Auto in einer Tankstelle
Getty Images/Westend61
Hohe Spritpreise

Margen bei Raffinerien stark gestiegen

Die Kosten fürs Autofahren sind mit den stark gestiegenen Spritpreisen enorm gestiegen, und Gerüchte über eine mögliche Dieselknappheit sorgen aktuelle für zusätzliche Verunsicherung. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in einer Branchenuntersuchung zum heimischen Treibstoffmarkt nun eine „Entkoppelung“ zwischen den Rohöl- und Spritpreisen festgestellt. Belege für Marktmissbrauch oder ein Kartell kann die Behörde nach eigenen Angaben „nicht zur Gänze ausschließen“.

Die Bruttoraffinierungsmargen der Mineralölkonzerne hätten sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs verdreifacht, geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten 93-seitigen Bericht der BWB hervor. „Aus den Daten, die der BWB vorliegen, können sich diese Bruttomargensteigerungen kaum zur Gänze aus den gesteigerten Kosten heraus erklären“, sagte die derzeitige BWB-Interimschefin Natalie Harsdorf-Borsch am Donnerstag im Ö1-„Mittagsjournal“ des ORF.

„Die Behörde kann derzeit Kartellierung und Marktmachtmissbrauch nicht zur Gänze ausschließen. Wir haben aus den Daten, die wir erhoben haben, für die Untersuchung keine gerichtsfesten Hinweise erlangt“, so Harsdorf-Borsch.

Starker Anstieg seit Kriegsbeginn

„Inwiefern Gewinne ebenso gestiegen sind, hängt von der Entwicklung der Kosten ab, die ebenfalls, aber nicht im gleichen Ausmaß, gestiegen zu sein scheinen“, heißt es im BWB-Bericht. „Es obliegt den Mineralölkonzernen, den Beweis anzutreten, sollte sich die bei den Bruttoraffinierungsmargen beobachtete Entwicklung nicht auf die Unternehmensgewinne durchschlagen.“

Kocher sieht weiteren Klärungsbedarf

ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher sieht noch weiteren Klärungsbedarf. „Das Bundesministerium erwartet nun Aufklärung durch die Branchenteilnehmer über mögliche Kostenfaktoren. Aus Sicht des Bundesministeriums müssen die Steigerungen der Bruttomargen jedenfalls erklärt werden“, so Kocher. Der betriebswirtschaftliche Begriff „Bruttomarge“ dürfe aber nicht mit Gewinnen verwechselt werden.

Die BWB hat den heimischen Treibstoffmarkt im Zeitraum Jänner bis Mitte Juni unter die Lupe genommen. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar sind die Benzin- und Dieselpreise stark gestiegen. Der Spritpreisanstieg ist laut den Wettbewerbshütern zu 50 Prozent auf den gestiegenen Rohölpreis und zu 50 Prozent auf die erhöhte Bruttoraffinierungsmargen zurückzuführen.

22 vs. 36 Cent

Die Berechnungen der BWB zeigen, dass in der ersten Juni-Hälfte gegenüber der Zeit vor Beginn des Ukraine-Kriegs die um rund 36 Cent pro Liter Diesel und 41 Cent pro Benzin gestiegenen Spritpreise sich von den Rohölpreisen „entkoppelt“ haben, weil die Rohölpreise nur um etwas mehr als rund 22 Cent pro Liter gestiegen sind. Der aus dem Rohölpreisanstieg „nicht erklärbare stärkere Anstieg der Preise (Entkoppelung)“ an den Tankstellen von Diesel und Benzin habe über diesen Zeitraum zu einer Verdreifachung der Bruttoraffinierungsmargen geführt, so die Wettbewerbshüter.

Erdölraffinerien verarbeiten Rohöl zu Benzin, Diesel und Kerosin. Die Bruttoraffinierungsmargen der Raffinerien von OMV, ENI, Shell, BP und Jet schnellten laut BWB im beobachteten Zeitraum bei Diesel im Schnitt um rund 14 Cent pro Liter und bei Benzin um rund 20 Cent pro Liter nach oben.

Die Bruttoraffinierungsmarge sei die Grundlage der Raffineriegewinne, es müssten aber „noch andere moderat angestiegene Kosten abgezogen werden“, heißt es von der Bundeswettbewerbsbehörde. Die berechneten Bruttomargen sind laut BWB branchenübliche Indikatoren, um die Änderung der Profitabilität bei Raffinerien darzustellen.

AK: „Massive Übergewinne“

Die Arbeiterkammer (AK) forderte am Donnerstag die Einleitung eines Preisüberprüfungsverfahrens nach dem Preisgesetz. „Die Mineralölunternehmen erzielen massive Übergewinne“, kritisierte AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Auch der ÖAMTC kritisierte, dass „allen voran die Raffinerien“ an den hohen Spritpreisen verdienen würden.

An Zapfsäulen nur im März „substanziell erhöhte Margen“

Bei Tankstellen konnten die Wettbewerbshüter nur für März „Hinweise auf substanziell erhöhte Bruttomargen“ feststellen. In den Folgemonaten seien die Bruttomargen nur „noch leicht über ihrem Vorkriegsniveau“ gelegen.

„Die Untersuchung auf Ebene der Tankstellen legt den Schluss nahe, dass ein fehlender Wettbewerb zwischen Tankstellen nicht die Ursache für die gestiegenen Tankstellenpreise ist, sondern die Ursache insbesondere die gestiegenen internationalen Preisnotierungen sind“, schreibt die BWB in ihrer Branchenuntersuchung.

BWB weist auf Handlungsgrenzen hin

Von der Branchenuntersuchung betroffene Marktteilnehmer können bis 27. Juli eine Stellungnahme zu den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung bei der BWB abgeben. Wenn man bei einer Branchenuntersuchung keine „gerichtsfesten Hinweise“ auf Kartellierung oder Marktmachtmissbrauch finde, könne man nicht unmittelbar strukturelle oder verhaltensbezogene wettbewerbsfördernde Auflagen anordnen bzw. beim Kartellgericht beantragen, hieß es von der Behörde. Das Instrument der Hausdurchsuchung stehe bei einer Branchenuntersuchung nicht zur Verfügung.