Detailaufnahme aus einem Umspannwerk
ORF.at/Roland Winkler
Statt Kohle

Appelle zum Energiesparen werden lauter

Die Ankündigung der Regierung, im Notfall für die Strom- und Wärmeerzeugung wieder auf Kohlekraft aus dem steirischen Kraftwerk Mellach zu setzen, stößt weitgehend auf Unverständnis. Umso lauter sind die Appelle von Fachleuten wie Umweltschutzorganisationen, die gesetzlichen Vorgaben zum Energiesparen voranzutreiben. Geregelt werden soll das mit dem Energieeffizienzgesetz. Das bisherige lief bereits 2020 aus.

Es sei der falsche Weg, auf Kohle zu setzen, sagt Jasmin Duregger, Klimaexpertin bei Greenpeace. Es müsse viel mehr Richtung Energiesparen gehen. So bräuchte etwa die Industrie Vorgaben, um sorgsamer mit Energie umzugehen. Zudem sollen Energielieferanten künftig nachweisen, dass ihre Kunden weniger Energie verbrauchen. Das gilt als Kernstück des Gesetzes. Die Energieanbieter wehren sich gegen die Lieferantenverpflichtung, daher gebe es auch politischen Widerstand vonseiten der ÖVP, sagt der Klimaökonom Stefan Schleicher vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) gegenüber Ö1.

Aus dem Klimaschutzministerium heißt es zum Energieeffizienzgesetz, dass es in Arbeit sei. Der Widerstand dagegen ist allerdings groß. So wurde etwa kürzlich bekannt, dass die Industriellenvereinigung (IV) in einem internen Papier eine „Evaluierung und gemeinsame Neubewertung klimapolitischer Beschlüsse“ forderte. In dem Papier heißt es etwa, dass es in dem Energieeffizienzgesetz nicht zu einer Lieferantenverpflichtung kommen dürfe. Dann müssten Energiekonzerne nicht dafür sorgen, dass die Kunden weniger verbrauchen. Die IV betonte, dass sie „beschlossene Klimaziele mittrage“, es aber auf den Weg dorthin ankomme.

Grafik zu Kraftwerksemmissionen im Vergleich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: e-control

„Ineffizienzen aus dem System bringen“

Am Energiesparen führe aber kein Weg vorbei, ist die an der Wirtschaftsuniversität tätige Umweltökonomin Sigrid Stagl überzeugt: „Wir müssen die Ineffizienzen aus dem System rausbringen.“ Das sei nur möglich, wenn man Vorgaben hat, und es sei für die Unternehmen leichter, wenn diese für das gesamte Land gelten, appelliert sie an die Regierung, schnell das Energieeffizienzgesetz wie auch das Klimaschutzgesetz in den Nationalrat zu schicken. Denn auch das Klimaschutzgesetz, das die Treibhausgasbudgets pro Jahr festlegt, ist 2020 ausgelaufen. Stagl: „Jede Kilowattstunde, die nicht generiert werden muss, ist die nachhaltigste.“

Österreich habe den Umstieg auf erneuerbare Energien verschlafen und die Strukturen zur Energie- und Stromgewinnung in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht angepasst, kritisierte Stagl. Österreich befinde sich in der Bredouille. Die Wiedereröffnung von Mellach zeige auch das „Ausmaß der Verzweiflung“.

„Planlos“, „intelligenzbefreit“

Entsprechend hart sind auch die Reaktionen aus der Opposition zur Ankündigung der Regierung, Mellach wieder reaktivieren zu wollen. „Gewessler hat letztlich nichts auf den Boden gebracht und setzt jetzt offenkundig einen Akt der Verzweiflung“, sagte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll.

Kritik übte auch NEOS. Die Regierung hätte schon vor Monaten handeln müssen, Gewessler sei völlig „plan- und orientierungslos“, konstatierte Generalsekretär Douglas Hoyos. FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichnete die Maßnahme der Reaktivierung von Mellach als „intelligenzbefreit“.

Der stellvertretende niederösterreichische Landeshauptmann Stephan Pernkopf (ÖVP) begrüßte den Vorstoß zum Kohlekraftwerk, er forderte vor dem Hintergrund der Kohlekraftpläne aber mehr Initiativen für den Ausbau von Biogas: „Gut, dass auch der grüne Koalitionspartner dabei Ideologie über Bord wirft und Vernunft und Sicherheit den Vorrang gibt.“

Martin Litschauer, Anti-Atomsprecher der Grünen, sprach von einer „schmerzhaften Notmaßnahme“ für den „absoluten Energienotfall“. Schuld an dem „dramatische Schritt“ sah er auch bei den vergangenen Regierungen und namentlich dabei bei der SPÖ, die "die Energiewende total verschlafen haben und uns in eine fatale Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen getrieben haben“.

Einsatz „zeitlich eng begrenzt“

Auf Kritik stößt der mögliche erneute Einsatz des 2020 heruntergefahrenen Kohlekraftwerks auch bei Umweltschutzorganisationen. Für Greenpeace ist eine Reaktivierung von Kohle „inakzeptabel“. Greenpeace forderte am Montag auch die Länder auf, etwas zu unternehmen: „Gerade die Bundesländer müssen ihre Verweigerungshaltung ablegen und müssen so schnell wie möglich konkrete Pläne vorlegen, wie sie massiv erneuerbare Energien ausbauen“, so Duregger.

Im Notfall wieder Kohlekraft

Vor zwei Jahren sind im steirischen Fernheizkraftwerk Mellach das letzte Mal Strom und Wärme mit Kohle produziert worden. Um die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken, will die Regierung nun das Kohlekraftwerk für den Notfall reaktivieren. Die Pläne sorgen bei Umweltschutzorganisationen und der SPÖ für Unbehagen.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 pochte in ihrer Stellungnahme darauf, dass es sich beim Einsatz des Kraftwerks „nur um zeitlich eng begrenzte, akute Notfälle handeln darf“. Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000, weiter: „Kohle ist die klimaschädlichste Energie und führt zu gesundheitsschädlichen Quecksilberemissionen und Feinstaub.“ Die Umweltschutzorganisation drängt auf mehr Tempo bei der Energiewende. Energiepolitik müsse mehr sein, als Notfallmaßnahmen zu erlassen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte unterdessen Verständnis für den vorübergehenden Kraftwerksbetrieb mit klimaschädlicher Kohle. „Aber es muss uns klar sein, das kann nur eine Krisenintervention sein aufgrund der jetzigen Lage“, sagte Van der Bellen am Montag der APA am Rande eines Präsidentengipfels im lettischen Riga. Dort warb er dafür, angesichts des Ukraine-Krieges den Kampf gegen den Klimawandel und die Energiewende nicht zu vergessen.

Analyse von Günther Mayr (ZIB Wissenschaft)

Statt Fortschritt bei der Umstellung auf erneuerbare Energien kommt es nun also zu einem riesigen Rückschritt – sogar was bereits aufgegeben war – Kohle – kommt zurück. Warum scheinen plötzlich Uraltrezepte wieder die Lösung zu sein? Günther Mayr (ZIB Wissenschaft) antwortet.

Zahlreiche Fragen offen

Die Reaktivierung des vom Verbund geführten Kohlekraftwerks ist jedenfalls beschlossene Sache der Regierung. Viele Details sind aber noch offen. Unklar ist, wie hoch die Kosten der Umrüstung sind. Laut Klimaschutzministerium wird der Bund dafür aufkommen. Bis Mitte Juli soll dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Aufgrund der hohen Menge an CO2, die durch das Verbrennen von Kohle frei wird, soll das Kraftwerk auch nur im Notfall aktiviert werden. Laut Verbund ist aber die Definition, was unter einem Notfall zu verstehen ist, offen. Organisatorisch ist es nach Angaben des Verbundes bis zum Winter möglich, das Kraftwerk zu aktivieren – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Energiekrise: Kritik und Häme für Regierungspläne

Ausgerechnet die grüne Energieministerin und frühere Global-2000-Chefin musste verkünden, dass das letzte stillgelegte Kohlekraftwerk wieder reaktiviert wird. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, argumentiert auch der Regierungspartner. Von der Opposition hagelt es Kritik und Häme.

Kohle wieder auf dem Vormarsch

Nicht nur Österreich zieht Kohle trotz hoher CO2-Emissionen und Klimakrise wieder stärker in Betracht. In Deutschland will der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck neben Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauches ebenfalls auf den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken setzen. Am Montag hieß es auch aus den Niederlanden, dass Kohlekraftwerke ihre Produktion erhöhen dürfen, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren.

Habeck versucht aber darüber hinaus auch, auf Energiesparen zu setzen. Noch im Sommer will Deutschland ein Gasauktionsmodell auf den Weg bringen, "das industrielle Gasverbraucher anreizt, Gas einzusparen“. Diese könnten gegen eine Vergütung dem Markt Gas zur Verfügung stellen, wenn sie es nicht selbst benötigen. „Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft. Hier ist die Industrie ein Schlüsselfaktor“, sagte Habeck. Auf der Alarmstufe des Gasnotfallplans hält Gewessler dieses Instrument auch hierzulande für möglich. Derzeit gilt für Österreich die Frühwarnstufe.