Nationalratssitzung
ORF.at/Roland Winkler
Nationalrat

Verschärfung des Parteiengesetzes fixiert

Der Nationalrat hat am Donnerstag eine Verschärfung des Parteiengesetzes beschlossen. Etwa wird der Rechnungshof künftig Einschaurechte in Parteifinanzen erhalten, auch die Offenlegungspflichten werden umfangreicher. ÖVP und Grüne sehen in dem neuen Gesetz einen „Meilenstein“ – skeptischer gaben sich die Oppositionsfraktionen. Zudem beschlossen wurden Teile der Pflegereform, besiegelt wurde das offizielle Aus für Impfpflicht und Vollspaltenböden.

Bei den Parteiengesetzmaterien ermöglichte die SPÖ die nötige Zweidrittelmehrheit – Klubvize Jörg Leichtfried sah viele rote „Kernforderungen“ aus den Verhandlungen erfüllt, darunter die künftige Wahl der Rechnungshof-Spitze mit Zweidrittelmehrheit. Auch wurde eine Stärkung des Nationalrats bei Sonderprüfungen aufgenommen, die es künftig für die Opposition möglich machen soll, RH-Prüfungen in die Wege zu leiten.

Beim materiellrechtlichen Teil des Gesetzes habe man so seine Bedenken, betonte Leichtfried. Daher werde man da auch dagegen stimmen. Leichtfried kündigte zudem einen Abänderungsantrag an, der eine nachträgliche Legalisierung von Vergehen und eine Verkürzung von Verjährungsfristen verhindern soll.

NEOS ortet nicht geschlossene Lücken

Auch der stellvertretende NEOS-Klubchef Nikolaus Scherak machte einige Defizite im Gesetz aus. Schließlich seien Umgehungskonstruktionen nach dem Dafürhalten der Pinken weiterhin möglich. Im „Ibiza-Video“ sprach Ex-FPÖ-Chef Heinz Christian Strache derartige Konstrukte an, erinnerte Scherak: „Und genau diese Lücke bleibt offen.“

Parteinahe Vereine, die mit der Partei nicht statutarisch verbunden sind, seien weiter nicht rechenschaftspflichtig. „Das führt das gesamte Parteiengesetz ad absurdum“, betonte Scherak, denn auch der oö. Seniorenbund, der NPO-Mittel lukrierte, sei statutarisch nicht mit der ÖVP verbunden. Der von den Regierungsparteien angekündigte Entschließungsantrag, diese Frage zu klären, ist Scherak zu wenig, nämlich ein „Verschieben auf den Sankt Nimmerleinstag“. Stattdessen brachte NEOS einen eigenen Abänderungsantrag ein, der aber keine Mehrheit fand.

FPÖ ablehnend

Komplett ablehnend zeigte sich die FPÖ, denn der Gesetzesentwurf mache keineswegs mit den jüngst bekanntgewordenen Praktiken Schluss. Nach wie vor gebe es ein großes Schlupfloch. Keinesfalls könne man von „gläsernen Parteikassen“ sprechen, so Fürst: „Das Gegenteil ist der Fall.“ Mit dieser Novelle dürften nahestehende Vereine unbegrenzt an die Partei zahlen, was dem RH auch verborgen bleibe, meint Fürst.

Genau das wies Grünen-Klubobfrau Maurer als absurd zurück. Freilich müsse jede einzelne Zahlung ausgewiesen werden und unterliege selbstverständlich der Kontrolle des RH. Mit dem „strengsten Parteiengesetz, das die Republik je hatte“, werde die Transparenz „massiv erhöht“, und Dokumentationspflichten würden „massiv ausgebaut“. Auch die Offenlegungspflichten seien wesentlich umfassender als zuvor.

ÖVP: „Fairer Wettbewerb“ unter Parteien gewährleistet

Selbiger Dank kam auch von ÖVP-Abgeordnetem Andreas Ottenschläger. Man habe wesentliche Forderungen der Opposition übernommen. Daran könne man sehen, „dass wir bemüht waren, breiten Konsens herzustellen“. Auch Experten würden die „völlige Neuaufstellung der Parteienkontrolle“ loben. Damit sei künftig ein „fairer Wettbewerb“ unter den Parteien gewährleistet.

Neben dem Einschaurecht des Rechnungshofs bei „begründetem Verdacht“ auf Verletzung des Parteiengesetzes und der Wahl der Spitze des Rechnungshofs mit Zweidrittelmehrheit werden die Parteien nunmehr auch ihr Vermögen und ihre Schulden vorlegen müssen. Wahlkampfkosten sollen ein halbes Jahr nach dem Urnengang aufgeschlüsselt präsentiert werden.

Teile der Pflegereform beschlossen

Mit den Stimmen der Regierungsparteien und der FPÖ brachte der Nationalrat am Donnerstag indes Teile der Pflegereform auf den Weg. Dem Beschluss von Teilen des Pflegepakets ging eine lebhafte Debatte voraus. Von der Opposition gab es Kritik. ÖVP und Grüne lobten das Paket als „größte Reform seit Jahrzehnten“.

Herausgenommen wurde vorerst der Beschluss zum Angehörigenbonus. Vorgesehen waren ursprünglich 1.500 Euro pro Jahr für pflegende Angehörige, die ihren Job aufgegeben haben bzw. als pflegende Angehörige versichert sind. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld zumindest in Stufe vier.

Nationalrat beschließt Pflegereform

Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, wird es bis zum Ende 2023 für Pflegekräfte, Heimhelfer und Behindertenbetreuer einen Gehaltszuschuss in Form von monatlichen Bonuszahlungen geben.

Da nun der Bezieherkreis unter anderem auch auf Pensionistinnen und Pensionisten ausgeweitet werden soll, wird der entsprechende Beschluss erst im Herbst erfolgen. Per Initiativantrag als parlamentarische „Trägerrakete“ wurde dafür gesorgt, dass der überarbeitete Beschluss im September erfolgen kann.

Lob und Kritik für Pflegepaket

Insgesamt kein gutes Haar am Pflegepaket ließ die SPÖ: Weder sei es eine große Reform noch eine nachhaltige Ausbildungsoffensive, so Sozialsprecher Josef Muchitsch. Geht es nach dem FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak, hätten sich die Koalitionsparteien besser ein paar Monate Zeit für eine ordentliche Begutachtung lassen sollen.

Dennoch zollte Kaniak Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) Respekt, „dass er das angeht“, wenngleich Vorgehen und Inhalte einiges an Kritik hervorrufen. NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler übte Kritik an den Anpassungen beim Pflegegeld, das bringe den Pflegerinnen und Pflegern gar nichts. NEOS forderte darüber hinaus eine Kostenanalyse im Pflegebereich.

Ganz anders die Regierungsparteien: „Dieses Paket ist riesig und genau das, auf das seit Jahrzehnten gewartet wird“, sagte Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen. ÖVP-Klubobmann August Wöginger hob das Volumen von rund einer Mrd. Euro hervor.

Impfpflicht abgeschafft

Die erst Anfang Februar eingeführte und zuletzt bereits ausgesetzte Impfpflicht ist indes Geschichte. Dafür sorgte ein einstimmiger Beschluss. Sozialminister Rauch begründete das Aus für die Impfpflicht mit „völlig anderen Voraussetzungen“ als bei der Einführung. Auch ÖVP-Mandatar Josef Smolle verwies auf die weniger letale Omikron-Variante, Immunisierungen durch Impfungen und die Verfügbarkeit von Medikamenten.

Abgehen wird die Impfpflicht auch der Opposition nicht. Wenigstens bei der Impfpflicht gehe der Regierungspfusch zu Ende, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. FPÖ-Mandatar Kaniak dankte neben seiner eigenen Partei auch den „Demonstranten gegen das Unrechtsgesetz“, die den Beschluss möglich gemacht hätten.

Laut Rauch keine allgemeine Inflationsabgeltung

In der zuvor abgehaltenen Fragestunde erklärte Sozialminister Rauch, dass er trotz der enormen Teuerung zumindest bei kleinen und mittleren Pensionsbezügen die Inflation abgelten will. Man müsse berücksichtigen, dass gerade bei geringen Einkünften die Preise besonders zuschlügen, sagte er in der Fragestunde Donnerstagvormittag.

Ob es allgemein eine volle Inflationsabgeltung geben wird, ließ er mit Blick auf noch anstehende Verhandlungen offen. Dauerhaft wird es laut Rauch bei den Pensionen aber nicht möglich sein, eine Teuerung von acht bis zehn Prozent voll zu kompensieren. Dies sei nicht leistbar.

FPÖ-„Dringliche“ zu Asylpolitik

Die FPÖ brachte eine Dringliche Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur Asylsituation ein. Österreich nehme bei der Pro-Kopf-„Belastung“ mittlerweile nach Zypern Platz zwei ein, ärgerte sich FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Eine „Belastung“ gestand Karner zu. Mit Juni habe es heuer geschätzt 31.000 Asylanträge gegeben. Das sei ein Plus von 185 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021. Kritik an der FPÖ kam von Grünen, SPÖ und NEOS.

Aus für Vollspaltenböden

Besiegelt wurde das Ende der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung. Bereits ab kommendem Jahr sind sie bei Neu- oder Umbauten untersagt. Allerdings ist das endgültige Aus erst mit 2040 fixiert.

FPÖ-Mandatar Peter Schmiedlechner nannte die Tierschutzmaßnahmen „Politik der Schwachsinnigen“. SPÖ-Mandatarin Cornelia Ecker fühlte sich ob dessen „gefrotzelt“. Noch dazu sei es über Ausnahmen mit Geschick möglich, die Böden noch weit länger als 2040 zu verwenden. NEOS-Abgeordnete Katharina Werner sprach von einem schlechten Scherz.

Seitens der Grünen sagte wiederum die Abgeordnete Olga Voglauer, das Aus der Vollspaltenböden sei ein „Meilenstein“. Für den ÖVP-Bauernbund betonte dessen Obmann Georg Strasser, dass man mit den Übergangsfristen die Transformation möglich mache.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) sagte anlässlich des Beschlusses: „Wir läuten das Ende der Vollspaltenbuchten ein. Im Um- und Neubau sind sie bereits ab 2023 verboten. Das ist für viele Bäuerinnen und Bauern eine große Herausforderung. Aber es ist der richtige Weg.“