Ergasspeicher Haidach
ORF.at/Roland Winkler
Regierung berät

Suche nach Wegen zu volleren Gasspeichern

Bis zum Beginn der Heizsaison sollen Österreichs Gasspeicher zu 80 Prozent gefüllt sein, lautet das Ziel der Regierung. Aktuell ist man weit davon entfernt, die Einspeicherung verlief zuletzt nicht nach Wunsch, dazu kamen Exporte, vor allem nach Italien. Zwar betonen E-Control und OMV, die Versorgungslage sei stabil, dennoch lädt Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) angesichts der „ernsten“ Situation am Dienstag zu Beratungen.

Für Nachmittag sind Pressestatements von Gewessler (Grüne) und E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch geplant. Am Abend tagt der Nationale Sicherheitsrat, wie das Kanzleramt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bestätigte. Die FPÖ hatte dessen Einberufung beantragt.

Urbantschitsch sah im Morgenjournal keinen Anlass für die Ausrufung der Alarmstufe, der zweiten von drei Stufen des Gasnotfallplans. „Ich denke, dass im Augenblick auf Basis der vorliegenden Informationen und des Lagebildes, das wir vor uns haben, nämlich dass über 300 Gigawatt Stunden täglich in die Speicher hineinkommen, aus meiner Sicht jetzt einmal, für heute keine Veranlassung besteht, eine solche Alarmstufe auszurufen“, so Urbantschitsch.

Füllstand der Speicher beträgt 45,6 Prozent

Die Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) verzeichnet derzeit (Stand 4. Juli) einen Füllstand der Speicher von 45,6 Prozent. In den vergangenen Tagen flossen teilweise weniger als 100 Gigawattstunden (GWh) pro Tag in die Speicher, nachdem die täglichen Mengen im Juni großteils bei deutlich über 300 GWh gelegen waren. Am vergangenen Samstag betrug die Rate allerdings wieder rund 355 GWh.

Im Wochenabstand entspricht das mit rund 1,1 Prozent aber nur einer relativ geringen Steigerung. Um das Ziel von 80 Prozent bis zum Herbst zu erreichen, müssen noch 32.900 GWh eingelagert werden. Man speichere derzeit so viel Gas wie möglich ein, sagte ein Sprecher der OMV am Montag. Derzeit liege der Füllstand in den OMV-Speichern bei gut 71 Prozent.

Grafik zeigt Daten zu den Gasspeichern in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AGSI

Von 36 auf 151 Euro pro MWh innerhalb eines Jahres

Die Lieferungen aus Russland seien zwar mit Mitte Juni zunächst um 30 Prozent, danach um bis 50 Prozent gesunken. Die Ausfälle könne man aber derzeit gut mit Zukäufen auf dem Spotmarkt kompensieren, hieß es von der OMV. Dass es sich dabei allerdings um eine teure Alternative handelt, zeigen die Preisentwicklungen seit Beginn des Ukraine-Krieges: Derzeit liegt der Preis für eine Megawattstunde (MWh) bei über 151 Euro, vor einem Jahr waren es noch knapp 36 Euro gewesen.

Grafik zeigt Daten zur Gaspreisentwicklung in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: CEGH

Exporte nach Italien

Eine andere Ursache für die niedrigen Einspeicherraten sind zuletzt stark gestiegene Exporte, vor allem nach Italien. Im Juni flossen im Schnitt täglich 240 GWh dorthin, für den 1. Juli waren sogar rund 620 GWh für den Export angemeldet. E-Control-Vorstand Urbantschitsch führte dafür zwei Gründe an: „Zum einen ist es so, dass Italien aufgrund des Wassermangels einen erhöhten Strombedarf hatte aus Gaskraftwerken. Auf der anderen Seite ist es so, dass Italien auch Speicherziele hat und wir davon ausgegangen sind, dass gegen Monatsende noch viel eingespeichert worden ist, damit man diese Ziele erreicht.“

In Österreich eingespeichertes Gas würde eben nicht dem Staat gehören, sagte Urbantschitsch: Wenn das Angebot, so wie jetzt, geringer ist, „dann wird sich natürlich die Frage danach richten, wer bereit ist, einen entsprechenden höheren Preis zu bezahlen“. Auch die OMV betonte, dass die Gasspeicher in Österreich ein Tool für Händler sind, Gas in Europa zu verteilen. Es geht also dorthin, wo es gebraucht wird und wo dafür am meisten bezahlt wird.

Gasversorgungsgipfel am Dienstag

Derzeit ist unklar, ob bis Herbst 80 Prozent der Gasspeicher gefüllt werden können. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht von einer „ernsten Lage“. Für Dienstag hat die Regierung einen Versorgungsgipfel geplant.

Zugriff des Staats nur im äußersten Notfall

Wie die „Presse“ unlängst berichtete, ist nur ein Viertel des eingelagerten Gases für österreichische Endverbraucher, also Haushalte und Endverbraucher gedacht, und auch derart gelabelt. Lediglich im Falle einer Energielenkung kann der Staat auf andere Gasbestände zugreifen. Diese tritt in der dritten und letzten Stufe des Notfallplans in Kraft, wenn der aktuelle Gasbedarf nicht mehr gedeckt werden kann. Seit dem 30. März gilt in Österreich die Frühwarnstufe des dreistufigen Gasnotfallplans.

Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Hans Punz
Klimaministerin Gewessler nannte die Lage zuletzt „ernst“

Deutschland ist schon weitergegangen: Mitte Juni wurde die Alarmstufe ausgerufen, die zweite von drei Stufen des Notfallplans Gas. Der Schritt erfolgte als Reaktion auf die Lieferdrosselungen des russischen Staatskonzerns Gasprom nach Europa. Auch in Österreich steht eine Anhebung im Raum: Zuletzt hieß es aus dem Energieministerium, dass, sollte das Speicherziel gefährdet sein, „auch in Österreich die Alarmstufe ausgerufen“ wird. Auch diese Frage wird wohl Teil der Regierungsberatungen am Dienstag werden.

Deutschland bangt „Nord Stream 1“-Wartung entgegen

Generell scheint in Deutschland höhere Alarmstimmung zu herrschen: Sorge bereitet vor allem die geplante Wartung der Gaspipeline „Nord Stream 1“ ab 11. Juli. Die Gasprom will die Doppelröhre zehn Tage einer Untersuchung unterziehen. In dieser Zeit strömt kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland, das einen Großteil seiner Lieferungen über diese Leitung bezieht.

Solche Wartungen sind nichts Ungewöhnliches, dieses Mal besteht allerdings die Befürchtung, dass daraus „eine länger andauernde politische Wartung“ werden könnte, wie der Chef der deutschen Netzagentur, Klaus Müller, am Wochenende sagte. Es gebe „leider gute Gründe“ anzunehmen, dass die Lieferung durch „Nord Stream 1“ nach der Wartung auch bei null bleiben könnte.

Erreichung der Speicherziele wird laufend teurer

Müller warnte zudem, dass die von Berlin bereitgestellten 15 Milliarden Euro nicht ausreichen könnten, um Gas einzukaufen und zu speichern, und weitere Staatshilfen nötig werden könnten. „Je weiter der Gaspreis steigt, desto teurer wird es, die gesetzlichen Speicherziele für den Oktober und den November zu erreichen“, sagte er der „WirtschaftsWoche“.

Laut Gesetz sollen die Speicherstände zu den jeweiligen Monaten 80 und 90 Prozent betragen. „Als das kalkuliert wurde, lag der Gaspreis bei einem Niveau von 80 bis 85 Euro für die Megawattstunde.“ Derzeit liegt der Preis bei rund 130 Euro pro MWh. Wenn durch „Nord Stream 1“ tatsächlich kein Gas mehr fließe, könne es im Herbst, im Winter, Anfang des Frühlings in Deutschland eine Gasmangellage geben. „Aufgrund unserer jüngsten Erfahrungen im Umgang mit Russland wäre es unverantwortlich, davon auszugehen, dass alles von alleine gut wird.“

Grafik zeigt Daten zu den EU-Gas-Importen aus USA und Russland
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: International Energy Agency

Wie es aktuell um den europäischen Gasmarkt bestellt ist, zeigt auch die Tatsache, dass die EU laut Internationaler Energieagentur (IEA) im Juni erstmals mehr Gas aus den USA importiert als aus Russland. Gas aus den USA kommt als Flüssiggas (LNG, Liquefied Natural Gas) per Schiff in der EU an. Bisher spielte LNG in der EU eine untergeordnete Rolle, unter anderem weil es aufwendig verarbeitet werden muss.

Das macht LNG auch klimaschädlicher als Erdgas, das in Pipelines transportiert wird. Die Produktion, Verflüssigung, Betankung, der Transport und die Lagerung von Flüssiggas sind sehr energieintensiv. Auf den langen Transportwegen können Teile des Gases außerdem austreten und damit verloren gehen.

Klimaministerium zahlt Förderung für nicht russisches Gas

Indessen gab das Klimaministerium am Montag bekannt, dass Unternehmen, die Gas nicht aus Russland kaufen, sondern es aus anderen Quellen nach Österreich bringen und hierzulande nutzen, einen Teil der Mehrkosten dafür zurückerstattet bekommen. Die Maßnahme wurde im Rahmen des Gasdiversifizierungsgesetzes beschlossen und gilt bis Jahresende. Zunächst sind 100 Mio. Euro dafür vorgesehen, erforderlichenfalls könne die Maßnahme aber verlängert und der Förderbetrag erhöht werden.

Voraussetzung ist, dass das Gas in Österreich verbraucht oder in einem österreichischen Speicher eingelagert wird, es darf nicht ins Ausland verkauft werden. Die Herkunft des Gases aus nicht russischen Quellen muss mit einer eidesstattlichen Erklärung nachgewiesen werden. Auch die entstandenen Mehrkosten müssen vom Unternehmen nachgewiesen werden. Gefördert werden maximal 4,20 Euro pro MWh.