Akkus

Problematischer Run auf Lithium

Lithium gilt als Schlüsselrohstoff, um den globalen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Doch in Südamerika protestieren indigene Gemeinschaften gegen den industrialisierten Abbau, wie Wirtschaftsgeograf Felix Dorn im Gespräch mit ORF.at erzählt. In Österreich gibt es ebenfalls eine Lagerstätte mit vermutlich Hunderttausenden Tonnen an lithiumhaltigem Gestein – und auch hier gehen die Wogen hoch.

In den südamerikanischen Anden auf etwa 4.000 Meter Höhe über dem Meeresspiegel ist Lithium in Salzseen und -wüsten vorhanden. Im „Lithiumdreieck“ in Argentinien, Chile und Bolivien befinden sich 59 Prozent der globalen Ressourcen. Internationale Bergbaukonzerne sind seit Jahrzehnten in der Region tätig. Der Ausbau von erneuerbarer Energie hat das Interesse an Lithium noch vergrößert.

Um das Lithium aus dem Untergrund der Salzseen zu gewinnen, müssen Millionen Liter Wasser verdunstet werden. Die Folgen für das Ökosystem seien nicht absehbar, weil es dazu im Grunde genommen keine unabhängigen Studien gebe, kritisiert Wirtschaftsgeograf Dorn von der Universität Innsbruck. Viele Forschungsarbeiten seien größtenteils durch Auftragsstudien von den dort operierenden Bergbauunternehmen entstanden. Die Region wird seit Jahrhunderten von indigenen Gemeinschaften bewohnt. Ihre Lebensweise wird durch die intensive Lithiumgewinnung der Unternehmen beeinflusst.

Arbeiter mit Schaufel in Salzsee
Felix Dorn/Bajo La Sal
Kleinteiliger Abbau von Lithium findet durch indigene Gemeinschaften statt, wie Ariel Alancay erzählt

„Nein zu Lithium, ja zu Wasser und Leben“

In den argentinischen Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca leben indigene Gruppen vorrangig von der Viehzucht und kleinteiliger Bedarfswirtschaft. Der enorme Wasserverbrauch durch die Lithiumextraktionen der Bergbauunternehmen trocknet das Weideland aus. Wanderwege werden unterbrochen. Unter dem Motto „Nein zu Lithium, ja zu Wasser und Leben“ haben die Gemeinschaften der Salinas Grandes in den letzten Jahren deshalb zu Protesten aufgerufen.

Hinter dem Schlagwort Wasser steckt allerdings viel mehr, stellte Dorn während seiner Forschungsaufenthalte in Argentinien fest. Es gehe um Forderungen nach Mitsprache und Selbstbestimmung. Gemeinsam mit dem Filmemacher Emiliano Bazzani ist der Dokumentarfilm „Bajo la sal“ (engl.: „Below the Salt“) entstanden, der die Perspektive der indigenen Gemeinschaften beleuchtet.

Von der Regierung im Stich gelassen

Die Kritik der indigenen Gemeinschaften richtet sich nicht nur gegen die Unternehmen, sondern auch gegen die Regierung. Die Bergbaukonzerne genießen steuerliche Vorteile in Argentinien. So sind nur drei Prozent Abbaugebühren auf den Umsatz zu entrichten. Der Wasserkonsum ist gar nicht versteuert. „Was wir hier sehen, ist eine ungleiche Verteilung von Profiten einerseits und Umweltrisiken andererseits; Profite zugunsten internationaler Unternehmen und Umweltrisiken zulasten der indigenen Gemeinschaften vor Ort“, bilanziert Dorn.

Die Regierung ist nicht in der Lage zu vermitteln. Die eigenen Interessen, durch den Lithiumboom in der Weltwirtschaft eine bedeutende Rolle zu spielen, überwiegen. Der Großteil des Lithiums wird allerdings zur Batterieproduktion nach Asien und Europa exportiert.

Felix Dorn im Interview
Felix Dorn/Bajo La Sal
Wirtschaftsgeograf Felix Dorn stellt grundsätzliche Fragen zur Elektromobilität

Vorkommen im Gestein

Lithium ist ein chemisches Element, das in der Natur nicht in reiner, metallischer Form vorkommt. Große Lagerstätten befinden sich etwa in Australien und China. Beim konventionellen Abbau im Bergwerk sind Gesteine der Rohstoff, in denen das Lithium zu kleinen Mengen in Mineralen enthalten ist. Dazu gehört das Mineral Spodumen mit einem Lithiumgehalt von einem bis maximal fünf Prozent.

Das Lithium muss aus dem mineralischen Gestein durch chemische Prozesse gelöst werden, erklärt der Geologe Frank Melcher von der Montanuniversität Leoben. Das kann mitunter aufwendig sein. Übrig bleibt jedenfalls viel Material, dass entweder zurück ins Bergwerk gebracht werden muss oder anderweitig, etwa in der Bauindustrie, verwertet werden kann.

Das Lavanttaler Lithium

In Europa könnte sich die Kärntner Koralpe in den nächsten Jahren zu den wichtigsten Abbaugebieten entwickeln. Seit 2011 gehört die Abbaustelle inklusive der Schürfrechte dem Unternehmen European Lithium. Dahinter steht der australische Bergbaukonzern Global Strategic Metals.

Derzeit laufen Explorationstätigkeiten, Probebohrungen und Machbarkeitsstudien. Aus technischer Sicht könnte European Lithium 2024 mit dem Abbau beginnen. Eine Fabrik soll zur Weiterverarbeitung und Produktion von jährlich 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid in der Region errichtet werden, heißt es von European Lithium.

Yanina Flores
Felix Dorn/Bajo La Sal
Yanina Flores aus Argentinien erzählt, wie ihre Felder wegen des industriellen Lithiumabbaus austrocknen

Bedenken auch in Kärnten

Günther Vallant, Bürgermeister von Frantschach/St. Gertraud (SPÖ), verlangt eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) angesichts der Abbaupläne von European Lithium auf der Koralpe. Frank Melcher (Montanuni Leoben) schätzt Umweltrisiken durch den Abbau als gering ein, da Lithiumerz keine toxischen Metalle oder Schwefel enthält. Eine UVP würde aber keinesfalls schaden. Der Transport von großen Mengen Gestein ins Tal wird aber enorme Staub- und Lärmbelästigungen mit sich bringen. Auch das könnte im Rahmen einer UVP geklärt werden. Man sollte über Alternativen zum Lkw-Transport, zum Beispiel den Bau einer Seilbahn nachdenken, fügt Melcher noch hinzu.

Ob es zu einer UVP kommen wird, ist offen. Da aktuell noch kein konkretes Abbauprojekt von European Lithium vorliegt, kann beim Land Kärnten formell keine UVP beantragt werden, so Vallant. Darüber hinaus ist eine UVP erst ab Verfahren im Ausmaß von zehn Hektar zwingend notwendig. Im gegenständlichen Fall gehe es um 9,9 Hektar, erzählt Vallant und kritisiert den Fokus auf solche Formalitäten bei den Behörden. Es werde zu wenig nach dem eigentlichen Ermessen beurteilt.

Energiewende: Zwischen Ersatz und Reduktion

1991 hatte Sony seine wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien präsentiert. Seitdem bricht die Nachfrage nicht mehr ab. Neben Akkus für Mobiltelefone und Laptops wird Lithium vor allem für den Ausbau der Elektromobilität gebraucht. Bis 2030 erwartet die Global Battery Alliance eine vierzehnfache Produktionssteigerung der Batterien.
Lithium wird in einen direkten Zusammenhang mit der notwendigen Energie- und Mobilitätswende gesetzt. Das E-Auto soll Verbrennungsmotoren in den kommenden Jahrzehnten ablösen. Der Lithiumabbau erhält damit seine Legitimation. Aus europäischer Sicht stellt sich die Frage, woher das Lithium kommen soll.

Derzeit liegt die Importrate in Europa bei über 80 Prozent. Melcher sieht Aufholbedarf, was Investitionen in die Forschung und entsprechende Explorationsprojekte in Europa betrifft.
Die Europäische Kommission strebt eine Reduktion der Importabhängigkeit an. Dass die Arbeiten auf der Koralpe von australischen Akteuren angeführt werden, verdeutlicht die Widersprüche des Lithiumbooms.

Dorn stellt hingegen eine grundsätzlichere Frage in den Raum. Eine weitere Inwertsetzung von natürlichen Rohstoffen reicht seiner Ansicht nicht aus, um die Energiewende sozial gerecht zu gestalten. Auch die strukturellen Probleme des Individualverkehrs werden dadurch nicht gelöst. Als Hauptverursacher der Klimakrise müsse man im globalen Norden daher eher über Reduktion und die Transformation des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells nachdenken.