Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Landesrat Anton Mattle (ÖVP)
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Platter-Nachfolger

Schwieriger Kaltstart für Mattle

Nur wenige Tage nach der Rückzugsankündigung des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer folgt ihm sein Tiroler ÖVP-Amtskollege Günther Platter (68) nach 14 Jahren Amtszeit nach. Der Tiroler Landesparteivorstand wählte am Montag Anton Mattle einstimmig als designierten Nachfolger. Die Art und Weise der Übergabe sei aber ein „dramatischer Wermutstropfen“, analysierte Politologe Thomas Hofer gegenüber ORF.at. Auf Mattle komme ein schwieriger Kaltstart zu.

Denn während Schützenhöfer-Nachfolger Christopher Drexel zwei Jahre Zeit hat bis zur nächsten Landtagswahl, soll Platters Wunschnachfolger Mattle bereits im Herbst eine Landtagswahl schlagen, wenn es dafür eine Zweidrittelmehrheit im Landtag gibt – mehr dazu in tirol.ORF.at. Die Grünen zeigen sich bisher noch skeptisch über einen vorgezogenen Neuwahltermin. Man sei aber bereit für Gespräche und Verhandlungen. Bis zur Wahl will Platter aus heutiger Sicht die Amtsgeschäfte führen. Hofer: „Damit kann Mattle nicht mit seiner eigenen Handschrift in die Wahl gehen.“

Mit dem Plan, die nächste Landtagswahl in Tirol von Frühling 2023 auf September vorzuverlegen, wolle Platter dem Land einen monatelangen Wahlkampf ersparen, hieß es aus der Partei. Man dürfe auch nicht übersehen, dass im Winter die Debatte über die Teuerung und Energieversorgungssicherheit sicher zunehmen werde, sagt der Politologe. Das könnte sich negativ auf die für Frühling 2023 geplanten Landtagswahlen auswirken. Derzeit wollen aber Niederösterreich, Kärnten und Salzburg am Wahltermin Frühling 2023 festhalten.

Landeshauptmann Platter über seinen Rücktritt

Landeshauptmann Platter (ÖVP) bezeichnet das raue politische Klima im politischen Umfeld als eine der Ursachen für seinen Rücktritt zu diesem Zeitpunkt.

„Koalitionskarten neu gemischt“

In Tirol stehen die Zeichen jedenfalls schon seit einiger Zeit auf Neuwahl. Bereits am Samstag stellten sich die Tiroler Grünen mit Klubobmann Gebi Mair an der Spitze neu auf. Die Frage sei nun, wie sich Mair positioniert, so Hofer: „Die Koalitionskarten werden neu gemischt. Der bisherige Parallellauf von Platter und Felipe (Ingrid, bisherige Grünen-Chefin, Anm.) ist Geschichte.“

Schon zuletzt litt das Klima der Koalition etwas. So gab es etwa einen grünen Vorstoß für eine generelle Temporeduktion auf den Straßen im Zuge einer Stellungnahme zur StVO-Novelle. Dieser war aber offenbar nicht mit der ÖVP abgestimmt. Mattle müsse nun versuchen zu retten, was zu retten ist, so Hofer.

Drohungen, schlechte Umfragewerte

Noch im vergangenen Jahr versicherte der ehemalige Verteidigungs- und Innenminister Platter, erneut als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl gehen zu wollen. Es habe sich aber in den vergangenen Monaten einiges geändert, das Klima sei rauer geworden. Es habe Drohungen und Anfeindungen gegen ihn und seine Familie gegeben, sagte Platter bei seiner Rückzugsrede am Montag.

Diese Drohungen müsse man ernst nehmen, meinte Hofer, wahrscheinlicher für seinen Rückzug sei aber der unmittelbar drohende Absturz bei der Landtagswahl. Eine Wiederholung des Wahlerfolgs von fast 45 Prozent bei der letzten Landtagswahl 2018 scheint angesichts schlechter Umfragewerte von zuletzt rund 32 Prozent nicht absehbar. Die Opposition auf Bundesebene ortet als Grund für den Rückzug jedenfalls die Angst vor einer Wahlniederlage – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Die Pandemie, das holprige Krisenmanagement zur Causa Ischgl und das Dauerthema Transit und Verkehr zehrten ebenfalls an Platter und der Tiroler ÖVP. Zuletzt verlor er seinen Büroleiter Florian Tursky, der als Staatssekretär für Digitalisierung nach Wien ging. Zudem steht die Bundes-ÖVP durch den U-Ausschuss und Korruptionsvorwürfe unter Druck.

Analyse: Hintergründe für Rücktritt Platters

ORF-Reporter Georg Laich erklärt in Innsbruck, warum Platter diesen Zeitpunkt für seine Rücktrittserklärung gewählt hat. Laich beschreibt, wie überraschend diese Entscheidung auch für seine Parteikollegen und kolleginnen kam.

„Gibt in der Tiroler ÖVP Verwundete“

Mit der Bestellung des bisherigen Tiroler Wirtschaftslandesrats Mattle fuhr Platter laut „Kurier“ einen Sieg im „vielleicht letzten parteiinternen Machtkampf“ ein. Schon im vergangenen Jahr hatte sich Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser als potenzieller Nachfolger Platters ins Spiel gebracht, geworden ist es nun der 59-jährige Mattle. „Es gibt in der Tiroler ÖVP Verwundete“, sagte Hofer mit Blick auf Walser.

Walser übte jedenfalls deutliche Kritik an der Vorgangsweise der Tiroler ÖVP: „Ich hätte einen mutigen Schritt bevorzugt, eine glaubwürdige Erneuerung, sowohl innerhalb der Tiroler VP als auch im Regierungsteam“, sagte Walser. Er zweifle daran, ob eine Neuwahl „in so kurzer Zeit wirklich sinnvoll ist“. Er habe festgestellt, dass die Bevölkerung Ehrlichkeit und keine schier endlose Aneinanderreihung parteitaktischer Schachzüge erwarte, so Walser. Er werde für Mattle aber ein ehrlicher und verlässlicher Partner bleiben.

Einstimmiges Ergebnis für Mattle

Mattle gilt als parteiintern beliebt und als ehemaliger Bürgermeister von Galtür während des Lawinenunglücks als erprobter Krisenmanager. Als Unternehmer, der gelernte Radio- und Fernsehtechniker führte ein Elektrogeschäft, ist er im Tiroler Wirtschaftsbund Mitglied, aber auch mit dem Bauernbund gut vernetzt, berichtete der „Standard“. Platter hatte sich bei einer Personalrochade in der Regierung bereits im Frühling 2021 für Mattle als Wirtschaftslandesrat und gegen Walser entschieden.

Entsprechend unterschiedlich waren nun auch die Reaktionen aus der Wirtschaft auf den Schritt Platters. Bauernbund-Chef und stellvertretender Landeshauptmann Josef Geisler sagte Platter seine Unterstützung für die geplante Rochade zu, berichtete die „Tiroler Tageszeitung“ („TT“). Wirtschaftsbund-Chef Franz Hörl hingegen fühlte sich dem Bericht zufolge vor den Kopf gestoßen. Dennoch erfolgte das Ergebnis für Mattle einstimmig. Walser ist nicht Mitglied des Landesparteivorstands. Es sei nun entscheidend, dass die Partei Geschlossenheit zeige, und Mattle müsse die Personen einbinden, die sich selbst Hoffnungen gemacht haben, betonte Hofer.

Analyse: Krise in der ÖVP

ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger zeigt mögliche bundespolitische Gründe für Platters Rücktritt auf. Er erklärt, welche Umstände den Noch-Landeshauptmann besonders belastet haben.

Entwicklung in Ländern nicht unterschätzen

Zwei Landeshauptmänner der alten Garde, die innerhalb weniger Tage ihren Rückzug ankündigen, das sei für die Bundes-ÖVP zwar nicht das Thema Nummer eins, aber man dürfe es nicht unterschätzen, so der Politologe. Die Bundes-ÖVP und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) müssten nun Stabilität und Handlungsfähigkeit signalisieren. Es sei aber auch eine Chance für Nehammer. Nun seien zwei Hausherren gegangen, sagte Hofer. Mit den Neuen gebe es zudem die Chance für Nehammer, Hierarchien und Umfeld neu abzustecken.