Elon Musk
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Deal geplatzt

Musk bricht Übernahme von Twitter ab

Nach längerem Hin und Her scheint die Übernahme der Kurznachrichtenplattform Twitter erst einmal Geschichte zu sein. Tech-Milliardär Elon Musk erklärte am Freitag seine Vereinbarung zum Kauf für aufgelöst. Twitter aber will sich wehren.

Der Kurznachrichtendienst habe mehrere Punkte der Übernahmevereinbarung gebrochen, erklärte Musk am späten Freitagabend. Er verwies auf den seit Wochen anhaltenden Streit darüber, wie groß der Anteil gefälschter Nutzerkonten sei: Es gebe „Grund zu der Annahme, dass die tatsächliche Zahl der gefälschten oder Spam-Accounts auf der Twitter-Plattform höher ist als die Zahl von weniger als fünf Prozent“, die der Dienst angegeben hatte.

Das geht aus einer veröffentlichten Mitteilung bei der US-Börsenaufsicht SEC hervor. Die Aktie von Twitter fiel angesichts der Mitteilung im nachbörslichen Handel um 7,5 Prozent auf 34,05 Dollar.

Streit über Zahl der Fake-Accounts

Bei den Accounts geht es um Bots – Computerprogramme, die mittels Algorithmen mit Nutzerinnen und Nutzern interagieren und dabei vorgeben, echte Menschen zu sein. Die „Washington Post“ hatte am Donnerstag berichtet, der Deal sei ernsthaft gefährdet, weil Daten über gefälschte Nutzerkonten nach Musks Ansicht nicht verifiziert werden könnten.

Musks Anwälte erklärten nun, Twitter habe es seit fast zwei Monaten versäumt, Musk und seinem Beraterstab die benötigten Daten zur Verifizierung der Angaben zu Fake-Accounts zu liefern. Sie bezeichnen das als einen derart schweren Bruch der Vertragsbedingungen, dass die Kaufvereinbarung aufgelöst werden könne.

Super-App als Vorbild

Der Gründer des Elektroautobauers Tesla und reichste Mensch der Welt hatte im April erklärt, Twitter für 44 Milliarden Dollar (rund 43 Mrd. Euro) übernehmen zu wollen. In der Folge ergaben sich aber gravierende Reibungspunkte, die der Aktie wiederholt zu schaffen machten. Musk hatte den Deal zwischenzeitlich auch ausgesetzt. Beobachter werteten das als Versuch, den Preis zu drücken.

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Musk ließ die Übernahme platzen. Offenbar eskalierte der Streit über nicht zu verifizierende Twitter-Konten.

Musk hätte Twitter im Falle einer Übernahme wohl umgekrempelt. Er war der Ansicht, die Plattform müsse mehr Funktionalität bieten und unterhaltsamer sein. Als Vorbilder nannte er die chinesische App WeChat, eine Super-App, die alle möglichen Funktionen von Messaging bis hin zu Einkaufs- und Bezahlmöglichkeiten beinhaltet. So könne Twitter auf eine Milliarde Nutzer kommen, war die Überlegung des Unternehmers.

Die Marke von einer Milliarde Nutzer war für Twitter stets weit außer Reichweite. Nach jüngsten Zahlen waren es rund 230 Millionen täglich aktive Nutzer, denen der Dienst Werbung anzeigen kann, weil sie auf die hauseigene App oder die Web-Version zurückgreifen.

Frühere Kritik Musks, Twitter schränke zu stark die Redefreiheit ein, hatte auch Sorgen ausgelöst, dass unter seiner Regie mehr Tweets mit Falschinformationen oder Beleidigungen auf der Plattform bleiben könnten. Später räumte er zwar ein, dass Nutzer Twitter verlassen würden, wenn sie angegriffen würden oder sich unwohl fühlten. Doch sie sollten auch „ziemlich empörende“ Dinge veröffentlichen dürfen. Twitter könne aber die Verbreitung solcher Tweets drosseln.

Twitter will an Deal festhalten

Nun aber sind diese Erwägungen offenbar obsolet. Stattdessen droht ein langwieriger Rechtsstreit. Musk und Twitter haben eine Strafe von einer Milliarde Dollar vereinbart, falls eine Partei vom Deal zurücktritt. Doch da Twitter auf Vollzug pocht, dürfte es für Musk rechtlich trotzdem schwierig werden.

Man wolle den Verkauf zum dem mit Musk vereinbarten Preis durchsetzen und dafür auch vor Gericht ziehen, schrieb Verwaltungsratschef Bret Taylor am Freitag auf Twitter. Man sei zuversichtlich, in dieser Frage recht zu bekommen.

Musk rechtlich unter Zugzwang

Musk müsste für einen Erfolg nachweisen, dass Twitter so gravierende Informationen unterschlagen habe oder sich so erhebliche Änderungen am Geschäft ergeben hätten, dass der Deal zu den vereinbarten Konditionen nicht mehr tragbar ist. Der Streit käme vor den Delaware Chancery Court, der unter anderem den Vollzug einer Übernahme anordnen kann.

In einem seltenen Fall, in dem das Gericht den Rückzieher eines Käufers billigte, erlaubte es dem Gesundheitskonzern Fresenius 2018, die Übernahme der Pharmafirma Akorn abzusagen. Die Richter befanden damals, dass Akorns Informationen zur Geschäftslage und den Aussichten von Medikamenten erhebliche Lücken aufwiesen.

Musk und Twitter haben eine Strafe von einer Milliarde Dollar vereinbart, falls eine Partei den Deal nicht umsetzen kann. Dabei geht es aber eher um Probleme wie eine gescheiterte Finanzierung als eine Kehrtwende.

Musk ist bereits Twitter-Großaktionär mit einem Anteil von gut neun Prozent, den er vor Ankündigung der Übernahmepläne an der Börse zusammenkaufte. Auch hier gab es Ärger. So hielt Musk die Frist nicht ein, in der das Überschreiten der Beteiligung von fünf Prozent öffentlich gemacht werden muss. Da nach dieser Mitteilung der Aktienpreis hochsprang, wird Musk in einer Anlegerklage vorgeworfen, er habe mit der Verzögerung viel Geld beim Kauf weiterer Anteile gespart.

Ungewisse Zukunft für Twitter

Auch wenn Musk betonte, es gehe bei dem Twitter-Deal nicht um Geld, so hätte er dafür jedoch einen Teil seines Vermögens einsetzen müssen. Der Chef des Elektroautobauers Tesla und der Raumfahrtfirma SpaceX ist zwar der mit Abstand reichste Mann der Welt – sein auf über 220 Milliarden Dollar geschätzter Besitz besteht jedoch hauptsächlich aus Aktien.

Um Geld flüssig zu machen, trennte er sich zum Teil von Anteilsscheinen. Auch wollte er Kredite aufnehmen und andere Geldgeber ins Boot holen. Die Tesla-Aktie legte im nachbörslichen Handel um zwei Prozent zu – seit Ankündigung der Twitter-Übernahmepläne war der Kurs um rund 30 Prozent abgesackt.

Für Twitter eröffnet die Entwicklung die Aussicht weitere Monate der Ungewissheit. Der Onlinedienst kürzte bereits seine Ausgaben unter anderem durch einen Einstellungsstopp – auch das führte Musk als unwillkommenen Eingriff in das Geschäft an.