Bibi (Katharina Hirschberg) und Tina (Harriet Herbig-Matten)
Filmladen Filmverleih/DCM/Andreas Schlieter
„Bibi & Tina – Einfach anders“

Generationswechsel auf dem Ponyhof

Die allerbesten Pferdefreundinnen Bibi und Tina sind für einen fünften Film zurück im Kino. „Einfach anders“ ist das jüngste Produkt eines Kindermedienimperiums, das seit Bibi Blocksbergs Erfindung vor über vierzig Jahren stetig weiterwächst. Erstmals spielen Katharina Hirschberg und Harriet Herbig-Matten die beiden Freundinnen Bibi und Tina in einem Kinofilm – die bisherige Besetzung ist den Teeniejahren endgültig entwachsen.

„Du bist also diese Hexe, von der alle immer erzählen, mit diesem Lächeln, und alle mögen dich!“, bekommt Bibi an den Kopf geworfen, gleich zu Beginn von „Bibi & Tina – Einfach anders“. Der Vorwurf trifft: Tatsächlich ist Bibi Blocksberg, 14 Jahre alt, sommersprossig und blond, keine Unbekannte. Seit über 40 Jahren ist die kleine Hexe fester Bestandteil im Hörspielrepertoire deutschsprachiger Kinderzimmer, mehrere Generationen sind mit ihr aufgewachsen.

„Einfach anders“ ist trotzdem so etwas wie ein Neubeginn: Erstmals spielen Hirschberg und Herbig-Matten die beiden Freundinnen Bibi und Tina in einem Kinofilm, unter der bewährten Regie von Detlev Buck. Er inszenierte schon die ersten vier Spielfilme ab 2014, damals noch mit Lina Strahl und Lisa-Marie Koroll in den Titelrollen, die beiden sind inzwischen aber für die Teeniefiguren einfach zu erwachsen.

Szene aus „Bibi & Tina – Einfach anders“
Filmladen Filmverleih/DCM/Andreas Schlieter
Beste Freundinnen: Tina (Harriet Herbig-Matten) und Bibi (Katharina Hirschberg)

Im Bibi-Blocksberg-Hörspielableger „Bibi & Tina“ verbringt Bibi ihre Sommerferien schon seit bald 30 Jahren bei ihrer besten Freundin Tina auf dem Martinshof, mit den Pferden Amadeus und Sabrina und mit Tinas Freund Alexander Falkenstein an ihrer Seite. Auch eine Zeichentrickserie gab es, 2020 drehte Buck für Amazon Prime eine Serie rund um die Freundinnen, die damals bereits von Hirschberg und Herbig-Matten gespielt wurden.

Reiten wie damals

Das Grundgerüst Mädchen-Pferde-Abenteuer steht stabil wie einst bei „Immenhof“ oder „Black Beauty“. Unter der Regie von Buck, der für Erwachsene so unterschiedliche Filme wie „Männerpension“, „Karniggels“ und – erst letztes Jahr – „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ gedreht hat, haben die Kinoabenteuer der Pferdefreundinnen dennoch mehr Witz als vergleichbare Kinokonfektionsware.

Beim fünften Kinofilm nun braucht es keine Einführung mehr für den Martinshof mit all seinen Bewohnerinnen und Bewohnern, darunter Franziska Weisz als Tinas Mama. Die Sommerferien beginnen mit ungewöhnlichen Ereignissen: Zum einen sind da drei Teenager, die von einem genervten Sozialarbeiter aus dem Internat angeliefert werden, offenbar Problemfälle, ihren Spitznamen nach zu schließen: Die ewig zornige Disturber, der sprachlose Silence und die an unerklärlichen Phänomenen interessierte Spooky.

Der Alltag auf dem Reiterhof ist aber ohnehin durcheinander. Ein nächtlicher Meteoritenregen rund um den Martinshof und das Gut Falkenstein provoziert Verschwörungstheorien rund um Aliens und anderes Getier. Und dann taucht ein Mann auf, der behauptet, aufgrund eines Gentests der wahre Graf von Falkenstein zu sein. Tinas Freund Alexander und sein Papa Falko von Falkenstein müssen also ihr Schloss verlassen und wie ganz normale Menschen mit den anderen Kartoffeln ernten.

Lachen mit Nietzsche

Buck hat das eine oder andere Nietzsche- oder Büchner-Zitat ins Drehbuch geschmuggelt, der Komiker Kurt Krömer alias Alexander Bojcan hat diverse Auftritte unter anderem in Gestalt einer Kommissarin, eines Vampirs und eines Erdäpfelhändlers. Und wenn Ex-Graf Falko am Kartoffelacker steht und lieber über die Poesie des Erdapfels doziert, als mit den anderen zu arbeiten, ist der Klassenkampf nur einen Wimpernschlag entfernt.

Fast wirkt dieser Humor wie ein Fremdkörper im artifiziellen Bibi-Blocksberg-Universum, das nicht zuletzt aufgrund seiner Wiedererkennbarkeit und der Eingängigkeit des Titelliedes so unentrinnbar ist. Wiederkehrende Wortschöpfungen wie Bibis „Hex-hex!“ tragen viel zum Erfolg bei den Allerjüngsten bei. Das war schon 1980 so, als die Wiener Journalistin Elfie Donnelly die kleine sommersprossige Hörspielheldin erfand – übrigens in derselben Welt wie den sprechenden Elefanten Benjamin Blümchen.

Haushalt: „Hex-hex!“

Inzwischen liegen die Rechte beim Berliner Medienunternehmen Kiddinx, wo man das einträgliche multimediale Universum um Bibi und Benjamin mittels Autorenteams immer weiter ausbaut. Die Kaufkraft der jüngsten Zielgruppe und ihre Macht über die Portemonnaies der Eltern ist nicht zu unterschätzen, in den deutschen Charts sind „Die 30 besten Spiel- und Bewegungslieder“ inzwischen erfolgreicher als Abba und Helene Fischer.

Szene aus „Bibi & Tina – Einfach anders“
Filmladen Filmverleih/DCM/Niklas Heinecke
Ein seltsamer Mann (Kurt Krömer) hat sich ins Schloss eingeschlichen – ein Fall für Bibi, Tina und Alexander (Benjamin Weygand)

Was für Elternohren Terror sein kann, transportiert auch weltanschauliche Überzeugungen. Bibi Blocksbergs Herkunftsfamilie war damals nicht sonderlich emanzipiert, für den Haushalt war Bibis Mutter immer allein zuständig. Unter der Regie von Buck ist die Kernfamilie kein Thema mehr, dafür bekommen in „Einfach anders“ die Medien ihr Fett ab: Radiomoderatorin Funky Fröhlich provoziert mit ihrer aufgeregten Berichterstattung angesichts des Meteoritenregens Verschwörungsmythen und sogar Klopapierpanikkäufe.

Die Parallelen zur Wirklichkeit waren schon in Bucks Serie offensichtlich: Dort spielt das Klima verrückt, der Regen bleibt aus, eine Dürre droht. Das passt zu den Wurzeln der Figuren, die zwar nie speziell aufrührerisch waren, sich aber immer um eine heile Umwelt bemüht haben, wie Erfinderin Donnelly bis heute betont. In einem Interview im „Stern“ von 2019 sagte sie über Benjamin Blümchen, er wäre nicht nur fixer Bestandteil von „Fridays for Future“, er wäre sogar „der Vor-Elefant, auf dem Greta Thunberg reiten würde“. Oder wie es im „Bibi & Tina“-Song heißt: „Aufgesessen, lang die Zügel, sattelfest den Fuß im Bügel.“ Manche Textzeilen bleiben ewig hängen.