Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der ORF-„Pressestunde“
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Entlastungspaket

„Einigung in den nächsten Tagen“

Die Bundesregierung verhandelt derzeit ihr drittes Paket gegen die Teuerung. Über die Maßnahmen wurde in den vergangenen Tagen spekuliert. Geplant seien, so hieß es, kurzfristige (Einmalzahlungen) und strukturelle Maßnahmen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) geht davon aus, dass eine Einigung in „den nächsten Tagen“ erzielt wird.

„Wir sind in einem Ausnahmejahr“, sagte Gewessler am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Es werde „unter Hochdruck“ an den weiteren Maßnahmen gearbeitet. Laut der Ministerin sei es ein „großes Paket“, wobei noch viele „technische Fragen“ zu klären seien. Aufgrund der laufenden Verhandlungen ging sie nicht konkret auf die geplanten Schritte ein. Mehrmals betonte Gewessler aber, dass man schon jetzt zwei Entlastungspakete geschnürt habe.

Zudem werde die für Juli geplante CO2-Bepreisung in den Herbst verschoben und der Klimabonus auf 250 Euro pro Person erhöht. Die Klimaschutzministerin bezeichnete diese Maßnahme als „Harmonisierung“ und aufgrund der Teuerung als legitimen Schritt. Die umstrittene Erhöhung des Klimabonus für alle – also unabhängig des Vermögens und Einkommens – soll in der „Breite wirken“.

Verschiebung von CO2-Preis verteidigt

Die Verschiebung des CO2-Preises gilt als umstritten. Während der Präsident der Industriellenvereingung (IV), Georg Knill, im „Standard“ meinte, dass die Maßnahme aufgrund der Inflation nachvollziehbar sei, übten Klimaschutzorganisationen scharfe Kritik an der Regierung. Für Margit Schratzenstaller, Ökonomin beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), ist die Verschiebung der langfristigen Maßnahme CO2-Preis zudem ein falsches Signal an die Bevölkerung.

Verhandlungen zu Antiteuerungsmaßnahmen

Gewessler kennt die Bedenken, betonte allerdings, dass die CO2-Bepreisung als „wichtiges Instrument“ für den Klimaschutz ohnehin kommen werde, nur eben nicht jetzt. Es widerspreche sich nicht, etwas gegen die Teuerung zu machen und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz. Auf die Frage, ob eine neuerliche Verschiebung möglich sei, sollte die Teuerungswelle anhalten, antwortete Gewessler: „Der CO2-Preis kommt sicher. Wir harmonisieren den Zeitpunkt.“

Laut einer aktuellen Meinungsumfrage von Peter Hajek für ATV spricht sich mit 57 Prozent die Mehrheit der Befragten für eine Verschiebung der Klimaschutzauflagen aus, um der Teuerung entgegenzuwirken. Über ein Drittel der Befragten, nämlich 36 Prozent, würden das wiederum kritisch sehen. Sieben Prozent äußerten keine Meinung. Befragt wurden, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung, 800 Personen.

Klimabonus und CO2-Bepreisung

„So rasch wie möglich“

Wann die weiteren Maßnahmen gegen die Teuerung kommen werden, scheint noch nicht so klar zu sein. Man wolle das Paket „so rasch wie möglich“ auf den Weg bringen, so die Verkehrsministerin. Alle würden an einem schnellen Abschluss vor dem Sommer arbeiten. Eine Vermögenssteuer, um die Ausgaben zu kompensieren, sei in den Verhandlungen kein Thema. Aber es seien „außergewöhnliche Zeiten, wie man an der Debatte um eine Gewinnabschöpfung sehen konnte“. Es sei ungewöhnlich, dass die Idee von einem ÖVP-Kanzler kam.

Am Samstag hatte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) auch die Erhöhung des Energiebonus angekündigt, aber mit Details gespart. Gewessler wollte eine entsprechende Frage mit dem Verweis, den Verhandlungen nicht vorgreifen zu wollen, nicht beantworten. Es lägen mehrere Maßnahmen auf dem Tisch, so die Ministerin. Rauch nannte etwa als strukturelle und zielgerichtete Maßnahme die Anpassung der Transferleistungen an die Inflationsrate.

Caritas-Präsident Michael Landau forderte von der Bundesregierung „dringend“ einen Rettungsschirm, der vor Armut schützt. Und auch die Rettungsdienste leiden unter der Teuerung. Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Johanniter und Malteser warnten via „Kronen Zeitung“ vor den horrenden Spritkosten, die sie auf Dauer nicht mehr stemmen könnten, und forderten die Befreiung von der Mineralölsteuer.

Gewessler plädiert für Energiewende

Grund für die Teuerung sind unter anderem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen. Gewessler sagte mit Blick auf das russische Gas, auf das Österreich noch angewiesen ist, dass man „raus aus dieser Abhängigkeit“ müsse. „Es wird kein Spaziergang, es wird ein Kraftakt“, so die Ministerin. Man müsse Gasverbrauch einsparen und die eigene Produktion ausbauen. Jetzt sei der Zeitpunkt für die Energiewende, so die Politikerin.

Abhängigkeit von russischem Gas und Notfallpläne

Sollte Russland der Republik den Gashan zudrehen, gebe es Notfallpläne. Sie als Klimaschutzministerin sei aber nicht allein dafür verantwortlich. „Das Ziel der Energielenkung ist, dass die Haushalte warmbleiben und die Krankenhäuser in Betrieb bleiben“, so Gewessler, die als Kriterien etwa „Brot vor Stahl“ nannte, die Lebensmittelversorgung müsse sichergestellt sein. Die E-Control und das Ministerium seien mit den Gasgroßabnehmern in Kontakt, um im Fall des Falles zu reagieren.

IV-Präsident Knill führte im „Standard“-Interview aus: „Die E-Control hat einen Fragebogen an die 54 Großabnehmer ausgesandt, um die Möglichkeiten der Reduktion bis zum Runterfahren zu eruieren. Aufgrund unserer – wie ich glaube berechtigten – Kritik an der Energieministerin gab es als Konsequenz sogenannte Infopoints mit Experten des Ministeriums und der E-Control. Welche Unternehmen, welche Branchen in welcher Form im Energielenkungsfall betroffen sind, ist uns nicht bekannt.“

Vage bei Klimaschutzgesetz

Beim weiteren Zeitplan zum noch immer ausstehenden Klimaschutzgesetz blieb Gewessler vage. Seit 527 Tagen ist dieses bereits überfällig. Die Ministerin betonte die Komplexität der Materie. Es werde mit „Hochdruck“ daran gearbeitet, Fertigstellungsdatum nannte Gewessler keines. Etwas weniger Vertrauen setzte die Ministerin in die Länder und deren Geschwindigkeit beim Ausbau von Windparks, von denen keine einzige Anlage in Salzburg, Tirol und Vorarlberg steht. Hierzu werde sie am Montag einen Plan präsentieren, der die Kompetenzen der Länder im Bewilligungsverfahren einschränken wird.

Notwendigkeit eines neuen Klimaschutzgesetzes

Beim von der EU geplanten Verbrennerverbot für Pkws ab 2035 sieht Gewessler wenig Sinn darin, auf rechtsverbindlicher Ebene in Österreich schneller voranzuschreiten. Schließlich erfolgten die Autozulassungen auf EU-Ebene. Die stark steigenden Zulassungszahlen von Elektroautos ermöglichten es aber ohnehin, früher aus dem Verbrennungsmotor auszusteigen. Bei aufrechter Zulassung dürften jedenfalls Diesel- und Benzinautos auch noch nach 2035 weiter fahren.

Zu den überfüllten Zügen bei den ÖBB meinte Gewessler, dass es keine Reservierungspflicht brauche. Die ÖBB hätten bereits „umfassend reagiert“ und zu Stoßzeiten „Verstärkerzüge“ eingesetzt. Zu Stoßzeiten „fährt alles, was fahren kann“, erklärte die Verkehrs-, Klima- und Energieministerin.

Kritik von NEOS und FPÖ Kärnten

NEOS sagte nach der „Pressestunde“: Die Klimakrise kenne keine Pause, die Klimaschutzministerin offenbar schon. „Es reicht nicht, die ÖVP als Blockierer vorzuschieben. Es sind auch die Grünen, denen schlichtweg der Mut zur Erneuerung fehlt, um beim Klimaschutz Meter zu machen“, so Klimasprecher Michael Bernhard. Es brauche klare klimapolitische Zielsetzungen und Reduktionspfade, „und die gehören besser gestern als morgen auf den Tisch“.

Der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer richtete der Ministerin aus: „Die Kärntner FPÖ wird die geplanten Zwangsaufstellungen von Windrädern in Kärnten durch den Bund nicht hinnehmen. Wir werden diesen Anschlag des Bundes auf unser schönes Kärnten und den Tourismus mit allen Mitteln bekämpfen und uns wehren.“