Raffinerieunfall: Regierung gibt weitere Ölreserven frei

Die Regierung gibt nach dem OMV-Raffiniereunfall in Schwechat weitere Erdölreserven frei. Heute im Hauptausschuss soll beschlossen werden, weitere 100.000 Tonnen Diesel und 45.000 Tonnen an Halbfertigfabrikaten freizugeben. Die SPÖ hatte zuvor in einer Pressekonferenz gewarnt, dass Diesel knapp würde und sich dabei auf ein ihr vorliegendes Schreiben des OMV-Vorstandes an Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) vom 23. Juni 2022 berufen.

Darin ist von „ernsthaften Versorgungsengpässen“ die Rede, wenn nicht weitere Reserven freigegeben werden. „Basierend auf der aktuellen Planung, die bis einschließlich September 2022 reicht, können wir Vertragskunden und eigene OMV-Tankstellen in immer geringer werdendem Ausmaß versorgen“, heißt es in dem Schreiben. Die „Presse“ berichtete vor wenigen Tagen, dass der Diesel in „einzelnen, kleineren Tankstellen“ bereits ausgegangen sei.

Schroll: Regierung hat gelogen

Der präsentierte Brief habe es „in sich“, sagte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll. „Die Regierung ist nicht willens oder nicht fähig, die Energieversorgung in Österreich sicherzustellen.“ Der Brief beweise das Gegenteil dessen, was die Regierung behaupte. Die Regierung habe das Parlament, die Medien und die 2,7 Millionen Dieselfahrer und -fahrerinnen in Österreich belogen, so Schroll.

Die Regierung hatte vergangene Woche dementiert, dass der Diesel in Österreich knapp werden könnte. Man habe „derzeit keine Versorgungsknappheit“, sagte Gewessler am Mittwoch nach dem Ministerrat. Bisher habe die OMV die Ausfälle nach dem Raffinerieunfall kompensiert, betonte auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).

SPÖ mit Blick auf Sri Lanka

Die Erdölreserve, die Pflichtnotstandsreserve (PNR), umfasst den durchschnittlichen österreichischen Ölverbrauch von 90 Tagen. Dabei ist nicht nur Rohöl, sondern auch fertiger Treibstoff wie Benzin und Diesel Teil dieser Reserve.

Davon wurden nach dem Raffinerieunfall bisher 112.000 Tonnen Diesel und 56.000 Tonnen Benzin freigegeben. Damit verringerte sich die in Österreich gelagerte Reserve um den Verbrauch von sechs Tagen.

Mit der weiteren Freigabe reduziere sich der Vorrat auf 77 Tage, sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. „Wenn wir so weiter tun, sind wir im Herbst in der Situation von Sri Lanka“, dort reichten die Erdölvorräte zwei Tage.

FPÖ fordert Garantieerklärung

Die FPÖ forderte von der Regierung bzw. von Gewessler, eine Garantieerklärung für die rasche Wiederbefüllung von Österreichs Treibstoff- und Heizölreserven abzugeben sowie die „Garantie einer Abkehr von der für Österreich ruinösen Sanktionspolitik gegen Russland“, so FPÖ-Chef Herbert Kickl laut einer Aussendung. Andernfalls werde die FPÖ einer weiteren Auflösung von Pflichtnotstandsreserven nicht zustimmen.

NEOS übt Kritik an „fehlender“ Strategie

NEOS bemängelte in einer Stellungnahme die „weiterhin fehlende transparente Strategie in der Energiekrise“. NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer betonte, dass mit der Verordnung im Hauptausschuss nur der Ausfall der OMV-Raffinerie behoben werde. Viele Fragen blieben allerdings unbeantwortet.

„Wie können wir die Abhängigkeit von russischem Gas möglichst rasch reduzieren, und was wird unternommen, wenn (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin den Gashahn von heute auf morgen zudreht? Was ist der Plan? Auch die Ankündigung von Bundesministerin Gewessler zur Umrüstung der Industrie von Gas auf Öl findet in jener Verordnung keinen Niederschlag“, wird Doppelbauer zitiert. Die Situation sei mehr als angespannt, aber die Regierung liefere einfach zu langsam und zu wenig.