurz davor.

Gerald Loacker (NEOS) und Stephanie Krisper (NEOS)
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NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper und Kollege Gerald Loacker vor der Befragung

Er habe sich gegen die erwähnte politische Intervention gewehrt, so die Auskunftsperson dann auf eine Frage von FPÖ-Abgeordnetem Wolfgang Zanger – die Frage wurde auch von Abgeordnetem Stocker toleriert, wie er extra erwähnte. Die Großbetriebsprüfung ist, erzählte die Auskunftsperson in ihrem Eingangsstatement, für Unternehmen mit mehr als zehn Mio. Umsatz zuständig. Er selbst ist Teamleiter eines Prüfteams mit acht Personen, insgesamt gibt es 40 solche Teams.

Ministerium machte Druck wegen Steuerdaten von Pierer

Schließlich erzählte die Auskunftsperson auf Fragen von Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli, dass die politische Einflussnahme beim ÖVP-Großspender Stefan Pierer ausgeübt wurde. Er selbst, sein damaliger Chef und ein Mitarbeiter von ihm seien vom Finanzministerium rechtswidrig verfolgt worden.

Ein Abgeordneter (Kai Jan Krainer) hatte 2017 Steuerdaten des Spenders offengelegt – und das Finanzministerium wollte wissen, wer diese Daten weitergegeben hat. Weil er und sein Mitarbeiter mit dem Steuerfall grundsätzlich beschäftigt waren, wurden sie vom Finanzministerium bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angezeigt, so der Beamte.

Wolfgang Stocker (ÖVP)
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Die ÖVP ist der Meinung, dass die Causa Vorarlberg im ÖVP-Korruption-U-Ausschuss nichts verloren hat

Ein späterer „Kurzzeitfinanzminister“ (Eduard Müller, damals Sektionschef) habe der Sache „Nachdruck“ verliehen, so die Auskunftsperson, gegen ihn sei ein Akt von rund 8.000 Seiten angelegt worden. Das Ganze sei kurz vor der Nationalratswahl 2017 passiert, man habe „die Sau durchs Dorf getrieben“. Das Verfahren sei dann eingestellt worden, die Datenschutzbehörde habe festgestellt, dass es rechtswidrig war. Die Sache sei „sehr erschütternd, wenn dir so was nach 25 Jahren passiert“.

Schelling darüber offenbar informiert

Man könne an der Sache sehen, was politische Einflussnahme bewirken könne, so die Auskunftsperson weiter. Sein Mitarbeiter habe unter der Sache sehr gelitten, er selbst sei „cooler“ gewesen, aber eben auch erschüttert. Es sei rechtsstaatlich fragwürdig, und „wenn die geballte Staatsmacht rechtswidrig gegen dich auftritt, ist das nicht lustig“, so der Beamte. Man sei da auch „allein auf weiter Flur“. Die Suche nach dem „Maulwurf“ hatte Anfang Oktober für viel Wirbel gesorgt.

Gaby Konrad über den U-Ausschuss

Auch der damalige Finanzminister Hans-Jörg Schelling dürfte laut Akten von dem hohen Druck gewusst haben, so der Finanzbeamte auf Nachfrage von NEOS-Abgeordnetem Loacker. Schelling selbst sagte bei seiner Befragung im Ausschuss, dass er „selbstverständlich“ nachgefragt habe, ob es so ein Leak gibt. Es sei dann auf mehrere Personen eingeschränkt worden, die Sache sei dann im Sande verlaufen. Dass die Datenschutzbehörde rechtswidrige interne Ermittlungen erkannte, könne er nicht teilen, so Schelling. Laut Schelling konnte das Leck „lokalisiert“ werden, mit den betroffenen Mitarbeitern sei gesprochen worden. Wie es weiterging, könnte er nicht sagen.

SPÖ-Fraktionsführer Krainer fragte im Ausschuss dann, ob der Finanzbeamte Wahrnehmungen habe, dass es 2018 Zahlungen an Karlheinz Rüdisser, in Vorarlberg derzeit interimistischer Wirtschaftsbund-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter, gab. Er berief sich dabei auf die eidesstattliche Erklärung, wonach bei Zahlungen an die Zeitung des Wirtschaftsbunds („Vorarlberger Wirtschaft“) Anlagen und Betriebsgenehmigungen (Teil der mittelbaren Bundesverwaltung) beschleunigt wurden. Der Beamte erklärte, dass es Zahlungen gebe, diese seien Teil des Verfahrens (im Finanzamt, Anm.). Die Frage, ob es Zahlungen auch ohne Inserate als Gegenleistungen gab, konnte der Beamte nicht beantworten.