Parteizentrale der ÖVP in Wien
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Wahlkampf, Parteifinanzen

RH schickt Wirtschaftsprüfer zur ÖVP

Der Rechnungshof (RH) hat am Freitag die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und dabei eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Um das zu klären, schickt der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale.

„Das Verfahren zur Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019 war außergewöhnlich“, heißt es in der RH-Erklärung zum Bericht. Genannter Hintergrund war nicht nur eine neue Rechtslage ab 9. Juli 2019 und damit „die erstmalige Einbeziehung der nichtterritorialen Teilorganisationen“. Direkte Auswirkungen auf das Kontrollverfahren habe auch das „umfangreiche Bekanntwerden über mutmaßliche Aktivitäten der Partei“ gehabt: „Es machte mehrere Fragerunden an die ÖVP notwendig“, wie es vom RH weiter heißt.

„Bedenken“ gab es laut RH etwa rund um die für 2019 angegebenen Wahlkampfkosten – und diese konnte die ÖVP auch in ihren bisherigen Stellungnahmen nicht ausräumen. Der RH wundert sich etwa darüber, dass laut ÖVP-Rechenschaftsbericht für den EU-Wahlkampf deutlich mehr ausgegeben worden sei als für die Nationalratswahl. Das sei „mit der politischen Lebenswirklichkeit schwer in Einklang zu bringen“, so der RH. Alles in allem gibt es aus RH-Sicht „genügend Anhaltspunkte für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS), dass ein Verstoß gegen das Parteiengesetz (Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze) vorliegt“.

In direkter Folge setzt der RH nun „eine Wirtschaftsprüferin beziehungsweise einen Wirtschaftsprüfer ein, die oder der den Auftrag erhält, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen“. Die ÖVP habe für die anstehende Prüfung „vollen Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren“.

ÖVP-Seniorenbund-Vereine für RH Teil der ÖVP

Es ist nicht der einzige für die ÖVP brisante Teil der nun veröffentlichten RH-Erkenntnisse. So wertet der Rechnungshof auch die mit CoV-Hilfsmitteln geförderten Vereine des ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP. Zwar hat sich der Rechnungshof noch nicht mit den Coronavirus-Förderungen für die ÖVP-Seniorenorganisation befasst – sehr wohl aber mit der Frage, ob die Seniorenvereine tatsächlich (wie von der ÖVP behauptet) nicht als Teil der Parteiorganisation Seniorenbund gelten.

Die Prüfer verweisen auf oftmals deckungsgleiche Vereinssitze direkt in der jeweiligen Bundes- oder Landesparteizentrale, auf einschlägige Formulierungen in den Beitrittserklärungen und auf die Selbstbeschreibung des Seniorenbundes aus dem Jahr 2021: „Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessenvertretung in einem.“

NEOS-Anfrage zu CoV-Hilfen

Aus einer parlamentarischen NEOS-Anfrage geht hervor, dass fast nur ÖVP-nahe Organisationen Förderungen aus dem „Non Profit Organisationen-Unterstützungsfonds“ bezogen. Auch die Politische Akademie der ÖVP kam laut Ö1-Morgenjournal in den Genuss von COV-Hilfen, nämlich über die Betreibergesellschaft des Seminarhotels auf dem Gelände der Akademie.

Ihre Einnahmen und Ausgaben müssten daher in der Parteibilanz aufscheinen. Weil das 2019 nicht der Fall war, hat der Rechnungshof den UPTS im Kanzleramt gebeten, auch diese Frage zu prüfen.

„Vorgänge in Vorarlberg“

Ebenfalls beim Senat zeigte der Rechnungshof die vom RH-Sprecher Christian Neuwirth auf Twitter als „Vorgänge in Vorarlberg“ bezeichnete Inseratenaffäre des Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbundes an. Dazu verglichen die Prüfer die 1,6 Mio. Euro Inserateneinnahmen 2019 mit dem in Aufmachung und Umfang ähnlichen „Gemeindeblatt für die Landeshauptstadt Bregenz“, wo solche Inserate nur 268.000 Euro erbracht hätten. Die Differenz von 1,3 Mio. Euro meldete der RH als verdeckte Parteispende an den Senat.

Zumindest ein Teil der Inserateneinnahmen könnte unzulässigerweise an die ÖVP geflossen sein – nämlich dann, wenn die Spendengrenze von 7.500 Euro überschritten wurde oder wenn sie von staatlichen Einrichtungen oder von Firmen mit zumindest 25 Prozent Staatsbeteiligung gekommen sind.

Ebenfalls als verdeckte bzw. unzulässige Parteispenden wurden Wahlkampfinserate in der „Niederösterreich Zeitung“ der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro) angezeigt.

„Auffälligkeiten“

Schließlich macht der RH noch auf zwei „Auffälligkeiten im Kontrollverfahren“ aufmerksam, die „aufgrund der derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht hinreichend für eine Mitteilung an den UPTS aufbereitet werden können“. Punkt eins betreffe die „Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers durch das Bundeskanzleramt“. Der RH habe den Bericht und eine parlamentarische Anfrage zum Anlass genommen, um von der ÖVP eine Stellungnahme einzufordern, „wie es sich mit den Kosten für die Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers verhält“.

Der RH werde in diesem Zusammenhang nun seinen Prüfplan um das Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ erweitern. Als weiteres Thema kommen laut RH auch „öffentliche Schulungsgelder für Gemeindemandatare in Niederösterreich“ auf den Prüfplan. Dahinter stünden laut RH-Aussendung die im ÖVP-Rechenschaftsbericht 2019 aufgelisteten „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“.

„Das ist erstmalig so“

Die Prüfung der Parteibilanz dauerte somit nicht nur unüblich lange, sondern löste auch weitere Prüfungen aus. Die lange Dauer begründete Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker wie bereits erwähnt damit, dass das zugrunde liegende Kontrollverfahren „aufwendig“ war, was mehrere Gründe gehabt habe. Zum einen sei Mitte 2019 das Parteiengesetz novelliert worden und habe diverse Verschärfungen gebracht, etwa die Einbeziehung der ÖVP-Bünde.

Rechnungshof: Verstöße in ÖVP-Bilanz

Der Rechnungshof hat am Freitag die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und dabei eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Um das zu klären, schickt der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale.

Zum anderen habe es „viele Vorgänge im Jahr 2019 gegeben, die dazu geführt haben, dass wir die Unterlagen genau angeschaut und mehrmals nachgefragt haben“, so Kraker. In der Novelle 2019 seien nämlich Prüf- und Einsichtsrechte in die Parteifinanzen „noch nicht inkludiert“ gewesen. Künftig soll der Rechnungshof ja bei einem begründeten Verdacht auf Verletzung des Parteiengesetzes selbst Einsicht in die Bücher bekommen.

Nach der geltenden Regelung bleibe nun aber bei vermuteten Verstößen wie im Fall der Wahlwerbungsausgaben für die Nationalratswahl nur die Möglichkeit, einen Wirtschaftsprüfer einzusetzen, der direkte Einsicht in die Bücher nimmt und die Angaben der Partei überprüft. „Das ist erstmalig so, dass der Rechnungshof das macht“, so Kraker.

Wirtschaftsprüfer wird per Los gewählt

Die RH-Präsidentin geht davon aus, dass die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer „sehr rasch“ eine Liste von geeigneten Prüfern, bei denen Interessenkonflikte ausgeschlossen sind, übermitteln könne. Daraus werde dann ein Wirtschaftsprüfer per Los bestimmt, der klären soll, ob die Angaben der ÖVP stimmen. Für die RH-Prüfer sei jedenfalls zweifelhaft, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl, so Kraker: „Wir lassen uns aber gerne davon überzeugen.“

ÖVP: „Sehen Prüfung gelassen entgegen“

Die ÖVP nimmt einer ersten Reaktion zufolge zur Kenntnis, dass sich der Rechnungshof durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern will. Der anstehenden Prüfung sehe man „gelassen entgegen, denn die vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer haben alles bereits mehrmals geprüft“. „Wir haben nichts zu verbergen aus dieser Zeit“, sagte auch ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer am Rande eines Besuchs in Tallinn.

Neuwahlforderung von SPÖ und FPÖ

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch spricht per Aussendung indes von einem „vernichtenden RH-Bericht zu den ÖVP-Finanzen“. Die ÖVP habe aus SPÖ-Sicht nicht nur „ein gewaltiges Korruptionsproblem“ – es sei nun auch höchste Zeit, dass ÖVP-Chef Karl Nehammer „seine Verantwortungsflucht beendet“ und „die Regierung endlich den Weg für Neuwahlen frei machen muss“.

Auch die FPÖ ortet per Aussendung im RH-Bericht und der erstmaligen Entsendung eines externen Wirtschaftsprüfers durch den RH gegen eine Parlamentspartei den „Anfang vom Ende der ÖVP“. Bei der ÖVP wisse „man derzeit eigentlich gar nicht, wo man anfangen soll“, so der FPÖ-Fraktionsvorsitzende im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, der sich ebenfalls für Neuwahlen ausspricht.

NEOS für „ordentliches Parteienfinanzierungsgesetz“

Der „verheerende“ RH-Bericht zeige „erneut, dass die ÖVP vollkommen unverschämt und eigennützig mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreichern hantiert“, heißt es in einer Aussendung von NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos. Man erwarte von Nehammer, der 2019 ÖVP-Generalsekretär war, sofortige Aufklärung, so Hoyos, der in Österreich zudem weiter „ein ordentliches Parteienfinanzierungsgesetz“ vermisst.

Auch die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli spricht von einem „verheerenden“ RH-Bericht. Dieser stelle der ÖVP-Parteibuchhaltung „ein mieses Zeugnis aus“, so Tomaselli, die via Twitter dazu noch anmerkte: „Wegen Schummeln, setzen 5“.