Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Reuters/ Ludovic Marin
Parlamentswahl

Zwiespältige Resultate für Macron

Auch wenn für das Mitte-Bündnis von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die erste Runde der Parlamentswahl am Sonntag hätte schlechter laufen können: Sein Durchregieren könnte bald enden. Seinen Vorhaben, etwa der umstrittenen Pensionsreform, würde eine Parlamentsmehrheit anderer Blöcke große Steine in den Weg legen. Das bedeutet für Macron: weiter zittern bis nächsten Sonntag.

Macron war erst im April als Präsident bestätigt worden. Nun musste er mit der ersten Parlamentswahlrunde doch einen Schlag einstecken. Das neue Linksbündnis NUPES, angeführt vom altgedienten Linksaußen Jean-Luc Melenchon, lag nach den Hochrechnungen quasi gleichauf mit Macrons Bündnis Ensemble bei jeweils etwa 25 Prozent.

Die 577 Parlamentsmandate werden nach dem Mehrheitswahlrecht besetzt. Gewählt ist jener Kandidat, der im jeweiligen Wahlkreis die absolute Mehrheit erreicht. In den meisten Wahlkreisen wird das erst in der Stichwahl der Fall sein. Schätzungen mehrerer Institute zufolge könnte das Macron-Bündnis 255 bis 310 Mandate bekommen, die Linksallianz 150 bis 210 Mandate.

Weiterhin vieles offen

Bisher kann sich der Präsident in der Nationalversammlung auf eine absolute Mehrheit stützen, für die mindestens 289 Sitze nötig sind. Ob Macron diese Absolute verteidigen kann, wird somit erst in der zweiten Runde der Parlamentswahl am kommenden Sonntag feststehen.

Mit einer knappen Mehrheit würde Macrons Lager jeden Überläufer fürchten müssen. Sollte Macrons Wahlbündnis gar die absolute Mehrheit verlieren, muss die Regierung sich auf wechselnde Mehrheiten stützen.

Spitzenvertreter der Linksallianz wiesen darauf hin, dass diese sich in rund 500 Wahlkreisen für die Stichwahl qualifiziert habe. Damit sei das Rennen um die Mehrheit weiterhin offen. Tatsächlich hatte vor wenigen Wochen noch niemand mit dem Linksbündnis gerechnet. Das Lager hatte bei der Präsidentschaftswahl im April noch zahlreiche konkurrierende Kandidaten ins Rennen geschickt. Melenchon gelang zumindest der politische Coup, das Lager vorübergehend zu einen.

Bericht zur Wahl in Frankreich

ZIB-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet über die erste Runde der Parlamentswahl in Frankreich und über mögliche Folgen einer „Cohabitation“, falls der Präsident eine Mehrheit braucht.

Große Pläne wackeln nun

Ein Durchregieren und Umsetzen seiner Vorhaben würde für Macron dann schwieriger. Dazu gehören Reformen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie Kaufkrafthilfen. Auch die Umweltpolitik soll stärker in den Fokus rücken, neben erneuerbaren Energien setzt Macron vor allem auf den Ausbau der Atomkraft. Oben auf der Agenda steht zudem die umstrittene Pensionsreform. Macron will das Pensionsantrittsalter auf bis zu 65 Jahre anheben, Melenchon will es auf 60 absenken. Schon bei dem ersten Reformversuch, der wegen der Pandemie abgebrochen wurde, hatte es schwere Proteste gegeben.

Jean-Luc Melenchon
Reuters/Eric Gaillard
Melenchon erzielte einen Erfolg, das Wahlrecht macht ihm aber einen Strich durch die Rechnung

Nach der ersten Wahlrunde am Sonntag wollte keiner als Verlierer dastehen. Die neue Premierministerin Elisabeth Borne sah die politischen Kontrahenten des Mitte-Bündnisses chancenlos für eine Mehrheit. „Wir sind die einzige politische Kraft, die in der Lage ist, eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bekommen“, sagte Borne am Sonntagabend. Die Premierministerin warnte zudem indirekt vor einem weiteren Erstarken der Linken. „Wir können das Risiko von Instabilität nicht eingehen.“

Melenchon wertete die Teilergebnisse als Sieg. „Die Wahrheit ist, dass die Präsidentschaftspartei in der ersten Runde geschlagen und besiegt ist“, sagte er am Sonntagabend in Paris. „Angesichts dieses Ergebnisses und der außerordentlichen Gelegenheit, die sie für unsere persönlichen Leben und die Zukunft der gemeinsamen Heimat darstellt, rufe ich unser Volk auf, nächsten Sonntag auszuströmen, um natürlich die verhängnisvollen Vorhaben der Mehrheit von Herrn Macron definitiv zurückzuweisen“, sagte er mit Blick auf die Stichwahlen in einer Woche.

Le Pen: „Immenser Sieg“

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen zieht nach eigener Aussage in ihrem Wahlkreis in Henin-Beaumont in die Stichwahl am kommenden Sonntag ein. Ihre rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) kam laut Prognosen auf rund 19 Prozent, konnte aber wegen der Ächtung durch die anderen Parteien nur mit zehn bis 45 Mandaten rechnen. Le Pen bezeichnete das Abschneiden ihrer Partei dennoch als „immensen Sieg“ und rief dazu auf, dem Lager von Präsident Macron in der Stichwahl die absolute Mehrheit zu verwehren.

Die bisher stärkste Oppositionskraft, die konservativen Republikaner, stürzten mit Verbündeten auf nur noch elf bis 14 Prozent bzw. 40 bis 80 Mandate ab. Der Vorsitzende der französischen Konservativen, Christian Jacob, sah seine Partei dennoch als wichtige politische Kraft für die kommenden Jahre. „Man sieht, dass wir in der Lage sind, in dieser Legislaturperiode zwischen der Stimme der Extremen und dem von der Mehrheit des Präsidenten Macron geführten Stillstand eine entscheidende Rolle zu spielen“, sagte Jacob am Sonntagabend im Sender France 2.

Große Wahlmüdigkeit

In der zweiten Runde am kommenden Sonntag werden sich in vielen Wahlkreisen Kandidaten des linken Wahlbündnisses und der Rechtspopulisten gegenüberstehen. Macrons Wählerbündnis Ensemble will jedoch keine generelle Wahlempfehlung aussprechen, sondern im Einzelfall entscheiden.

Nach den beiden Runden der Präsidentschaftswahl im April sind viele Franzosen wahlmüde geworden. Die Beteiligung fiel am Sonntag erneut auf einen Tiefstand, Schätzungen zufolge auf 47 bis 48 Prozent. Nicht einmal jeder zweite Wähler hätte damit seine Stimme abgegeben.