Frau schiebt Kinderwagen
ORF.at/Georg Hummer
Familienbeihilfe und Co.

Sozialleistungen sollen mit Inflation steigen

Die hohe Teuerungsrate hat Rufe nach einer Valorisierung von Sozialleistungen laut werden lassen. Die soll nun mit nächstem Jahr kommen, Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Studienbeihilfe und andere staatliche Leistungen sollen jährlich an die Inflation angepasst werden. Außerdem soll es einen Teuerungsausgleich für Kinder geben.

Bis 2026 seien für das Maßnahmenpaket vier Mrd. Euro zusätzlich als Budget veranschlagt, hieß es dazu am Freitag in einer Presseaussendung des Sozialministeriums bzw. bei einer Pressekonferenz von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne).

Die Erhöhung werde analog zur Valorisierung der Pensionen jährlich festgelegt, ausschlaggebend für die Höhe sei die Inflationsentwicklung von August (jeweils des Vorjahres) bis Juli des aktuellen Jahres. Leistungen, auch solche, die bisher nicht valorisiert wurden, wie etwa die Familienbeihilfe, werden dann jährlich automatisch an die Teuerungsrate angepasst. Laut Aussendung sollen davon rund 1,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher profitieren.

Beschluss nach Sommerpause geplant

Rauch sprach von einem „der wichtigsten Schritte der vergangenen Jahrzehnte in der Sozialpolitik", von „Hilfe für alle, die es wirklich brauchen, in einer Zeit, in der diese Hilfe besonders wichtig ist". Die „enorme Teuerung bringt viele Familien mit geringen Einkommen derzeit in Bedrängnis: Energie, Lebensmittel, Wohnen – die Preise steigen derzeit in allen Bereichen“, so Rauch.

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne)
APA/Bubu Dujmic
Sozialminister Rauch präsentierte das Paket „Jährliche Anhebung aller Sozialleistungen“

Jährlich valorisiert werden nun laut Aussendung des Ministeriums ab 2023: Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Kinderbetreuungsgeld, Studienbeihilfe, Rehabilitations- und Krankengeld, Wiedereingliederungs- und Umschulungsgeld sowie Familienzeitbonus. Die nötigen Gesetzesänderungen – sie betreffen das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) und das Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) – gingen am Freitag in Begutachtung. Die Frist dafür beträgt sechs Wochen, beschließen will sie der Nationalrat nach der Sommerpause des Parlaments im Herbst. Gelten sollen sie per 1. Jänner 2023.

Was bereits bisher valorisiert wird

Viele staatliche Transferleistungen, darunter als wahrscheinlich prominentestes Beispiel die Familienbeihilfe, wurden bisher nicht valorisiert. Andere wie Pflegegeld und Sozialhilfe (Mindestsicherung) werden jährlich (auf Basis der Ausgleichszulage) an die Teuerung angepasst, die Pensionen werden jährlich valorisiert, auch das Arbeitslosengeld. Eine Erhöhung der Notstandshilfe werde „mit der Arbeitsmarktreform verhandelt“, heißt es in der Aussendung vom Freitag.

Rufe nach einer jährlichen Erhöhung der Sozialleistungen waren wegen der hohen Inflationsrate in den letzten Wochen und Monaten lauter geworden, im Juni bezeichnete Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) das Thema als „am Tisch“.

„Schulstart plus“ für 50.000 Kinder

Schließlich soll es einen Teuerungsausgleich speziell für Schulkinder in Sozialhilfe in einer Höhe von 40 Euro als „Schulstart plus“ geben, als Ergänzung zu den bereits bestehenden Gutscheinen zum Schulstart. Rund 50.000 Kinder „aus Familien mit besonders geringem Einkommen“ hatten bisher Pakete mit Schulsachen im Wert von 100 Euro („Schulstartpaket“) erhalten, in diesem Jahr sollten es 80 Euro in Form von Gutscheinen sein, was für scharfe Kritik sorgte.

Nun sollen die betreffenden Kinder „flexibel einsetzbare Gutscheine in Höhe von 40 Euro zusätzlich“ erhalten, hieß es am Freitag. Rauch verwies auch auf die ebenfalls bereits vereinbarte Auszahlung einer erhöhten Familienbeihilfe im August. Geplant ist eine Sonderzahlung von 180 Euro. Die “Schulstart plus"-Gutscheine selbst sollen nicht nur für Schulartikel, sondern „auch für Lebensmittel, Kleidung und andere Dinge des täglichen Bedarfs“ eingelöst werden können. Kostenpunkt laut Sozialministerium: rund zwei Mio. Euro.

Raab lobt „langfristige Maßnahmen“

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) freute sich über „langfristige Maßnahmen“ zur Entlastung der Familien: „Die aktuelle Teuerungswelle trifft vor allem die Familien und Alleinerziehenden. Mütter und Väter merken das im alltäglichen Leben beispielsweise beim Einkauf von Lebensmitteln für die Familie oder beim Besorgen von notwendigen Dingen für den Kindergartenbesuch. Mit dem Entlastungspaket, das heute in Begutachtung geht, werden vor allem sie unterstützt“, so Raab in einer Aussendung.

Sozialleistungen an Inflation angepasst

Die hohe Teuerungsrate hat Rufe nach einer Valorisierung von Sozialleistungen laut werden lassen. Die soll nun mit nächstem Jahr kommen, Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Studienbeihilfe und andere staatliche Leistungen sollen jährlich an die Inflation angepasst werden. Außerdem soll es einen Teuerungsausgleich für Kinder geben.

AK fordert höheres Arbeitslosengeld

Die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, bekräftigte angesichts der heutigen Präsentation die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens. Auch die Notstandshilfe müsse valorisiert werden, verlangte sie. „Hier auf die Arbeitsmarktreform zu verweisen, die von der Regierung seit Monaten auf die lange Bank geschoben wird, hilft den Menschen, die jetzt schon schwer über die Runden kommen, gar nicht.“

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sprach von einem „Schlag ins Gesicht für alle Jobsuchenden“. Die Betroffenen würden von Tag zu Tag ärmer, weil ihnen die Teuerung das Wenige, das sie haben, auch noch „wegfresse“.

„Es steht außer Frage, dass die Ärmsten in unserer Gesellschaft am meisten unter der extrem hohen Inflation leiden und dass ihnen deshalb geholfen werden muss“, hieß es von NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Er bemängelte jedoch, dass die Hilfe großteils erst 2023 ankomme. Zudem würden die Leistungen „mit der Gießkanne“ ausgeschüttet und nicht zielgerichtet. Spitzenverdiener würden etwa keine Erhöhung der Familienleistungen brauchen, sagte er.