Blick auf Eibenstock
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„Gemeinwohldörfer“

„Reichsbürger“ planen „Königreich“ in Sachsen

Immer mehr rechtsextreme Gruppierungen kaufen in Ostdeutschland gezielt Immobilien als Versammlungs- und Rückzugsorte. Besonders alarmiert zeigt sich der deutsche Verfassungsschutz über „Gemeinwohldörfer“ der „Reichsbürger“-Gruppierung, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt. Die rechtsextreme Szene könnte sich in den Siedlungen besser vernetzen, so die Befürchtung.

Die „Gemeinwohldörfer“ des Gründers des selbst ernannten „Königreichs Deutschland“ könnten als mögliche Rückzugsorte der gesamten „Querdenker“-Szene dienen, erläuterte der Präsident des deutschen Landesamts für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian. Er warnte zugleich davor, dieser „Reichsbürger“-Gruppierung um den selbst ernannten „König“ Peter Fitzek Geld zu überlassen.

Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat Fitzek mehrfach unerlaubte Geschäfte seiner „Gemeinwohlkasse“ untersagt, die ein „neues, dauerhaft stabiles, unabhängiges und zinsfreies Geld- und Finanzwesen zum Wohle der Menschen“ einführen soll. Fitzek sucht derzeit vor allem in Sachsen nach Grundstücken für seine „Gemeinwohldörfer“ und ist in Bärwalde und Eibenstock bereits fündig geworden.

Behördenchef Christian zufolge ködert er seine Anhänger mit dem Versprechen, dort ein „selbstbestimmtes Leben fernab von staatlichen Regeln“ zu führen. Wer Fitzek seine Ersparnisse anvertraue, gerate jedoch nicht nur in existenzielle Abhängigkeit von ihm, sondern auch in den Strudel extremistischer Ideologien und Verschwörungstheorien, warnt der Verfassungsschutzchef.

„Leben ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto“

Fitzek, der aus Halle an der Saale stammt und der „Reichsbürger“-Bewegung zugeordnet wird, hat mit dem Geld seiner „Untertanen“ bereits zwei heruntergekommene Schlösser gekauft. Nach seinen Vorstellungen sollen sich die Dörfer „unabhängig von alten Systemstrukturen versorgen“ und ein Leben „ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto“ ermöglichen.

„Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann“, sagt der selbst ernannte „König“ in einem Werbevideo des „Gemeinwohlstaates Königreich Deutschland“. Fitzeks illegale Aktivitäten beschäftigen die deutschen Gerichte bereits seit Jahren. Ihm wird mitunter vorgeworfen, ohne Führerschein Auto zu fahren und 360.000 Euro durch den Betrieb einer illegalen Krankenkasse verdient zu haben.

„Das ‚Königreich Deutschland‘ leugnet die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland“, erklärte Behördenchef Christian in einer Art Warnschreiben an Kommunalpolitiker. Sein Ziel sei es, pseudolegitimierte Parallelstrukturen zu real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen wie beispielsweise dem Steuer- und Finanzwesen sowie dem sozialen Sicherungssystem aufzubauen.

Peter Fitzek
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Der selbst ernannte „König“ Fitzek beschäftigt die deutschen Gerichte seit Jahren

„Rechte Landnahme“ nimmt vor allem im Osten zu

Die überregionalen Gruppen der „Reichsbürger“-Bewegung sorgen bereits seit Jahren immer wieder mit Siedlungsprojekten für Aufruhr. Aktuell nimmt die „rechte Landnahme“ aber vor allem in Ostdeutschland zu. Nach Angaben des Verfassungsschutzes wirbt neben Fitzeks „Königreich“ seit Februar 2020 auch die „Initiative Zusammenrücken“ für die Ansiedlungen von Rechtsextremisten in „Mitteldeutschland“, vor allem im Raum Leisnig.

„Sie zählen zur Neonazi-Szene, manche von ihnen gehören dem parteigebundenen rechtsextremen Spektrum an“, heißt es im Jahresbericht des deutschen Verfassungsschutzes. „Auch ehemalige Mitglieder der im Jahr 2009 verbotenen neonazistischen ‚Heimattreuen Deutschen Jugend‘ zählen dazu.“ Ziel sei es, einen „an rassistischen und völkischen Ideen orientierten Lebensentwurf“ umzusetzen, der ein Zeichen gegen die „Überfremdung“ durch Zuwanderung setzen soll.

In Sachsen werde man „noch als richtiger Deutscher akzeptiert“ und könne „als Volk in Ruhe wieder wachsen“, zitierte der Verfassungsschutz ein Mitglied der „Initiative Zusammenrücken“. Geworben wird etwa mit preiswertem Wohnraum, niedrigen Immobilienpreisen, ländlicher Abgeschiedenheit und wenig Migration. Fachleute sehen in den Siedlungsprojekten zugleich ein Indiz für Bestrebungen, die rechtsextreme Szene weiter zu vernetzen.

„Überregionale Anziehungskraft“ schaffen

Auch in Thüringen sollen Mitglieder der rechtsextremen Szene vermehrt Immobilien erwerben. Es ginge ihnen dabei vor allem darum, „durch Schaffung ständig verfügbarer Anlaufstellen örtliche Strukturen zu festigen, sich ungehindert zu internen Treffen versammeln und damit auch überregionale Anziehungskraft ausüben zu können“.

Das Thüringer Landesamt hat bereits einen Handlungsleitfaden für Kommunalpolitiker verfasst. Auch der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt bezeichnet den Erwerb von Immobilien durch Rechtsextreme als Gefahr für die innere Sicherheit. „Politische Arbeit und der Kontakt innerhalb der Szene gestalten sich mit einer eigenen Immobilie deutlich leichter“, heißt es. Die Orte könnten zudem bei Vermietung auch Einnahmen bringen.

Kommunen haben kaum rechtliche Handhabe

„Das ‚Königreich Deutschland‘ erwirbt Grundstücke von Privatpersonen und scheint den wahren Käufer durch die Einschaltung von Strohmännern zu verschleiern“, erklärte Christian. „Die Kommunen haben da kaum eine rechtliche Handhabe, können solche Verkäufe also grundsätzlich nicht verhindern.“ Die Verkäufe liefen zudem nicht immer offiziell über einen notariellen Kaufvertrag.

Fitzek sei für seine Ziele auf die Geldspenden seiner „Bewohner“ zwingend angewiesen. Das „Königreich Deutschland“ propagiere derzeit etwa die Möglichkeit, der Gruppierung Grundstücke zu „stiften“, de facto also zur Nutzung zu überlassen. Es bestehe die Gefahr, dass sich weitere extremistische, sektenähnliche Siedlungsgemeinschaften herausbildeten.

Extremismus hat in Deutschland laut dem Verfassungsschutzbericht im Jahr 2021 in allen Facetten zugenommen. Die Anzahl der Reichsbürger sei um etwa 1.000 Personen auf 21.000 Mitglieder gestiegen. „Dieser Anstieg ist vor allem auf die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen, die eine erhöhte Dynamik und Aktivität in Teilen dieser Szene zur Folge hatten“, heißt es in dem Bericht.