Demonstranten während der Stürmung des Kapitols
AP/John Minchillo
Sturm auf Kapitol

Ausschuss sieht ‚bewusste Strategie‘ Trumps

Der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol hat am Dienstag eine Vielzahl von Zeugen vernommen – von ehemaligen Mitarbeitern des Weißen Hauses bis zu Menschen, die sich an den gewaltsamen Protesten am 6. Jänner 2021 beteiligt hatten. Im Zentrum standen dabei auch ein Tweet Donald Trumps vom 19. Dezember und die Stunden, die dieser Nachricht vorausgingen und folgten. Zum Abschluss der Sitzung wurde überdies bekannt, dass Trump versucht hätte, einen Zeugen vor seiner Aussage zu kontaktieren.

Nach Auffassung des Untersuchungsausschusses hatte Trump den Marsch Tage zuvor geplant – und gewaltbereite Rechtsextreme direkt angesprochen. „Präsident Trump hat seinen Plan umgesetzt, indem er in seiner Rede am 6. Jänner seine Anhänger aufforderte, (…) zum Kapitol zu marschieren“, sagte das demokratische Ausschussmitglied Stephanie Murphy am Dienstag in einer öffentlichen Anhörung. „Die Beweise bestätigen, dass es sich nicht um einen spontanen Aufruf zum Handeln handelte, sondern um eine bewusste Strategie, die der Präsident im Voraus beschlossen hatte.“

Bereits vor dem 6. Jänner habe es Informationen gegeben, dass sich „sehr gewalttätige Individuen“ an diesem Tag in Washington versammeln wollten, sagte Donell Harvin, der damals in einer Sicherheitsbehörde der US-Hauptstadt beschäftigt war. Besonders beachtlich sei gewesen, dass sich unterschiedliche Gruppen verbündet hätten. Trump liebe Menschen, die ihn „in der Öffentlichkeit bösartig verteidigen“ würden, sagte dessen ehemalige Wahlkampfsprecherin Katrina Pierson. Beide hatten hinter verschlossenen Türen ausgesagt. In der Anhörung wurden Videoausschnitte davon gezeigt.

Tweet als Auslöser?

Ein guter Teil der Befragungen drehte sich auch um einen Tweet Trumps vom 19. Dezember. Dieser habe nach Auffassung von Ausschussmitglied Jamie Raskin „explosive Wirkung“ in der rechten Szene entfaltet und bei deren Mobilisierung eine zentrale Rolle gespielt. Ein Twitter-Mitarbeiter, dessen Aussage bei der Anhörung anonymisiert vorgetragen wurde, sagte: „Diese Art von direkter Kommunikation hatten wir bisher noch nicht gesehen.“ Zum ersten Mal habe ein Präsident mit extremistischen Organisationen gesprochen und ihnen Anweisungen gegeben.

Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol
Reuters/Shawn Thew
Der Ausschuss befragte am Dienstag eine Reihe von Zeugen – nicht alle Befragungen waren öffentlich

Treffen „aus den Fugen geraten“

Dem Tweet war ein – offenbar ausgeartetes – Treffen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorausgegangen. Die ehemalige Beraterin im Weißen Haus, Cassidy Hutchinson, die vor zwei Wochen live vor dem Ausschuss aussagte, bezeichnete das Treffen zwischen Mitarbeitern des Weißen Hauses und informellen Beratern, die die Betrugsvorwürfe vorantrieben, in einer Textnachricht an einen anderen Trump-Berater als „aus den Fugen geraten“.

Mit zusammengefügten Videoclips aus Zeugenaussagen versuchte der Ausschuss nun das Treffen beinahe minutiös nachzuzeichnen. An dem Abend soll es zu Schreiduellen zwischen Mitarbeitern des Weißen Hauses und externen Beratern gekommen sein. Auch die Idee, Wahlmaschinen wegen vorgeblichen Betrugs beschlagnahmen zu lassen, soll an diesem Abend geboren worden sein.

Ausschuss belastet Donald Trump

Der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol hat am Dienstag eine Vielzahl von Zeugen vernommen – von ehemaligen Mitarbeitern des Weißen Hauses bis zu Menschen, die sich an den gewaltsamen Protesten am 6. Jänner 2021 beteiligt hatten. Im Zentrum standen dabei auch ein Tweet Donald Trumps vom 19. Dezember und die Stunden, die dieser Nachricht vorausgingen und folgten. Zum Abschluss der Sitzung wurde überdies bekannt, dass Trump versucht hätte, einen Zeugen vor seiner Aussage zu kontaktieren.

Mehrere Mitarbeiter Trumps versuchten hingegen in den Tagen und Wochen nach der Wahl, ihn vom Aufgeben zu überzeugen. Trumps ehemaliger Arbeitsminister Eugene Scalia sagte: „Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich denke, dass es für ihn an der Zeit sei anzuerkennen, dass Präsident (Joe, Anm.) Biden die Wahl gewonnen hat.“ Ähnlich äußerte sich der frühere Rechtsberater des Weißen Hauses, Pat Cipollone. Er sei der Überzeugung gewesen, Trump müsse aufgeben.

Soziale Netzwerke und Trump-Rede

Direkt nach dem nächtlichen Treffen setzte Trump jedenfalls einen – in der Nachschau schwerwiegenden – Tweet ab. „Big protest in D.C. on January 6th. Be there, will be wild!“ (in etwa: „Starker Protest in D.C. am 6. Jänner. Seid dabei, wird wild!“), hieß es darin. In der Anhörung wurden Aussagen rechter Kommentatoren eingespielt, die sich darauf bezogen. Der Verschwörungstheoretiker Jim Watkins antwortete auf eine Frage, wann er sich entschlossen habe, am 6. Jänner nach Washington zu gehen: „Als der Präsident der Vereinigten Staaten ankündigte, dass er eine Kundgebung geben würde.“

Auch der Trump-Anhänger Stephen Ayres sagte am Dienstag vor dem Ausschuss, dass Aufrufe in sozialen Netzwerken ihn bewogen hätten, an diesem 6. Jänner in die US-Hauptstadt zu kommen. Er habe „definitiv“ geglaubt, dass es Betrug bei der Präsidentenwahl 2020 gegeben habe. Allerdings habe er auch am 6. Jänner zu Beginn nicht geplant gehabt, zum Kapitol zu gehen. Erst Trumps Rede habe das geändert und „jeden aufgebracht“. „Alle dachten, er werde mitmarschieren. Wissen Sie, er sagte in seiner Rede, dass er bei uns sein werde.“

Der Ausschuss nahm bei seiner Sitzung auch Verbindungen rechtsextremer Gruppen wie der „Oath Keepers“ zu dem Angriff ins Visier. „Ich habe einige Jahre mit den ‚Oath Keepers‘ verbracht, und ich kann Ihnen sagen, dass sie sich nicht gerne als Miliz bezeichnen, aber sie sind eine gewalttätige Miliz“, sagte Jason Van Tatenhove, deren ehemaliger Sprecher. Die Gruppe habe am 6. Jänner gezeigt, was sie eigentlich sei.

Warnung vor Beeinflussung von Zeugen

Zum Abschluss der mehrstündigen Sitzung gab das republikanische Ausschussmitglied Liz Cheney noch bekannt, dass Trump versucht habe, einen Zeugen zu kontaktieren, der noch nicht öffentlich ausgesagt habe. Die Person, deren Identität Cheney nicht preisgab, habe es abgelehnt, auf den Anruf zu reagieren, und stattdessen einen Anwalt eingeschaltet. Dieser habe dann den Ausschuss kontaktiert. Der Ausschuss habe den Fall inzwischen an das Justizministerium weitergeleitet.

Cheney fügte hinzu: „Lassen Sie mich noch einmal sagen, dass wir jeden Versuch, Zeugenaussagen zu beeinflussen, sehr ernst nehmen werden.“ Es ist nicht das erste Mal, dass der Ausschuss einer möglichen Zeugenbeeinflussung durch Trump beziehungswiese seine Anwälte nachgeht.

Der ehemalige US-Präsident behauptet bis heute ohne irgendwelche Beweise, durch Betrug um einen abermaligen Wahlsieg gebracht worden zu sein. Bis heute weist er jede Schuld von sich, dass seine Anhänger mit Gewalt den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt hatten. Der 76-Jährige lässt offen, ob er bei der Präsidentenwahl 2024 erneut antreten will.