Demonstration in Tripolis
Reuters/Hazem Ahmed
Libyen

Proteste gegen politischen Stillstand

Der anhaltende Machtkampf zwischen den politischen Lagern in Libyen treibt mehr und mehr Menschen im ganzen Land auf die Straße: Aus Wut über den politischen Stillstand und die zunehmend prekären Lebensbedingungen stürmten Demonstrierende am Freitag das Parlament in der ostlibyschen Stadt Tobruk. Inzwischen weiteten sich die Proteste auf andere Städte aus.

Die Demonstrierenden in Tobruk verschafften sich am Freitagabend mit einem Bulldozer Zugang zum Parlament, plünderten die Büros und setzten Teile des Gebäudes in Brand. Zu dem Zeitpunkt hielt sich niemand in dem Gebäude auf.

Demonstrationen im ganzen Land

Auch in der ostlibyschen Hafenstadt Bengasi, der Wiege des Aufstands im Jahr 2011 gegen den damaligen Machthaber Muammar al-Gaddafi, und in der Hauptstadt Tripolis gingen Tausende Menschen auf die Straßen und forderten unter dem Slogan „Wir wollen Licht“ ein Ende der andauernden Stromausfälle. Einige schwenkten dabei Gaddafis grüne Flaggen. Aus allen Teilen des Landes wurden weitere Proteste gemeldet, darunter in der westlibyschen Hafenstadt Misrata und in Gaddafis einstiger Hochburg Sabha im Süden des Landes.

Ausgebranntes Parlamentsgebäude in Tobruk, Libyen
AP/Mohamed Al-Refadi
Das Parlamentsgebäude in Tobruk – für viele in Libyen ein Symbol der Spaltung

Seit dem Sturz und gewaltsamen Tod des Langzeitherrschers wird Libyen von blutigen Machtkämpfen erschüttert. Das ölreiche und einstmals wohlhabende Land versinkt mehr und mehr im Chaos, die Bevölkerung verelendet. Seit Langem leiden die Menschen zusätzlich unter ständigen Stromausfällen, die im Sommer bis zu 18 Stunden am Tag dauern können.

Parlament als Symbol der Spaltung

Das Parlament in Tobruk ist für viele in Libyen eines der Symbole für die Spaltung des Landes zwischen dem Lager im Osten mit seinem Anführer General Chalifa Haftar und einer im westlibyschen Tripolis ansässigen Regierung unter Interimsministerpräsidenten Abdelhamid Dbeibah.

Spuren der Verwüstung im libyschen Parlament

Aus Wut über den politischen Stillstand und die zunehmend prekären Lebensbedingungen haben Demonstrierende das Parlament in der ostlibyschen Stadt Tobruk gestürmt.

Seit März kämpfen in Libyen zwei rivalisierende Regierungen um die Macht. Nach einem gescheiterten Putschversuch im Mai kam es in Tripolis zu schweren Kämpfen. Auslöser war der Versuch des vom Parlament ernannten und von Haftar unterstützten Ministerpräsidenten Fathi Baschagha, Dbeibahs Regierung aus Tripolis zu vertreiben.

Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben

Ursprünglich sollten in Libyen im Dezember 2021 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Sie wurden jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben. Die letzte Runde der von der UNO unterstützten Friedensgespräche im Land endete am vergangenen Donnerstag ohne Ergebnisse.

Das Parlament in Tobruk hatte Baschagha im Februar an die Spitze einer Übergangsregierung berufen. Er sollte Dbeibah ablösen, der seit Anfang 2021 die international anerkannte Übergangsregierung in Tripolis anführt. Dbeibah will die Macht jedoch nur an eine vom Volk gewählte Regierung abtreten.

Parlament in Libyen gestürmt

Im nordafrikanischen Libyen haben Demonstrierende das Parlamentsgebäude gestürmt. Die Sorge vor einer Eskalation der Gewalt ist groß.

In Tripolis hielten Demonstrierende Porträts der beiden rivalisierenden Regierungschefs hoch, die beide mit einem „X“ durchgestrichen waren. Dbeibah erklärte auf Twitter, er wolle sich den Protestierenden „anschließen“ und rief zu Wahlen auf. Auch Haftars selbst ernannte Nationale Libysche Armee erklärte, sie unterstütze die Forderungen der Demonstranten, forderte aber gleichzeitig, „öffentliches Eigentum zu schützen“.

Experte fordert Fokus auf Lebensbedingungen

Nach Auffassung des Libyen-Experten Jalel Harschawi sollte sich die internationale Gemeinschaft stärker darum bemühen, die Lage der Menschen in Libyen zu verbessern, statt sich auf die Wahlen zu konzentrieren, die nun „frühestens in zwei Jahren stattfinden werden“. Harschawi beschuldigte beide libyschen Lager der „Korruption und Kleptokratie“.