Detail einer Erdgasförderanlage im Marchfeld
ORF.at/Roland Winkler
Ringen um Gas

OMV sichert sich weitere Pipeline-Kapazitäten

Die OMV hat sich weitere Pipeline-Kapazitäten für Erdgas gesichert. Das Gas soll aus Deutschland und Italien kommen. Ab Oktober könne damit die Abhängigkeit von russischem Gas massiv reduziert werden. Die eigenen Speicher sind laut OMV zu fast 80 Prozent gefüllt.

Für das kommende Gasjahr – 1. Oktober 2022 bis 30. September 2023 – habe man sich zusätzliche europäische Transportkapazitäten nach Österreich im Ausmaß von 40 TWh gesichert, so die OMV. Das entspricht beinahe der Hälfte des österreichischen Jahresbedarfes und deckt sämtliche Lieferverpflichtungen der OMV in Österreich ab. Über die Kosten will der Konzern keine Auskunft geben.

Die OMV habe sich die Liefermöglichkeit nach einem mehrwöchigen Auktionsverfahren gesichert. Damit soll selbst produziertes Gas aus Norwegen und zugekauftes Flüssiggas im Bedarfsfall nach Österreich kommen. Die Übernahmepunkte für das Erdgas sind die Knoten Oberkappel in Oberösterreich (Pipeline aus Deutschland) und Arnoldstein in Kärnten (Pipeline aus Italien). In Norwegen besitzt die OMV auch eine große, eigene Gasförderung.

OMV ändert Gasstrategie

Die Österreichische Mineralölverwaltung Aktiengesellschaft hat sich nun zusätzliche Pipeline-Leitungen gesichert, um zusätzliches Gas nach Österreich zu bringen. Unklar bleibt, ob trotz der zusätzlichen Kapazitäten auch all das Gas ausschließlich nach Österreich geliefert wird.

„Das ist ein entscheidender Meilenstein in der Diversifizierung der Erdgasversorgung. Denn damit können wir das in Norwegen von uns selbst produzierte Gas, aber auch zugekaufte LNG-Mengen im Bedarfsfall nach Österreich bringen und unsere Kundinnen und Kunden zuverlässig versorgen“, so OMV-Chef Alfred Stern am Donnerstag.

„OMV-Speicher zu beinahe 80 Prozent gefüllt“

Erhebliche Fortschritte gebe es auch beim Gasspeichern. „Nachdem wir bereits sehr früh im März mit dem Einspeichern von Erdgas begonnen und das in den vergangenen Monaten konsequent fortgesetzt haben, sind die OMV-eigenen Speicher bereits zu beinahe 80 Prozent gefüllt“, so Alfred Stern. Die gesamte mögliche Gaseinspeichermenge der OMV liegt nach Unternehmensangaben bei 25 Terawattstunden.

Im vergangenen Jahr hat Österreich noch rund 60 TWh Erdgas aus Russland bezogen. Der russische Staatskonzern Gasprom hat derzeit die Lieferung russischen Gases drastisch reduziert. Als Grund nannte Gasprom die turnusmäßige Wartung der Ostsee-Pipeline „Nord Stream 1“. Es besteht aber die Sorge, dass Russland seine Gaslieferungen auch nach dem voraussichtlichen Ende der Wartung am 21. Juli nicht wieder voll aufnimmt.

Regierung zufrieden

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) begrüßt diese Sicherung weiterer Gastransportkapazitäten „als wichtigen Schritt zur richtigen Zeit“. „Als Bundesregierung setzen wir gemeinsam mit den zuständigen Unternehmen seit Monaten alles daran, die Versorgungssicherheit mit Gas zu erhöhen und die Abhängigkeit gegenüber Russland zu verringern.“ Unterstützt wird das auch durch das Gasdiversifizierungsgesetz, das darauf abzielt, alternative Gasquellen durch die Bundesregierung zu fördern.

Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist Österreich mit den neuen Pipeline-Kapazitäten zwei wichtigen Zielen näher gekommen: die Gasversorgung zu sichern und unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden. Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte den Schritt zur Diversifizierung der Gasversorgung. „Damit können wir unsere Abhängigkeit von Russland ab Oktober massiv reduzieren“, so die Ministerin in einer Stellungnahme. „Sollte es zu einem Lieferausfall aus Russland kommen, haben wir jetzt einen großen Puffer.“

Experten zurückhaltend

Auf den OMV-Deal dürfe man sich nicht ausruhen, warnten aber Branchenkenner, denn die Gasmenge reiche eben nur für die Hälfte des Bedarfs und auch das gespeicherte Gas gehöre nur zu einem kleinen Teil Österreich. „Es ist noch nicht genug Gas für alle für den nächsten Winter da“, sagte der ehemalige Vorstand der E-Control, Walter Boltz, gegenüber der ZIB2.

Noch sei das Gas nicht im Land. Die OMV ließ außerdem offen, ob die zusätzlichen Gasmengen überhaupt nach Österreich kommen werden. Das werde von Angebot und Nachfrage abhängen. Und ein Insider warnte gegenüber der Tageszeitung „Presse“, dass selbst volle Speicher in Österreich wenig helfen würden, wenn in anderen Teilen Europas das Gas ausgeht. „Als Binnenland brauchen wir eine europäische Lösung. Das bedeutet, dass wir die Mengen werden teilen müssen“, so der Insider. Mit Deutschland hat Österreich einen solchen Solidaritätspakt schon geschlossen.

EU-Kommission drängt zur Eile

Die EU-Kommission ermutigte am Donnerstag die 27 EU-Mitgliedsstaaten, die Gasnachfrage durch ein Bündel von Maßnahmen zu reduzieren und damit die Gefahr eines Gasmangels im Winter deutlich zu senken. „Wenn wir jetzt handeln, könnten die Auswirkungen einer plötzlichen Versorgungsunterbrechung um ein Drittel reduziert werden“, heißt es in dem ersten Entwurf für einen Gasnotfallplan. Die EU-Kommission will diesen am 20. Juli offiziell vorstellen.

Vorgeschlagen wird unter anderem, dass öffentliche Gebäude nicht mehr so stark beheizt werden. Die Kommission schlägt hier eine Obergrenze von 19 Grad vor. Außerdem folgt sie den Vorstellungen der deutschen Regierung, Unternehmen finanzielle Anreize zu geben, auf Gasverbrauch zu verzichten – etwa über Auktionen. Firmen sollen aber auch beim Umstieg auf andere Energieträger national gefördert werden können.

Die EU-Regierungen sollten auch entscheiden, in welcher Reihenfolge sie die Industrie im Falle eines Versorgungsengpasses zur Schließung zwingen würden, heißt es in dem Entwurf. Erneut betont wird, dass Haushalte nach EU-Recht „geschützte Kunden“ sind. Das bedeutet, dass sie als Letzte von einer Gasrationierung betroffen wären.

Gewessler: „Vernünftig“

Gewessler hält die Vorschläge der EU-Kommission für vernünftig: „Vor uns liegt eine enorme Herausforderung – und wir können sie nur bewältigen, indem wir alle einen Beitrag leisten. Wir werden den Strom- und Gasverbrauch reduzieren müssen, wo immer es geht. Je weniger Gas wir verbrauchen, umso größer ist unser Sicherheitspolster.“ Laut Gewessler treffen sich die EU-Energieminister und Energieministerinnen am 26. Juli zu einem Sondertreffen in Brüssel. Dort soll der fertige Plan vorgestellt werden.