Auggemalte Ölpumpen an einer Wand in Caracas
AP/Matias Delacroix
Ersatz für Russland?

Ölembargo gegen Venezuela bröckelt

Auf der Suche nach Ersatz für russisches Öl richten sich die Blicke verstärkt auf Venezuela. Das Land mit den weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven ist vom Westen mit einem Ölembargo belegt – dieses bröckelt im Schatten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine aber zunehmend. Deutlich machten das zuletzt Berichte über die erste anstehende Öllieferung Richtung Europa seit rund zwei Jahren.

Nachdem das US-Außenministerium zwei europäischen Ölkonzernen – konkret der italienischen ENI und der spanischen Repsol – grünes Licht für die Verschiffung von venezolanischem Rohöl nach Europa gegeben hat, sind Medienberichten zufolge die Vorbereitungen voll angelaufen. ENI hat nach Angaben des Finanzportals Bloomberg zwei Schiffe gebucht, und diese könnten noch im Juni mit der Beladung beginnen.

Einer der von ENI gecharterten Öltanker ist offenbar bereits in venezolanischen Gewässern eingetroffen. Die unter griechischer Flagge fahrende „Aframax Minerva Zoe“ nähert sich laut Angaben des Nachrichtenportals Euronews einem Gebiet, in dem nach Venezuela fahrende Tanker auf zugewiesene Ladefenster warten.

Maßnahme gegen „Lieferengpässe“

In Venezuela herrscht seit Jahren ein Machtkampf zwischen dem sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro und der Opposition. Die USA und die meisten westlichen Staaten haben Maduros Wiederwahl im Jahr 2018 nicht anerkannt. In diesem Zusammenhang hatten die USA scharfe Sanktionen verhängt, und das betraf insbesondere Öl. Nun gelte es aber „Lieferengpässe zu lindern, die durch das EU-Embargo für die meisten russischen Rohöllieferungen entstanden sind“, wie mit der Sache vertraute Personen gegenüber Reuters sagten.

Während Brüssel in den seit 2017 gegen Venezuela verhängten Strafmaßnahmen unter anderem auf Waffenembargos und Sanktionen gegen bestimmte Personengruppen setzt, haben Washingtons Sanktionen auch in Venezuela tätige EU-Unternehmen erreicht. Auch die USA haben vor rund fünf Jahren die ersten Sanktionen gegen Venezuela verhängt – 2019 folgte ein weitreichendes Ölembargo und 2020 schließlich ein generelles Verbot aller Geschäfte mit venezolanischen Staatsunternehmen.

Comeback von Öl-gegen-Schulden-Geschäft

In direkter Folge sind mit Ende 2020 Erdöllieferungen aus Venezuela nach Europa eingestellt – und so wie bei anderen langjährigen PDVSA-Kunden liegen seitdem auch bei ENI und Repsol die mit mehreren Beteiligungen an Erdgas- und Erdölprojekten an sich umfangreichen Venezuela-Geschäfte auf Eis.

Die nun genehmigten Lieferungen sind an strenge Bedingungen geknüpft. Unter anderem dürfe das Rohöl von Venezuela nur nach Europa transportiert werden und nicht in andere Länder.

Neben Ersatz für Öl aus Russland ziele die Vereinbarung auch auf die Abgeltung offener Rechnungen – mit ENI und Repsol werde somit der Öl-gegen-Schulden-Tausch wieder aufgenommen, der bis zur US-Sanktionsverschärfung im Jahr 2020 den Export von venezolanischem Rohöl ermöglichte.

Milliardenschwere Ausnahmegenehmigung

So wie viele andere Unternehmen habe auch ENI gegenüber dem verstaatlichten Ölkonzern Petroleos de Venezuela (PDVSA) einen Berg an Forderungen angehäuft, so die Zeitung „Il Fatto Quotidiano“, der zufolge die US-Ausnahmegenehmigung für den italienischen Konzern einen Gegenwert von bis zu 1,3 Milliarden Euro habe.

So wie ENI und Repsol bemühten sich offenbar auch andere Unternehmen, konkret der US-Konzern Chevron, die indische Oil and Gas Corp. und Maurel & Prom aus Frankreich, um ähnliche Genehmigungen – US-Außen- und -Finanzministerium hätten das Medienberichten zufolge aber verwehrt.

„Sanktionen bleiben in Kraft“

Offiziell sei auch eine schnelle Abkehr der unter US-Präsident Donald Trump eingeführten und auch von dessen Nachfolger Joe Biden beibehaltenen Sanktionen gegenüber Venezuela nicht angedacht. „Unsere Sanktionen gegen Venezuela bleiben in Kraft“, sagte dazu ein Sprecher des US-Außenministeriums gegenüber Bloomberg. Beobachter orten dennoch eine klare Abkehr von der bisherigen starren Embargopolitik.

Hinweis dafür gab es zuletzt jedenfalls zuhauf. Bereits im März wurde etwa eine hochrangige US-Delegation in Venezuela empfangen. Wenig später berichtete unter anderem die „Washington Post“ von einer „engen Lizenz“, die Chevron nun wieder direkte Verhandlungen mit der sozialistischen Regierung Venezuelas über eine etwaige Wiederaufnahme der Ölförderung in Venezuela ermögliche.

Mit dem grünen Licht für die ersten Ölexporte Richtung Europa gibt es schließlich auch den ersten Fall von gelockerten Sanktionen. Damit gehen weitere Spekulationen einher – in Deutschland etwa als mögliche „neue Hoffnung“ (Zitat „Handelsblatt“, Anm.) rund um die bisher vom russischen Ölkonzern Rosneft betriebene und von russischem Öl abhängige Raffinerie in Schwedt (Brandenburg).

„Paradoxien bestimmter Konflikte“

Vor dem Ölembargo gegen Venezuela war Europa mit rund zehn Prozent aller Ölverkäufe ein Großabnehmer für das südamerikanische Land. Nun lasse „die Idee der USA, nach dem verhängten Ölboykott gegen Russland den Ausfall durch Lieferungen aus Venezuela zu kompensieren“ womöglich ein Sanktionsende näher rücken, heißt es bei der Deutschen Welle (DW).

Das seien „die Paradoxien bestimmter Konflikte“, zitierte DW dazu den Politikwissenschaftler Jacques d’Adesky von der Universität Federal Fluminense in Rio de Janeiro. Die „Washington Post“ erinnert in diesem Zusammenhang indes an einen Beitrag aus dem Jahr 2020, demzufolge der von Trump gegen Maduro erklärte Wirtschaftskrieg „einige klare Verlierer hervorgebracht“ habe – mit „Wladimir Putins Russland“ habe es damals aber auch einen „klaren Gewinner“ gegeben.

Nun sorgt die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise für Venezuelas „spektakuläre Rückkehr“ auf der Weltbühne, so die „Welt“ mit Verweis auf den zuletzt viel gereisten, unter anderem in Ankara, Teheran, Kuwait und Katar empfangenen Maduro. Dessen letzte große Auslandsreise liegt schon Jahre zurück und führte 2019 unter anderem zu Putin nach Russland.

„Unzerstörbare Freundschaft“ mit dem Iran

Neben Russland zählt allen voran der Iran zu den engsten Verbündeten des von Maduro regierten Venezuela. Maduro unterzeichnete in Teheran nun eine auf 20 Jahre ausgelegte Kooperationsvereinbarung zur weiteren Vertiefung der bilateralen Beziehungen.

Venezuelas Präsident Maduro und Scheich Mohammad Abdullah al-Mubarak al-Sabah
APA/AFP/Kuwait Emiri Diwan
Nach der Türkei und dem Iran führte die erste größere Auslandsreise von Maduro seit 2019 unter anderem auch nach Kuwait

„Ich glaube, dass zwischen uns beiden eine unzerstörbare Freundschaft für die Zukunft unserer Völker wachsen wird“, sagte Maduro dazu an den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi gerichtet. Dieser sprach von strategischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Nach Angaben beider Regierungschefs soll die Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Energie, Finanzen, Verteidigung, Lebensmittelproduktion und Tourismus vertieft werden.

Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff – obwohl das südamerikanische Land über die größten Ölreserven der Welt verfügt. Die iranische Regierung erklärte sich solidarisch mit Venezuela und schickte zwischenzeitlich mehrere Öltanker und Frachter mit Lebensmitteln. Vor knapp zwei Jahren konfiszierten die USA vier Tanker mit iranischem Öl für Venezuela.