Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Reuters/BenoitTessier
Frankreich wählt Parlament

Linkspopulist macht Macron Konkurrenz

Amtsinhaber Emmanuel Macron hat sich bei der französischen Präsidentschaftswahl im April gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen durchgesetzt. Bei der Parlamentswahl diesen und nächsten Sonntag kommt die Konkurrenz aus der entgegengesetzten politischen Richtung, vom Bündnis des Linkspopulisten Jean-Luc Melenchon. Ein zentrales Thema im Wahlkampf ist soziale Gerechtigkeit – was Melenchon für sich zu nutzen versucht.

Der 70 Jahre alte Melenchon ist ein Veteran in der französischen Politik. Schon 2012 und 2017 war er bei der Präsidentschaftswahl angetreten, 2022 landete er in der ersten Runde nur knapp hinter Le Pen. Für die Parlamentswahl hat Melenchon nun unter dem Akronym NUPES (Nouvelle union populaire ecologique et sociale, Neue ökologische und soziale Volksunion) ein Bündnis im linken politischen Spektrum geschmiedet.

Als Partner seiner Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) konnte er eine Reihe linksgerichteter Parteien gewinnen, darunter auch die Sozialisten (PS), die bis 2017 noch den Staatspräsidenten gestellt hatten, sowie die Grün-Partei EELV. Auch Macrons politisches Umfeld tritt diesmal mit einem Bündnis unter dem Namen Ensemble Citoyens auf. Es wird von der jüngst in Renaissance umbenannten Präsidentenpartei (früher La Republique En Marche), der zentristischen MoDem sowie einigen Kleinparteien – allesamt aus dem liberalen und Mitte-Lager – gebildet.

Der Präsidentschaftskandidat der französichen Linken, Jean-Luc Melenchon
Reuters/Rali Benallou
Melenchon hat ein Bündnis linker Parteien hinter sich versammelt

Soziale Gerechtigkeit zentrales Wahlkampfthema

Ein bestimmendes Thema im Wahlkampf ist soziale Gerechtigkeit. Lebensqualität und Lebensstandard nehmen seit den Protesten der Gelbwesten im Jahr 2018 viel Raum in der politischen Debatte ein. Die rasch steigende Teuerung infolge der Pandemie und des russischen Krieges in der Ukraine sorgt – wie bereits bei der Präsidentschaftswahl – für zusätzliche Brisanz. Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellte aus der Mittelschicht fürchten den Verlust ihrer Kaufkraft und den sozialen Abstieg.

Wahlen der Extreme in Frankreich

Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich haben einmal mehr vor Augen geführt, wie gespalten das Land ist. Zusammengenommen haben die extreme Linke und Rechte über die Hälfte der Stimmen im ersten Wahldurchgang erhalten. Sie hoffen, jetzt bei den Parlamentswahlen ebenso gut abzuschneiden.

Melenchon versprach im Wahlkampf, die Gehälter von Menschen mit geringem Einkommen anzuheben und die Deckelung der Preise lebensnotwendiger Produkte sowie von Wohnungsmieten. Ein Dorn im Auge ist ihm auch Macrons geplante Pensionsreform: Während der Präsident das Antrittsalter von derzeit 62 auf 65 Jahre anheben will, fordert der Linkspopulist eine Senkung auf 60 Jahre.

EU-Skepsis und unklarer Kurs in NATO-Frage

Anders als Macron, der sich gern als Proeuropäer inszeniert, blitzt bei Melenchon eine gewisse EU-Skepsis durch. Im Grundsatzpapier der NUPES wird die Aufhebung des Stabilitätspaktes gegen übermäßige Staatsverschuldung und der Defizitregeln gefordert.

Beim Thema NATO ist das linke Bündnis uneins. Melenchon will das Land aus der Militärallianz führen. Im Wahlkampf sagte er, die Nationalversammlung solle über die Mitgliedschaft abstimmen, ein „sofortiger Austritt“ stehe allerdings nicht zur Debatte. Im NUPES-Wahlprogramm ist von einem Austritt keine Rede – dort heißt es lediglich, dass die UNO das einzig „legitime Organ für kollektive Sicherheit auf globaler Ebene“ sei.

Wahlbeteiligung könnte entscheidend werden

Macrons Parteienallianz liegt in allen Umfragen in Führung. Ein Verlust der absoluten Mehrheit in der unteren Parlamentskammer, der Nationalversammlung, ist allerdings durchaus möglich. In Frankreich gilt bei Parlamentswahlen das Mehrheitswahlrecht, die 577 Wahlkreise stellen jeweils eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten. Für die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung braucht es mindestens 289 Sitze.

Grafik zur Parlamentswahl in Frankreich
Grafik: APA/ORf.at; Quelle: Elabe

Der französische Meinungsforscher Brice Teinturier warnte angesichts des komplexen Mehrheitswahlrechts vor voreiligen Schlüssen. „Ein oder zwei Prozentpunkte mehr oder weniger können bedeuten, dass 40 bis 50 Sitze die Seite wechseln“, sagte er dem Sender France Inter. Auch eine geringe Wahlbeteiligung kann den Ausgang des Urnengangs noch stark beeinflussen. Nach einer Umfrage könnte sie bei lediglich 44 bis 48 Prozent liegen, was ein neuer Tiefstand wäre.

Furcht vor der „Kohabitation“

Melenchon gab sich den Umfragen zum Trotz siegessicher. „Wir haben gute Aussichten, zu gewinnen“, sagte der 70-Jährige, der nach eigenen Worten das Amt des Premierministers anstrebt. Besonders stark schnitt der Politikveteran bei der Präsidentschaftswahl übrigens bei den Jungen ab. In der Gruppe der 24- bis 30-Jährigen kam er auf 30 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen erreichte er sogar 36 Prozent.

Sollte Melenchon tatsächlich Premier werden, hätte Frankreich erstmals seit 20 Jahren wieder eine „Kohabitation“. Es war bisher dreimal der Fall, dass der Präsident und die stärkste politische Fraktion unterschiedlichen politischen Lagern angehören, zuletzt unter dem konservativen Präsidenten Jacques Chirac und dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin. Für Macron würde eine solche Konstellation das Regieren zwar nicht verunmöglichen, aber doch deutlich erschweren.

Die Regierungsmehrheit ist sich des Risikos durchaus bewusst. Ein Sieg der Opposition würde „eine enorme Destabilisierung der Politik auf Jahre hinaus“ zur Folge haben, warnte der für Beziehungen zum Parlament zuständige Minister Olivier Veran.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
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Die Wiederwahl zum Präsidenten ist Macron geglückt, bei der Parlamentswahl könnte es für seine Parteienallianz eng werden

Macrons nach der Präsidentschaftswahl präsentierte Regierung hat in den vergangenen Tagen und Wochen eher negative Schlagzeilen gemacht. Solidaritätsminister Damien Abad ist mit Vergewaltigungsvorwürfen zweier Frauen konfrontiert. Er weist die Vorwürfe zurück, es könnte aber noch zu einem Ermittlungsverfahren kommen. Innenminister Gerald Darmanin geriet ebenfalls in die Kritik, nachdem es am Rande des Champions-League-Finales in Paris am 28. Mai zu Chaos gekommen war.

Le-Pen-Partei dürfte Fraktionsstatus erlangen

Zu den Gewinnern der Wahl dürfte laut Umfragen auch Le Pens Rassemblement National (RN) zählen. Zur Bildung einer Fraktion in der Nationalversammlung braucht es mindestens 15 Abgeordnete. Die Rechtspopulisten dürften diese Marke erstmals seit 1986 wieder überspringen.