Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán
Reuters/Johanna Geron
Attacken auf EU und USA

Orban sieht sich im Kampf mit dem Westen

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sieht sich im Kampf mit dem Westen, der seinem Land eine falsche Sanktionspolitik und fremde Werte aufzwingen wolle. „Die Kraft, die Leistung, das Ansehen und die Handlungsfähigkeit der westlichen Zivilisation sind im Schwinden begriffen“, erklärte der rechtsnationale Politiker am Samstag vor Tausenden Anhängern und Anhängerinnen im rumänischen Kurort Baile Tusnad.

„Brüssel“ werde von einer „Heerschar“ des US-Investors und Demokratieförderers George Soros gelenkt, warf Orban der EU vor. Der aus Ungarn stammende Milliardär und Holocaust-Überlebende ist seit Jahren Feindbild der rechtsnationalen Regierung in Budapest.

„Sie sollen leben, wie sie wollen, aber sie sollen auch uns leben lassen, wie wir wollen“, forderte Orban in Anspielung auf ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen eines ungarischen Gesetzes, das die Informationsrechte über Homosexuelle und Transsexuelle einschränkt.

Ungarn in Brüssel, 23. Juni
Reuters/Johanna Geron
Ungarn gilt seit Jahren als Sorgenkind der EU

„Wir sind keine gemischte Rasse"

Orban regiert seit 2010 in dem EU-Land Ungarn. Wegen des Abbaus von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht Orban mit der EU in Konflikt. Gegen Ungarn laufen derzeit mehrere Verfahren, darunter eines im Rahmen des neuen Rechtsstaatsmechanismus, das zum Entzug von EU-Fördermitteln führt.

Laut dem ungarischen Onlineportal Telex.hu habe Orban auch die linke Politik des Westens angegriffen. Laut dieser würde in Europa eine „gemischte Bevölkerung“ leben, doch das sei eine Lüge. „Es gibt Orte, wo sich Völker aus Europa und Völker außerhalb Europas mischen, und Orte, wo sich europäische Völker untereinander mischen, wie in den Karpaten.“ „Wir sind keine gemischte Rasse“, sagte er, „und das wollen wir auch gar nicht sein.“

„Nicht unser Krieg“

Orban kritisierte den Westen auch dafür, dass er vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Sicherheitsansprüche Russlands ignoriert habe. „Mit US-Präsident (Donald, Anm.) Trump und Bundeskanzlerin (Angela, Anm.) Merkel wäre dieser Krieg nie passiert“, meinte er, offenbar von der Einschätzung geleitet, dass diese Politiker – ähnlich wie er – für eine russlandfreundlichere Politik gestanden hätten.

Erneut betonte er: „Das ist nicht unser Krieg.“ Und: „Diesen Krieg können die Ukrainer niemals gewinnen, die Sanktionen werden Russland nicht in die Knie zwingen. Der Krieg könnte nur mittels russisch-amerikanischer Verhandlungen beendet werden.“

Orban: Ungarn muss sich aus allem heraushalten

Die Sanktionen verglich Orban mit einem Wagen: Wir säßen in einem solchen Wagen, dessen Räder alle vier defekt seien. Russland werde die NATO nie angreifen, die stärker als Russland sei. Orban wies Behauptungen zurück, dass die Russen nicht an der ukrainischen Grenze Halt machen würden, und bezeichnete diese als ukrainische Propaganda. Die Europäische Union sollte nicht an der Seite der Ukrainer stehen, sondern zwischen den Russen und den Ukrainern.

Orban befasste sich weiters mit der globalen Wirtschaftskrise, der sich Ungarn gegenübersieht. Seine Wirtschaftserfolge könne Ungarn nur wahren, wenn sich das Land aus Krieg, Rezession und Migration heraushalten würde. Die europäische Wirtschaft drifte in Richtung „Chaos“. Ungarn möchte eine lokale Ausnahme sein. Den Höhepunkt der westlichen Krise erwartet Orban für 2030.

Orban analysierte zudem die Energiesituation in der Welt, kritisierte in diesem Zusammenhang die USA und die Europäische Kommission. Er betonte, der Westen hätte die Kontrolle über die Energieträger verloren, würde nur noch 35 Prozent beherrschen. Die Lage Europas bezeichnete er als doppelt schwer. Verantwortlich dafür seien die USA, so Orban.

Orban stellt Sanktionen infrage

Um die Führung in Moskau unter Druck zu setzen, hat die EU bisher zahlreiche Sanktionen verhängt. In einer Rede soll Ungarns Premierminister Viktor Orban die Sanktionen gegen Russland grundsätzlich infrage gestellt haben. Darüber hinaus übte er Kritik an der EU und den USA.

NEOS: Mit Ungarn „Klartext“ reden

Kritik an den Inhalten der Rede kam aus Österreich: „Die Mär, die Sanktionen würden der Ukraine nicht helfen und Europa übermäßig schaden, hört man in Österreich nur von der FPÖ“, sagte NEOS-Außenpolitiksprecher Helmut Brandstätter als Reaktion auf die Orban-Aussagen.

Von ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer, der Orban am Donnerstag in Wien empfängt, forderte Brandstätter „Klartext“. Nehammer dürfe bei dem Treffen „nicht nur über sein Lieblingsthema Migration reden, sondern muss Orban klar widersprechen“, so Brandstätter weiter.

Störung durch rumänische Nationalisten

Zu Beginn der Veranstaltung in Rumänien versuchten rumänische Nationalisten Orbans Rede zu stören. Sie riefen: „Siebenbürgen bleibt für ewig rumänische Erde!“ Auf einem Transparent hieß es „Siebenbürgen gehört Rumänien“. Die rumänische Polizei führte sie ab. Baile Tusnad (ungarisch: Tusnadfürdö) liegt in einem kompakten ungarischen Siedlungsgebiet in Siebenbürgen.

Bis 1918 hatte die Region zu Ungarn gehört. In Rumänien leben rund eineinhalb Millionen Angehörige von Ungarnstämmigen. Die Fidesz-Partei hält in Baile Tusnad seit mehr als drei Jahrzehnten eine Sommerakademie ab. Heuer findet diese unter dem Motto „Es gibt etwas Ewiges“ statt.

Orban, der ein Fidesz-Mitbegründer ist, hält dort traditionell die Abschlussrede. 1998 trat Orban zum ersten Mal auf.