Stecker in einem Stromverteiler
ORF.at/Dominique Hammer
Teurer Strom

Brunner bremst bei Debatte über Preisdeckel

Die Regierung betrachtet die zuletzt auch von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eingeforderte Deckelung der Strompreise weiter skeptisch. Die Forderung nach Preisdeckeln sei angesichts der hohen Energiepreise nachvollziehbar, sagte dazu am Sonntag Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der gleichzeitig vor den Gefahren eines nationalen Alleingangs warnte.

„In der aktuellen Lage prognostizieren uns die Experten, dass die ökonomischen Nachteile bzw. Gefahren einer nationalen Preisdeckelung überwiegen“, so Brunner. Man müsse „aufpassen, dass die Maßnahmen der Politik gegen die Teuerung nicht unserer Gesellschaft und letztlich den Menschen mehr schaden als helfen“. Deshalb sei die passende Reaktion auch immer stark vom ökonomischen und zeitlichen Umfeld abhängig, wie Brunner anmerkte.

Sehr wohl teilt er aber die Meinung von Mikl-Leitner, wonach auf europäischer Ebene die Diskussion über die Funktionsweise der Marktmechanismen geführt werden muss. Auch die Möglichkeit einer Strompreisdeckelung müsse somit „auf europäischer Ebene ernsthaft diskutiert werden“.

Debatte um Strompreis-Deckel

Innerhalb der ÖVP gibt es nun erstmals einen Vorstoß in Sachen Strompreisdeckel. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner will die Stromkosten begrenzen und fordert außerdem eine klare Führung der Regierung ein. Oberöstereichs Landeshauptmann Stelzer und der neue ÖVP-Chef von Tirol wollen offen in eine Diskussion gehen. ÖVP-Finanzminister Brunner warnt allerdings vor einem nationalen Alleingang – wenn dann nur auf europäischer Ebene, sagt er.

„Österreich alleine tut sich da schwer“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte sich zuletzt im Nationalrat gegen Preisdeckel ausgesprochen. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich in der „Presse“ (Sonntag-Ausgabe) ablehnend: „Es ist eine populistische Story, so zu tun, als könnte der Staat mit der Rasierklinge die Preise kappen. Das geht in der Regel nach hinten los.“ Man könne sich das aber auf der europäischen Ebene ansehen. „Österreich alleine tut sich da schwer. Wir würden eine ganze Stromzone aus mehreren Ländern subventionieren, und die Effekte bei uns wären gering.“

Auch der österreichische EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) hatte im Ö1-Mittagsjournal einen Strompreisdeckel abgelehnt. Er sei kein großer Freund von Strompreisdeckelungen, so Hahn. Man müsse jetzt zielgerichtet unterstützen: „Wenn einkommensschwache Haushalte unter den hohen Energiepreisen leiden, sollte ihnen prioritär und direkt geholfen werden“, so Hahn. Die EU werde einen europäischen Notfallplan für den Winter verabschieden.

Vorstoß aus Niederösterreich

Mikl-Leitner hatte am Samstag für einen neuen Vorstoß in der laufenden Teureungsdebatte gesorgt und sich offen für eine Deckelung ausgesprochen. Angesichts der teils enormen Nachzahlungen bei den Energiekosten gelte es, über eine solche Maßnahme nachzudenken. „Ich weiß, dass der Staat natürlich nicht alles abfedern kann, aber es muss eine gewisse Lenkung des Staates stattfinden“, wie Mikl-Leitner am Samstag gegenüber dem Landesstudio Niederösterreich sagt.

Von der Regierung fordert die niederösterreichische Landeshauptfrau zudem eine „Transparenz der Notfallpläne". Zudem müsse der Bund nun innerhalb der nächsten Wochen einen „ganz klaren Plan“ mit konkreten Maßnahmen ausarbeiten. Dazu gehöre auch, den Menschen zu sagen, „dass wir alle Energie sparen müssen“, zugleich müssten aber auch andere Energiequellen angezapft werden.

SPÖ: „Dringend notwendig“

Erfreut über Mikl-Leitners Vorstoß bei den Strompreisen zeigte sich die SPÖ. Die Landeschefin übernehme damit die Forderung von SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner und von Niederösterreichs SPÖ-Landesparteivorsitzendem Franz Schnabl, teilte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch per Aussendung mit.

Es stelle sich jetzt allerdings noch die Frage, ob es Mikl-Leitner wirklich ernst meine, so Deutsch: „Bleibt es bei PR-Aktionen der Landeshauptfrau, oder geschieht jetzt tatsächlich etwas auf Bundesebene?“ Ein Preisdeckel wäre laut Deutsch jedenfalls „dringend notwendig, um die dramatische Preisspirale nach oben zu stoppen“.

Landeshauptfrau Mikl-Leitner für Strompreisdeckel

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) fordert einen Strompreisdeckel. In der Bundesregierung wird dieser Vorschlag nicht aufgegriffen.

„Copy-Paste“ und „reichlich naiv“

Offene Zweifel kommen unterdessen von SPÖ-NÖ-Landesgeschäftsführer Wolfang Kocevar. Dieser bezeichnet Mikl-Leitners „Sinneswandel“ in einer Aussendung als „unglaubwürdig“. „Zu wenig, zu spät, zu zögerlich – so zeigt sich das Vorgehen der Volkspartei in Bund und Land“, wie Kocevar dazu anmerkte.

Niederösterreichs Freiheitliche sehen in der Strompreisdeckel-Forderung von Mikl-Leitner unterdessen ein „Copy-Paste-Plagiat“. Seit Oktober 2021 seien von der FPÖ 17 Anträge im Landtag zum Thema Teuerung eingebracht, jedoch von der ÖVP nicht angenommen worden, hob Landespartei- und Klubobmann Udo Landbauer hervor. Preisdeckel bei Treibstoffen, Energie und Lebensmitteln würden bereits seit Wochen seitens der FPÖ gefordert.

Kritik kam am Sonntag auch von NEOS Niederösterreich. Landessprecherin Indra Collini bezeichnete „die Vorstellung, dass die Politik einfach die Preise deckeln kann, ohne dass es zu Problemen kommt“, als „reichlich naiv“. NEOS möchte vielmehr „Übergewinne der Energiekonzerne in eine Art Ausgleich für soziale Härtefälle sowie in den Ausbau der erneuerbaren Energien“ gelenkt wissen.

„Stehen einer Diskussion offen gegenüber“

In Tirol zeigte sich indes Neo-ÖVP-Obmann und ÖVP-Landeshauptmannkandidat Anton Mattle hinsichtlich eines Preisdeckels offen. Das seien „Eingriffe in den Markt“, die „jedenfalls gut überlegt und gut vorbereitet“ sein müssen, sagte Mattle auf APA-Anfrage.

„Wir stehen einer Diskussion über weitere Maßnahmen auf Bundesebene offen gegenüber und werden uns konstruktiv daran beteiligen“, sagte Mattle, der am 25. September eine Landtagswahl zu schlagen hat. Der Strom müsse für Haushalte und für klein- und mittelständische Betriebe weiterhin leistbar bleiben. Produktionsbetriebe müssten durch einen betriebswirtschaftlich vertretbaren Preis international wettbewerbsfähig bleiben.

Ähnlich argumentierte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP): „Klar ist, dass es jetzt weiter Unterstützungen und Hilfen für die Menschen braucht. Daher sollte mit Expertinnen und Experten auch über einen Preisdeckel nachgedacht werden – auch wenn dieser wahrscheinlich nur auf europäischer Ebene effizient installiert werden kann“, ließ er per Aussendung wissen.

WIFO-Chef über Energie-Preisdeckel

Was sagen die Wirtschaftsexpertinnen und -experten zum staatlichen Eingriff bei den Energiepreisen? WIFO-Chef Gabriel Felbermayr nimmt in der ZIB2 dazu Stellung.

Verwunderung über Nehammer-Sager

Auch Kanzler und ÖVP-Chef Nehammer ging am Samstag auf der Bühne des Tiroler ÖVP-Parteitags in Alpbach auf die Teuerungskrise ein. Er erinnerte an die bereits geschnürten Pakete. Man werde wahrscheinlich auch weiter „punktuell entlasten“ müssen. Man müsse sich mit allen Mitteln gegen die Krise stemmen. Denn wenn man nicht gegensteuere und die Krise überhandnehme, stünde man nur mehr vor der Wahl: „Alkohol oder Psychopharmaka“.

Der Sager sorgte für Verwunderung und Irritationen in sozialen Netzwerken und Kritik bei FPÖ und SPÖ. Die Bemerkung des Bundeskanzlers, „wonach die aktuellen Herausforderungen entweder nur mit Alkohol oder Psychopharmaka zu bewältigen sein werden“, würden laut FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz das völlige Versagen der Regierung widerspiegeln.

„Ein ÖVP-Bundeskanzler, der Alkohol als Heilmittel anpreist und darüber hinaus Menschen verhöhnt, die psychische Probleme haben, ist fehl am Platz“, hieß es dazu in der Aussendung von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Deutsch. Er wolle „eh nicht, dass wir so weitermachen“, lautete bereits zuvor die Reaktion von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried, der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter so wie die FPÖ für eine Neuwahl plädierte.

Man habe Zuversicht vermitteln wollen, hieß es laut „Kronen Zeitung“ aus Nehammers Büro – es wurde „flapsig formuliert“, wie es der Zeitung zufolge dazu weiter hieß, war „aber gut gemeint“.