britischer Premierminister Boris Johnson
Reuters/Aaron Chown
Noch am Montag

Johnson muss sich Misstrauensvotum stellen

Der britische Premierminister Boris Johnson muss sich einem Misstrauensvotum der Abgeordneten seiner eigenen regierenden konservativen Partei stellen. Die Abstimmung finde noch am Montagabend statt, teilte Graham Brady, der Vorsitzende des mächtigen Parteikomitees 1922, in der Früh mit.

Einzelheiten müssten noch bestätigt werden. Die Schwelle von 15 Prozent der Fraktion, die ein Vertrauensvotum für den Vorsitzenden der Konservativen Partei anstreben, sei überschritten worden. Das bedeutet, dass mindestens 54 Konservative das Votum beim Parteikomitee 1922 schriftlich beantragen müssen. Die Anträge sind vertraulich. Brady erklärte, die Stimmen würden unmittelbar nach dem Votum ausgezählt.

Johnson steht seit Längerem unter Druck wegen Verstößen gegen strikte Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie – Stichwort „Partygate“. Der Konservative hatte bereits mehrfach dafür um Entschuldigung gebeten, einen Rücktritt jedoch mit der Begründung abgelehnt, die Regierung stehe vor zu vielen Herausforderungen und es sei unverantwortlich, davor wegzurennen.

Johnson vor Misstrauensvotum

Der britische Premierminister Boris Johnson muss sich einem Misstrauensvotum der Abgeordneten seiner eigenen regierenden konservativen Partei stellen. Die Abstimmung finde bereits am Montagabend statt.

Rücktritt bisher strikt abgelehnt

Seit der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts hatten einige Tory-Abgeordnete Misstrauensbriefe an das zuständige Parteikomitee geschickt. Viele parteiinterne Rebellen verwiesen in ihrem Antrag auf den vernichtenden Untersuchungsbericht der Spitzenbeamtin Sue Gray. Sie hatte Johnson schweres Führungsversagen vorgeworfen – doch der 57-Jährige macht weiter, als sei nichts geschehen, und ignoriert auch, dass er wegen einer Geldstrafe für die Teilnahme an einer Party nun der erste amtierende Premierminister ist, der das Gesetz gebrochen hat.

Johnson lehnte einen Rücktritt bisher mit Verweis auf die schwierige wirtschaftliche Lage, den Krieg Russlands gegen die Ukraine und seine „gewaltigen Vorhaben, derentwegen ich gewählt wurde“ ab. Er ist zudem nicht der Ansicht, dass die Geldstrafe, die die Londoner Polizei wegen Teilnahme an einer Lockdown-Veranstaltung gegen ihn verhängte, einen Bruch der Ethikregeln der Regierung darstelle.

Johnson sieht Chance für „Schlussstrich“

Nun entscheidet das für den Abend angesetzte Misstrauensvotum, ob Johnson sein Amt verliert. Dafür müssten sich 180 Tory-Abgeordnete – also mindestens die Hälfte der aktuell 359 Fraktionsmitglieder – gegen den Premier aussprechen. In dem Fall wäre Johnson zum Rücktritt als Parteichef und damit indirekt auch als Regierungschef verpflichtet.

In einer ersten Reaktion begrüßte ein Sprecher der Downing Street das Votum als Chance, „einen Schlussstrich zu ziehen und nach vorne zu schauen“. Johnson begrüße die Gelegenheit, den Abgeordneten seine Argumente darzulegen, erklärte der Sprecher. „Er wird sie daran erinnern, dass es, wenn sie geeint sind und sich auf die Themen konzentrieren, die den Wählern wichtig sind, keine überragendere politische Kraft gibt“.

May trat trotz überstandenem Votum zurück

Beobachter verweisen unterdessen auch darauf, dass etwa 150 Fraktionsmitglieder einen Regierungsjob, zum Beispiel als Staatssekretäre, Fraktionseinpeitscher („Whips“) oder Handelsemissäre haben. Stimmen sie in der geheimen Wahl gegen Johnson, könnten sie selbst ihre Ämter verlieren, heißt es dazu bei der dpa. Die Torys seien „gefangen zwischen Meuterei und Lähmung“, kommentierte James Forsyth, Herausgeber der konservativen Zeitschrift „Spectator“, in der Zeitung „Times“. Fix ist somit nur: Scheitert ein Misstrauensvotum, darf erst in einem Jahr neu abgestimmt werden.

Sollte Johnson das Misstrauensvotum überstehen, wäre seine Position damit aber nicht automatisch gesichert, da der Druck auf ihn steigen kann. Seine Vorgängerin Theresa May überstand ein Misstrauensvotum gegen sie im Dezember 2018 mit 200 zu 117 Stimmen. Der Druck auf sie wegen des Brexits war aber so hoch, dass sie nicht einmal ein halbes Jahr später zurücktrat.