Menschen auf der Straße
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Bund-Länder-Gipfel

Tauziehen um Quarantäne-Aus

In der Debatte über ein mögliches Aus der Quarantäne für CoV-Infizierte dürfte bald eine Entscheidung fallen. Am Montagnachmittag findet ein virtueller Austausch von Bundesregierung und Landeshauptleuten zu CoV-Themen statt, bei dem es auch um die „verschiedenen Möglichkeiten zur Neuregelung der Absonderung Infizierter“ gehen soll. Kritik an Plänen und Vorgangsweisen kommt aus den SPÖ-geführten Ländern.

Die Entscheidung über ein Quarantäne-Aus sei jedenfalls noch nicht final getroffen, wird aus dem Gesundheitsministerium betont. Nach dem Bund-Länder-Gipfel am Montag will Rauch am Dienstag mit den Gesundheitslandesräten beraten, wobei es sich um einen schon länger vereinbarten Termin handle. Bei einer Einigung könnte die künftige Regelung bereits beim Sommerministerrat am Mittwoch in Mauerbach bekanntgegeben werden.

Zuletzt war ein Verordnungsentwurf bekanntgeworden, wonach für Infizierte künftig nur noch Verkehrsbeschränkungen gelten sollen. Demnach könnte man sich bei einer Infektion mit Maske fast überall frei bewegen. Betretungsverbote gäbe es nur an bestimmten Orten (Spitäler, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen und Horte), allerdings nicht für dort Beschäftigte. Betroffen von einer Änderung wären über 100.000 Menschen.

Debatte über Ende der CoV-Quarantäne

Bundesregierung und Landeshauptleute setzten sich am Montagnachmittag zusammen und besprechen die heißeste politische Frage der Woche: das mögliche Ende der Coronavirus-Quarantäne.

Wer mit dem Coronavirus infiziert ist, muss derzeit zumindest fünf Tage in Isolation. Das betrifft aktuell rund 52.000 Menschen, die in den vergangenen fünf Tagen einen positiven Test erhalten haben. Danach gilt für weitere fünf Tage eine „Verkehrsbeschränkung“: Wer symptomfrei ist, darf mit FFP2-Maske wieder unter Leute gehen oder sich gänzlich „freitesten“. In diese Frist fallen aktuell rund 57.000 Menschen.

„Gefährliches Spiel der Regierung“

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sprach in einer Aussendung von einem „gefährlichen und unverantwortlichen Spiel der Regierung“. Ein Quarantäne-Aus für Infizierte könnte das Gesundheitswesen wieder an seine Grenzen bringen. In den SPÖ-regierten Bundesländern Wien, Kärnten und dem Burgenland hatten die Überlegungen zur Abschaffung der Quarantäne zuletzt für Verärgerung gesorgt – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Man habe davon aus den Medien erfahren, kritisierte etwa Kärntens Peter Kaiser in der „Kronen Zeitung“ vom Sonntag. „Ich entnehme aus den Medien unterschiedliche Positionen und bin neugierig, was die Bundesregierung präsentieren wird. Die Bekämpfung der Pandemie ist Sache der Bundesregierung. Mit mir gab es keine Gespräche bezüglich dieses Verordnungsentwurfs“, sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

„Wir sind jetzt in einer (ungewöhnlichen) Sommerwelle. Ich erwarte mir entsprechende Vorschläge seitens der Bundesregierung auch für den Umgang mit der kommenden Herbstwelle. In der Stadt Wien sind wir mit Maßnahmen immer konsequenter geblieben. Wenn man den Empfehlungen der WHO folgt, sollte die Quarantäne angesichts der Sommerwelle aufrechterhalten werden“, so Ludwig.

Strengere Regeln in einzelnen Bundesländern?

Ob einzelne Bundesländer gegebenenfalls strengere Regeln erlassen könnten, konnte man am Sonntag im Gesundheitsministerium noch nicht sagen. Das werde noch juristisch geklärt. In Wien etwa haben mit Verweis auf die spezielle Situation als Zwei-Millionen-Stadt in der Pandemie meist strengere Maßnahmen gegolten.

Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) sagte in einer der APA übermittelten Stellungnahme: „Klar ist, wer krank ist, soll zuhause bleiben. Ich würde es aber in der aktuellen Situation, in der es hohe Infektionszahlen und verhältnismäßig niedrige Belagszahlen in den Krankenhäusern gibt, für richtig halten, die Quarantänepflicht auszusetzen.“ Wenn jetzt Schutzmaßnahmen zurückgefahren würden, müsse aber jedenfalls sichergestellt sein, dass diese rasch wieder hochgefahren werden könnten, wenn sich zeigen sollte, dass der Druck auf das Gesundheitssystem wieder steige, so Drexler.

Ruf nach Lockerung aus ÖVP-Bundesländern

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ist mittlerweile seit Monaten für eine Lockerung, zuletzt forderte er Anfang Juli deutliche Änderungen. Er will stattdessen auf die Impfung und, wenn sinnvoll, notwendige Maßnahmen wie etwa das Tragen von Masken setzen. Auch Oberösterreichs Ärzteschaft schloss sich dem an – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Auch in Salzburg rechnen Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (beide ÖVP) fest mit neuen Quarantänebestimmungen. „Die Maßnahmen müssen dabei aber virologisch-medizinisch begründet sein, auch wenn eine Neuregelung bei symptomfreien Verläufen aus volkswirtschaftlicher Sicht natürlich sinnvoll wäre“, sagte ein Sprecher Haslauers am Montag zur APA. Offen sei dabei, ab wann die neuen Regeln in Kraft treten könnten.

Derzeit habe man es mit „milden Varianten zu tun, deren Auswirkungen unser Gesundheitssystem aktuell nicht überlasten“, meinte Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP). Daher sei eine „Diskussion über Lockerung bzw. Aufhebung der Quarantänebestimmungen legitim“, sagte sie in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Dennoch habe der „Schutz von vulnerablen Personen oberste Priorität“, meinte sie gleichzeitig. Sollte es zu einer Quarantänelockerung kommen, werde „die Eigenverantwortung von jedem und jeder Einzelnen wichtiger denn je“.

Mehrere Themen auf Agenda

Neben der Quarantäne stehen auf der Agenda des virtuellen Bund-Länder-Treffens auch Fragen wie eine flächendeckende Abgabe von Covid-19-Medikamenten, die bisher überwiegend in Wien zum Einsatz kommen, sowie das Einmelden von Daten in das Covid-19-Register.

Qualität und Umfang der von den Ländern eingemeldeten Daten sind immer noch recht unterschiedlich, was die Pandemiesteuerung erschwert. „In all diesen Themen ist eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern wichtig“, heißt es in der Stellungnahme des Ressorts. Formelle Beschlüsse sollen dort allerdings keine getroffen werden.

Rauch will bundesweit einheitlich vorgehen

An dem Termin nehmen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) teil. Es soll anschließend keine Pressekonferenz geben. Rauch wird sich tags darauf auch mit den Gesundheitslandesräten beraten, wobei es sich um einen schon länger vereinbarten Termin handle. Die künftige Regelung der Absonderung von CoV-Infizierten werde allerdings Thema sein.

Ob die künftige Regelung bereits beim Sommerministerrat am Mittwoch in Mauerbach kommuniziert werden wird, ist laut Gesundheitsministerium noch offen. Das werde von den finalen Abstimmungen mit den Ländern abhängen. Rauch setzt jedenfalls auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen.

Fachleute sehen Probleme

Ein Aus der Quarantäne wäre umstritten. Der Simulationsexperte Niki Popper sagte gegenüber dem ORF, schon jetzt führten die reduzierten Tests zu einer verringerten Datenlage. Wenn die Quarantäne nun falle, würden sich noch weniger Menschen testen, so Popper. Dann brauche es besondere Maßnahmen, „um vulnerable Menschen zu schützen, also zum Beispiel, wenn man sich nicht impfen lassen kann. Wenn ich weggehe von einer flächendeckenden Lösung, dann muss ich umso mehr stärken die zielgerichteten, konkreten Lösungen für Zielgruppen, die besonders betroffen sind“, so Popper – mehr dazu in wien.ORF.at.

CoV-Gipfel zu Quarantänebestimmungen

Ein Ende der zehntägigen Quarantänepflicht könnte bald kommen. Am Montag berät ein Bund-Länder-Gipfel zu diesem Thema.

Der Virologe Norbert Nowotny sagte, der Zeitpunkt für ein Quarantäne-Aus wäre angesichts der hohen Infektionszahlen ungünstig. „Zum Zweiten sehe ich es als kritisch an, dass infiziertes Personal selbst mit Krankheitssymptomen, solange die keinen Krankenstand rechtfertigen, auch mit Patienten arbeiten dürfen oder auch in Alten- und Pflegeheimen. Das halte ich, auch wenn sie eine FFP2-Maske tragen müssen, für zu gefährlich“, so Nowotny.