Rohrleitungen bei der Gasspeicherstation in Schönkirchen
ORF.at/Carina Kainz
Gasspeicher

Füllung weiter unter Plan

In Österreichs Gasspeicher sind erneut weniger als 100 Gigawattstunden (GWh) pro Tag geflossen. Die Regierung will am Dienstag über die Lage beraten. In Deutschland gibt es Appelle an Bevölkerung und Betriebe, sich auf einen russischen Gaslieferstopp vorzubereiten. Auch die Schweizer Politik warnt vor Versorgungsengpässen im Winter.

Für Freitag, den 1. Juli, weist die AGSI-Datenbank von Gas Infrastructure Europe (GIE) in Österreich eine Speichermenge von 99,4 GWh aus. Damit erhöhte sich der Füllstand gegenüber dem Vortag nur geringfügig von 45,12 auf 45,20 Prozent. Es ist das zweite Mal binnen weniger Tage, dass weniger als 100 GWh pro Tag eingespeichert wurden. Am Dienstag waren es nur 70 GWh.

Ziel der türkis-grünen Regierung ist, die Speicher bis zum Beginn der Heizsaison auf 80 Prozent zu füllen. Um das Ziel zu erreichen, müssen noch mehr als 33.000 GWh eingespeichert werden. Weil vergangene Woche die Einspeicherung „merklich zurückgegangen“ ist, berät die Regierung am Dienstag über die Lage.

Gewessler: Lage „ernst“

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete die Lage am Samstag in der Zeit im Bild als „ernst“ und „angespannt“. Es werde nach wie vor eingespeichert, „aber die Mengen sind zurückgegangen“, so Gewessler. Die Entwicklung schwanke von Tag zu Tag.

Gasspeicher: Lage „ernst“ und „angespannt“

Die deutsche Netzagentur fürchtet einen Totalausfall russischer Gaslieferungen und appelliert an die deutsche Bevölkerung, Energie zu sparen. Und auch in Österreich kann derzeit weniger Gas eingespeichert werden als geplant. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht von einer ernsten Lage. Die FPÖ beruft dazu den nationalen Sicherheitsrat ein.

„Wir müssen unsere Entscheidungen auf einer soliden Datengrundlage treffen. Die haben wir nach einer Woche, deshalb werden wir uns am Dienstag in der Bundesregierung auf Basis dieser Analyse auch entscheiden, welche weiteren Schritte gegebenenfalls notwendig sind“, so Gewessler weiter.

FPÖ beruft Nationalen Sicherheitsrat ein

Die FPÖ beruft wegen der unter den Erwartungen bleibenden Speicherraten bei Erdgas den Nationalen Sicherheitsrat ein. Am Montag werde man einen entsprechenden Antrag stellen, kündigte Parteichef Herbert Kickl an.

Die „beschwichtigenden Erklärungen“ von Gewessler über den aktuellen Stand der Versorgungssicherheit haben für die FPÖ mehr Fragen offengelassen als beantwortet, begründete Kickl die angekündigte Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats. „Das ‚Herumgeeiere‘ und die Geheimniskrämerei der Regierung bringen uns nicht weiter“, sagte er.

NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer kritisierte das Zuwarten von Gewessler und meinte, sie würde Antworten auf drängende Fragen vermissen: „Wem gehört das bereits eingespeicherte Gas? Wo soll konkret das Gas für den nächsten Winter herkommen? Welche Regeln gelten für die Industrie und die Wirtschaftsbetriebe im Energielenkungsfall?“ Die Regierung, allen voran die verantwortliche Ministerin Gewessler, müsse „endlich aus ihrem Winterschlaf erwachen“.

Größte Menge fließt in OMV-Speicher

Am meisten Gas füllt derzeit die OMV in ihre Speicher in Niederösterreich, in Tallesbrunn und Schönkirchen. Fast 63 der knapp 100 GWh am Freitag flossen in diese beiden Gasspeicher. Aus dem Astora-Speicher in Haidach hingegen wurde laut AGSI Gas entnommen. Weiter leer ist der Speicher der Gasprom-Tochter GSA, der sich ebenfalls in Haidach bei Salzburg befindet.

Der Gasspeicher Haidach in Salzburg ist aktuell nur an das deutsche, nicht aber an das österreichische Gasnetz angeschlossen, er spielt für die bayrische Industrie eine zentrale Rolle. Speicherunternehmen in Haidach sind die RAG AG sowie die Gasprom-Töchter GSA und Astora.

Gasspeicherstation Haidach
APA/Manfred Fesl
Der Gasspeicher in Haidach (Salzburg) ist aktuell nicht an das österreichische Gasnetz angeschlossen

Der Teil des Speichers, der der Gasprom-Germania-Tochter Astora gehört, wird befüllt, weil Gasprom Germania unter deutscher staatlicher Verwaltung steht. Um jenen von GSA ebenfalls befüllen zu können, hat Österreich das Gaswirtschaftsgesetz geändert. Über Haidach und Deutschland werden auch Tirol und Vorarlberg mit Gas versorgt, da diese beiden Bundesländer nicht mit dem Marktgebiet Ost, also dem Gasnetz in Ostösterreich, verbunden sind.

Deutschland: Warnung vor Lieferstopp

In Deutschland wird unterdessen vor einem Totalausfall russischer Gaslieferungen gewarnt. Der Präsident der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, appellierte an die deutsche Bevölkerung, Energie zu sparen.

Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline „Nord Stream 1“ „eine länger andauernde politische Wartung wird“, sagte Müller. Wenn der Gasfluss aus Russland „motiviert länger anhaltend abgesenkt wird, müssen wir ernsthafter über Einsparungen reden“. Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genutzt werden, um Vorbereitungen zu treffen, so Müller.

Deutsche Firmen sollen Notstromaggregate anschaffen

Die deutsche Regierung empfiehlt Unternehmen, sich wegen der Gaskrise mit Notstromaggregaten einzudecken. Wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf eine Antwort von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen (Grüne) an den CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger berichtete, sollen die Aggregate mögliche Stromausfälle kompensieren.

„Empfehlenswert ist die Ausstattung mit Notstromaggregaten insbesondere für Betreiber von kritischer Infrastruktur“, schrieb Graichen demzufolge. Grund sei, dass es im Krisenfall keine „Abschaltreihenfolge“ gebe. „Im Falle einer Mangellage bei Gas oder Strom“ übernehme die deutsche Bundesnetzagentur die Funktion des Bundeslastverteilers. „Ihr obliegt dann in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas oder Strom“, hieß es.

Die Stadt Hamburg schließt im Fall eines Gaslieferstopps die Begrenzung von Warmwasser für Privathaushalte nicht aus. „In einer akuten Gasmangellage könnte warmes Wasser in einem Notfall nur zu bestimmten Tageszeiten zur Verfügung gestellt werden“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) der „Welt am Sonntag“. Auch eine generelle Absenkung der maximalen Raumtemperatur im Fernwärmenetz käme in Betracht.

Schweiz warnt vor Engpässen im Winter

Auch die Schweizer Regierung warnt vor einem Gasengpass im Winter angesichts sinkender russischer Lieferungen. Man habe zwar so gut wie möglich vorgesorgt, doch sei die Schweiz keine Insel, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga der „SonntagsZeitung“. „Darum kann niemand garantieren, dass immer für alle genug Gas da ist“, fügte sie hinzu. Etwa 300.000 Haushalte in der Schweiz heizen mit Gas.

Etwas gelassener sieht Sommaruga die Lage beim Strom, weil die Schweiz, die stark auf Wasserkraft baut, selber eine gute Stromproduktion habe. Aber auch hier könne man „nichts ausschließen, weil der Gasmarkt eng mit dem Strommarkt verflochten ist“, sagte die Energieministerin.

Im Falle eines Mangels sowohl beim Gas als auch beim Strom soll zuerst die Energie im Gewerbe und der Industrie rationiert werden. Einschränkungen gäbe es dann „zuerst wohl etwa für Rolltreppen oder Leuchtreklamen“. Die Haushalte wolle der Bundesrat „am längsten schonen“.

Streik in Norwegens Gasindustrie droht

Inmitten der Sorgen um die Gasversorgung Europas könnte ein für die neue Woche geplanter Streik der Beschäftigten in der Öl- und Gasbranche in Norwegen dessen Gasförderung deutlich verringern. Die Gewerkschaft hatte einen Streikbeginn am Dienstag für den Fall angedroht, dass die Arbeitgeberseite nicht auf ihre Gehaltsforderungen eingehe.