Arbeiter vor Pipelines der „Nord Stream 1“-Gaspipeline in Lubmin
Reuters/Hannibal Hanschke
„Nord Stream 1“

Kanada erlaubt Ausfuhr reparierter Turbine

Die kanadische Regierung will die Lieferung der gewarteten russischen „Nord Stream 1“-Turbine nach Deutschland ermöglichen. Dazu werde Kanada „eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis“ an Siemens Canada geben, sagte der für Bodenschätze zuständige Minister Jonathan Wilkinson am Samstag. Offiziell wegen Wartungsarbeiten soll die Pipeline am Montag bis 21. Juli abgeschaltet werden. Dann fließt kein Gas mehr.

Ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden, und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen, so Wilkinson. Aus Kanada hieß es weiter: Man wolle dafür sorgen, dass Europa „Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie“ habe, während es sich langsam von russischem Öl und Gas löse, so Wilkinson über die Lieferung der gewarteten Turbine weiter.

Der russische Energiekonzern Gasprom hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 1“ reduziert und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montreal zurückgeliefert werden könne. Nun will Kanada die Turbine erst nach Deutschland schicken lassen statt direkt nach Russland.

Grafik zur Gaspipeline Nord Stream
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa

Wilkinson: Putin versucht Alliierte zu spalten

Die Ausnahme von den Sanktionen begründete Wilkinson damit, dass der russische Präsident Wladimir Putin versuche, die Alliierten gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine mit seiner Energiepolitik zu spalten. „Das können wir nicht zulassen“, sagte Wilkinson. Kanada stehe an der Seite der Ukraine und werde weiterhin Sanktionen gegen Moskau verhängen und mit europäischen Staats- und Regierungschefs zusammenarbeiten, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten schnellstmöglich zu beenden und die Energiemärkte zu stabilisieren.

Die deutsche Regierung begrüßte die Ausfuhrgenehmigung Kanadas. „Wir begrüßen die Entscheidung unserer kanadischen Freunde und Verbündeten“, teilte ein Sprecher der Regierung am Sonntag mit. Das deutsche Wirtschaftsministerium würdigte einen „guten und konstruktiven Austausch mit der kanadischen Regierung“.

Nord Stream 1 wird abgeschaltet – zur Wartung

Die kanadische Regierung will die Lieferung der gewarteten russischen „Nord Stream 1“-Turbine nach Deutschland ermöglichen. Dazu werde Kanada „eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis“ an Siemens Canada geben, sagte der für Bodenschätze zuständige Minister Jonathan Wilkinson am Samstag. Offiziell wegen Wartungsarbeiten soll die Pipeline am Montag bis 21. Juli abgeschaltet werden. Dann fließt kein Gas mehr.

Das Energie- und das Außenministerium der Ukraine äußerte sich „zutiefst enttäuscht“ über die Entscheidung Kanadas, die reparierte Siemens-Turbine an Deutschland zurückzugeben. Die kanadische Regierung müsse die Entscheidung rückgängig machen, heißt es in einer auf der Homepage des Energieministeriums veröffentlichten Erklärung. Kanada würde sich sonst „den Launen Russlands“ unterwerfen.

Gewessler erwartet weniger Gas

Mit der Wartung von „Nord Stream 1“ wird weniger Gas nach Österreich fließen, erwartet Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Das werde auch Auswirkung auf die Einspeicherung haben. Trotzdem könne laut Berechnungen der E-Control das Speicherziel der Bundesregierung weiterhin erreicht werden, sofern Russland nach der Wartung wieder Erdgas im vereinbarten Umfang liefert, so die Ministerin am Sonntag in einer Aussendung.

Der kritische Zeitpunkt sei die geplante Wiederinbetriebnahme der Pipeline. „Niemand kann heute prognostizieren, ob die Lieferungen danach vollumfänglich wiederaufgenommen werden. Der 21. Juli ist deshalb ein kritisches Datum für die Gasversorgung in ganz Europa“, sagte Gewessler.

Wobei „Nord Stream 1“ für die direkten Gaslieferungen nach Österreich nur eine untergeordnete Rolle spiele. „Österreich wird vorwiegend über das Leitungssystem über die Ukraine beliefert. Trotzdem wird durch den vollständigen Lieferausfall über ‚Nord Stream 1‘ aufgrund der Wartungsarbeiten auch in Österreich ein deutlicher Lieferrückgang erwartet“, heißt es in der Aussendung.

Skepsis über russische Angaben

Russland hatte am Freitag angekündigt, im Fall einer Rückkehr seiner reparierten Gasturbine aus Kanada die Energielieferungen durch die gedrosselte Pipeline „Nord Stream 1“ wieder hochzufahren. „Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Die Frage ist nur, warum das nicht gleich so gemacht wurde.“ Peskow wies einmal mehr zurück, dass Russland sein Gas als politisches Druckmittel einsetze.

Arbeiter vor Pipelines der „Nord Stream 1“-Gaspipeline in Lubmin
Reuters/Hannibal Hanschke
Die „Nord Stream 1“-Gaspipeline in Lubmin

„Nord Stream 1“, zuletzt die wichtigste Lieferverbindung für russisches Gas nach Deutschland, wird offiziell aufgrund jährlich wiederkehrender Wartungsarbeiten, die der Betreiber bereits vor längerer Zeit angekündigt hatte, abgeschaltet. Unter anderen hat der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) akute Bedenken geäußert, dass Russland den Gashahn auch nach Abschluss der Wartung nicht mehr aufdrehen könnte.

Gaslieferungen bereits jetzt deutlich gedrosselt

Wie die Betreibergesellschaft Nord Stream AG mitteilte, sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In dieser Zeit werde kein Gas nach Deutschland befördert. Das russische Staatsunternehmen Gasprom hatte im Juni bereits die Liefermenge durch die mehr als 1.200 Kilometer lange Pipeline von Russland ins deutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern deutlich gedrosselt – und das auch mit dem Fehlen einer Turbine begründet. Derzeit wird die Leitung laut der deutschen Bundesnetzagentur nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet.

Auch russische Gaslieferungen über andere Leitungen nach Deutschland waren zuletzt zurückgegangen. Gleichzeitig erhalten mehrere europäische Staaten bereits kein Gas mehr aus Russland. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Ende Februar gilt die Versorgung Europas mit Gas aus Russland als gefährdet.

Lange Liste an Arbeiten

Angesetzt wurde die Dauer der Abschaltung von „Nord Stream 1“ vom Betreiber auf zehn Tage. Die Rede ist von einer Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzung bzw. Kalibrierung etwa der Stromversorgung, des Brand- und Gasschutzes sowie bestimmter Ventile. Auch Softwareupdates würden vorgenommen. Die Offshore-Pipelines blieben weiter unter Druck. Entsprechende Arbeiten hätten in den vergangenen Jahren zwischen zehn und 14 Tagen gedauert. Sie wichen dabei aber auch teilweise von der angesetzten Frist ab.

Laut der deutschen Bundesnetzagentur finden die Arbeiten nicht direkt an der Leitung, sondern an den Verdichterstationen statt, etwa in Lubmin. Eine dauerhafte Abschaltung könnte laut Modellen der Behörde unter Umständen zu einem Gasmangel in Deutschland im Winter führen.