Menschen warten auf Bahnsteig am Bahnhof in Dresden
Reuters/Matthias Rietschel
9-Euro-Ticket

Pfingsten als Härtetest für Deutsche Bahn

Die Reisewelle zu Pfingsten und das vergangene Woche eingeführte 9-Euro-Bahnticket haben in Deutschland vor allem auf den Hauptstrecken zu überfüllten Zügen und Verspätungen geführt. Für die Deutsche Bahn war das verlängerte Wochenende ein erster Härtetest – den sie nach Ansicht von Kritikerinnen und Kritikern nicht gut bestanden hat.

Der deutsche Fahrgastverband Pro Bahn fühlte sich in seiner Kritik bestätigt. „In den Hauptreisezeiten war die Nachfrage auf den Hauptstrecken so stark, dass Züge nicht abfahren konnten. Und einige Bahngesellschaften – etwa die Metronom in Norddeutschland – haben die Fahrradbeförderung ausgeschlossen, weil sie dem Ansturm nicht Herr wurden“, sagte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn am Montag.

Das Chaos in Deutschland sei vorhersehbar gewesen und Folge eines politischen Angebots, ohne dafür über die nötigen Kapazitäten im Bahnverkehr zu verfügen. „Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“, sagte Naumann. Gut am 9-Euro-Ticket sei, dass dadurch der öffentliche Nahverkehr wieder ins Gespräch gebracht worden sei. „Es funktioniert aber nur, wenn die Kapazitäten vorhanden sind“, so Naumann.

Bahnvertreter: 700 Problemfälle pro Tag

Auch ein Personalvertreter der Deutschen Bahn zog eine kritische Zwischenbilanz. An jedem Tag habe es deutschlandweit etwa 400 Züge mit zu hoher Auslastung gegeben, so dass Passagiere abgewiesen oder Fahrräder nicht mitgenommen worden seien, berichtete der Vizevorsitzende des Gesamtbetriebsrates DB Regio, Ralf Damde, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) nach Gesprächen mit Bahnbetriebsräten. Insgesamt habe es pro Tag rund 700 Meldungen von Überlastungen, Problemen mit Passagieren oder Störungen an die Einsatzzentrale gegeben. Das sei signifikant mehr als an einem durchschnittlichen Wochenende und auch als am Pfingstwochenende vor CoV.

Zu befürchteten tätlichen Übergriffen gegen das Bahnpersonal sei es nicht gekommen, „wohl aber zu verbalen“, sagte Damde. Der erhöhte zusätzliche Personalbedarf habe allein über Pfingsten Tausende Überstunden nötig gemacht. Zu erhöhtem Personal- und Zeitaufwand habe auch beigetragen, dass sich viele Reisende ohne Bahnerfahrung auf den Bahnhöfen nicht zurechtgefunden hätten.

Weitere Probleme im Sommer erwartet

Mit dem 9-Euro-Ticket können Fahrgäste seit Mittwoch einen Monat lang deutschlandweit den Nahverkehr nutzen. Tickets werden für Juni, Juli und August verkauft. Damit sollen Pendlerinnen und Pendler wegen der stark gestiegenen Energiekosten unterstützt werden. Für den Klimaschutz sollen neue Nutzerinnen und Nutzer dauerhaft zum Umstieg auf die Bahn bewegt werden. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen wurden bisher rund sieben Millionen der Tickets verkauft.

Menschen mit Fahrrädern am Bahnhof in Dresden
Reuters/Matthias Rietschel
Wer sein Rad in die Bahn mitnehmen wollte, hatte es, wie hier in Dresden, teilweise besonders schwer

Naumann erwartet für die kommenden Sommermonate weitere Probleme. Bahnreisenden riet er darum, wenn möglich, nicht am Wochenende zu fahren, sondern auf Tage in der Wochenmitte auszuweichen und das Ausflugsziel zu überdenken. „Muss es unbedingt Sylt sein, Warnemünde oder der Tegernsee – oder gibt es nicht auch andere schöne Gegenden, wo die Nachfrage geringer ist?“, so Naumann.

Verzögerungen auch am Montag

Auch am Montag kam es in Deutschland vielerorts zu Verspätungen. Reisende hatten insbesondere in Richtung Ost- und Nordsee von teils völlig überfüllten Zügen berichtet, aus einigen mussten Fahrgäste wieder aussteigen. Fahrräder konnten häufig nicht mitgenommen werden.

Überregional sei der Betrieb aber insgesamt stabil gewesen, sagte der Bahnsprecher. Für Pfingstmontag hatte die DB Fahrgästen erneut empfohlen, sich kurz vor Reiseantritt noch einmal bei den Verkehrsverbünden oder über die App DB Navigator zu informieren.

Verkehrsminister: „Müssen Chance nutzen“

Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, das Angebot im Nahverkehr sollte künftig verständlicher, einheitlicher und damit kundenfreundlicher werden. Er sprach sich auch für praktische Nahverkehr-Apps und einfachere Tarife aus. „Wir müssen die Chancen nutzen, mehr Menschen für den ÖPNV zu begeistern“, so Wissing. „Wir wollen neue Fahrgäste gewinnen.“

Außerdem müssten kleinteilige Organisationsstrukturen aufgebrochen werden. Einheitliche Tarife und verkehrsverbundübergreifende Angebote seien auch für die Kundinnen und Kunden ein echter Mehrwert. „Menschen leben nicht in Tarifzonen. Menschen wollen von A nach B.“