Vertreter von Bund und Länder bei Beratung
APA/BKA/Dragan Tatic
Quarantäne-Aus

Keine Einigung auf Bund-Länder-Gipfel

Bund und Länder haben Montagnachmittag über die aktuelle CoV-Situation beraten und unter anderem ein Ende der Quarantäne für Infizierte diskutiert. Kritik kommt unter anderem von der SPÖ, auch aus Vorarlberg, deren Vorsitzende die Ehefrau von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist. Für Dienstagnachmittag wurde nun kurzfristig eine Pressekonferenz von Rauch und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher dazu anberaumt.

Die Überlegungen über ein Absehen von der Quarantäne sorgten bei den SPÖ-regierten Ländern für Ärger. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich in einer Pressekonferenz im Anschluss an den Gipfel am Montag verstimmt. Die Stadt Wien orientiere sich an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und sei gegen das Aus der Quarantäne. „Ich sehe den Vorstoß der Bundesregierung als Schritt in die falsche Richtung.“ Man müsste sich viel mehr auf die Herbstwelle vorbereiten, denn die Infektionszahlen flachen nicht ab. „Wir gehen davon aus, dass wir im Herbst mit einer weiteren Welle zu rechnen haben“, so Ludwig.

Bisher ist die Stadt Wien immer einen strikteren Kurs in Sachen Coronavirus gefahren. Bei der nun bevorstehenden Abschaffung der Quarantäne werde man jedoch die bundesweite Verordnung zur Kenntnis nehmen. Bei 300.000 Pendlern jeden Tag sei es schwer, unterschiedliche Regelungen umzusetzen und durchzuhalten, sagte der Bürgermeister – mehr dazu in wien.ORF.at .

Bürgermeister Michael Ludwig
APA/Georg Hochmuth
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hält das geplante Quarantäne-Aus für den „falschen Weg“

Ludwig kritisierte einmal mehr, dass die SPÖ-regierten Länder zum wiederholten Mal von der türkis-grünen Regierung im Vorfeld nicht eingebunden wurden und aus den Medien vom geplanten Ende der Quarantäne erfahren haben. Vor einigen Tagen war ein Verordnungsentwurf bekanntgeworden, wonach für Infizierte künftig nur noch Verkehrsbeschränkungen gelten sollen. Demzufolge könnte man sich bei einer Infektion mit Maske fast überall frei bewegen. Betretungsverbote gäbe es nur an bestimmten Orten (Spitäler, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen und Horte), allerdings nicht für dort Beschäftigte.

Doskozil: Wesentliche Fragen offen

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) kritisierte in einer Stellungnahme gegenüber der APA nach dem Gipfel, dass „die Bundesregierung wesentliche Fragen und fast alle Details offengelassen“ habe. Ein Strategiewechsel müsste stufenweise angelegt werden, stattdessen würde ein „Hüftschuss mit schwerwiegenden Folgen riskiert“.

Es sei aber zumindest ein Fortschritt, dass die Bundesregierung „ihre parteipolitische Geheimdiplomatie“ aufgebe, meinte er weiters. Besprochen worden seien auf dem Gipfel ausführlich Verbesserungen bei der Verteilung wirksamer Medikamente: „Zuerst ist der Bund in der Pflicht, vorhandene Informationsdefizite beim Einsatz neuer Medikamente zu beheben und zu schauen, dass sie möglichst breitflächig zum Einsatz kommen. Parallel gilt es, das Thema Impfen wieder viel stärker in den Fokus zu bekommen – wozu sich das Burgenland ganz klar bekennt.“

Kaiser: Bundesländer sind ausgesperrt worden

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) beurteilte die Konferenz im Anschluss als „enttäuschend“. Einige Bundesländer seien „von der Erarbeitung der Verordnung ausgesperrt“ worden. Nun solle die Verordnung „entgegen mancher Bedenken von Experten und Bundesländern und trotz steigender Infektionszahlen in Kraft gesetzt werden“.

Es handle sich dabei um einen „Strategiewechsel, für dessen Folgen die Bundesregierung die volle Verantwortung übernehmen muss“, etwa wenn es im Herbst bei einer neuen CoV-Welle oder gefährlichen Virusvarianten Probleme bei der Wiedereinführung von Maßnahmen wie etwa dem Contact-Tracing geben sollte – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Kritik kam auch von der SPÖ in Vorarlberg. „Das Ende der Quarantäne zum jetzigen Zeitpunkt ist die falsche Entscheidung von Gesundheitsminister Rauch“, hieß es in einer Aussendung der Landesparteivorsitzenden Gabi Sprickler-Falschlunger, der Ehefrau Rauchs. „Ein Aus für die Quarantäne in Anbetracht der vor der Tür stehenden Herbstwelle und bereits hoher Sommerzahlen ist mit Sicherheit die falsche Entscheidung von Gesundheitsminister Rauch. Die jetzt schon hohen Infektionszahlen werden durch die Urlaubsrückkehrer und den Schulbeginn nochmals kräftig ansteigen“, so Sprickler-Falschlunger in der Aussendung, die auf Twitter kursiert.

Vorarlberg und Oberösterreich zufrieden mit Ausgang

Barbara Schöbi-Fink hingegen, die aktuell die Vorarlberger Landesregierung leitet, verwies nach dem Gespräch darauf, dass es „deutliche Stimmen“ für ein Ende der Quarantäne gebe. Vorarlberg sei auch dafür. „Wir müssen mit dem Virus leben lernen.“ Sie würde ein Quarantäne-Aus nicht für verantwortungslos halten. Die Stadt Wien habe trotz strengerer Maßnahmen keine besseren Zahlen als Vorarlberg – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at . Für ein Ende der Quarantäne sprach sich etwa der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) aus – mehr dazu in steiermark.ORF.at .

Zufrieden war auch der oberösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Man habe „einen großen Schritt“ in Richtung des von ihm seit Wochen geforderten Paradigmenwechsels gemacht. Er sei „zuversichtlich, dass auch in Österreich bald Realität ist, was in vielen europäischen Ländern im Umgang mit Corona vorgelebt wird. Wer sich krank fühlt, bleibt zu Hause, um andere zu schützen.“ Aber positiv Getestete „zu Hause einzusperren und vom Arbeitsmarkt auszusperren“ sei mittlerweile nicht mehr notwendig, bekräftigte Stelzer seine Haltung.

Vertreter von Bund und Länder bei Beratung
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Bundesregierung und Landeshauptleute waren sich teilweise uneinig. Das Bild stammt aus dem Bundeskanzleramt, da keine Fotografen von außerhalb zugelassen waren

Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP) erklärte gegenüber der APA, das Bundesland trage den Vorschlag des Bundes mit. Leja betonte, dass die anwesenden Experten den Vorschlag zur Quarantäneabschaffung mit „fachlichen Argumenten“ untermauert hätten. Man erwarte sich vom Bund aber „konkrete Maßnahmen für den Schutz besonders gefährdeter Personen, Einrichtungen und Institutionen“. Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer rechnete fix mit einem Aus für die Quarantäne Infizierter. Die Lockerung sei vertretbar, sagte er – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

GECKO-Kommission uneinig

Einig sind sich die Experten allerdings nicht. So gab es auch innerhalb der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) unterschiedliche Meinungen – und nach der letzten Sitzung vor zwei Wochen einen veritablen Konflikt, berichtete die „Presse“. Denn obwohl es in der Sitzung kein Thema war, fand sich darin ein Bericht einer Arbeitsgruppe der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), der als Zustimmung zum Quarantäneende interpretiert werden hätte können – obwohl die Mehrheit der GECKO-Mitglieder den Zeitpunkt für ein Quarantäneende nicht für richtig halte. Sie fassten das als Vertrauensbruch und Versuch der Instrumentalisierung auf und verlangten (erfolgreich) die Streichung aus dem Protokoll. Für Geschäftsstellenleiter Stefan Rakowsky war das aber „nichts Außergewöhnliches“, von der Aufregung habe er nichts mitgekommen.

Verteilung von Medikamenten und Daten diskutiert

Nach Angaben der Regierung wurden auf dem Bund-Länder-Gipfel auch Verbesserungen bei der Verteilung von Medikamenten sowie bei der Lieferung von Daten für das Covid-19-Register diskutiert. Das Register ist seit Mai in Betrieb, derzeit meldet aber erst ein kleiner Teil der Bundesländer regelmäßig seine Daten ein.

Die Bundesregierung mahnte bei den Landeshauptleuten die vollständige Einmeldung der Daten ein, um künftig eine noch bessere Grundlage für den Schutz von Risikogruppen zu erhalten, hieß es. Ludwig wies die Behauptung, dass die Bundeshauptstadt gar keine Daten liefern würde, zurück. Das sei nicht richtig, Wien würde nur einige sensible Daten nicht bereitstellen, weil es schwere Datenschutzbedenken gebe.

„Gerade bei Covid-19 ist die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern essenziell. Das gilt für die Impfung ebenso wie für die Verteilung der Medikamente“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach der Sitzung. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sagte, dass die Unterstützung der niedergelassenen Ärzte nötig sei, um endlich in die Breite zu kommen. „Dazu haben wir schon viele Gespräche geführt. Das Covid-19-Register wird uns helfen, Entscheidungen noch besser als bisher auf einer objektiven Basis zu treffen.“

Quarantäne vor dem Aus

Nach dem Bund-Länder-Gipfel am Montag scheint klar, dass die Quarantäne für positiv auf das Coronavirus getestete Menschen fallen wird – sehr zum Ärger der SPÖ-geführten Bundesländer.

FPÖ: Pläne gehen nicht weit genug

Der FPÖ geht all das Geplante nicht weit genug. Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sah in einer Aussendung auch keinen Anlass mehr für Verkehrsbeschränkungen. Die Erkrankungsschwere und das Hospitalisierungsrisiko lägen inzwischen unter jenem der Grippeviren, welche ja auch nicht im Epidemiegesetz erfasst seien: „Was wir brauchen, ist mehr Hausverstand im Krisenmanagement: Wer krank ist, soll sich krankschreiben lassen und zu Hause bleiben, wer gesund ist, geht arbeiten.“ Zutrittstestungen befürwortet er immerhin für sensible Settings wie Spitäler und Altenheime.

Bericht: Variantenplan kommt

Laut Informationen der Tageszeitung „Heute“ gilt das Quarantäne-Aus bereits als besiegelt. Bis Dienstag soll ein entsprechender Verordnungsentwurf ausgearbeitet werden, der mit 1. August in Kraft treten soll. Dieser dürfte nun Dienstagnachmittag von Rauch und Kocher in einer Pressekonferenz präsentiert werden. Eigentlich war erwartet worden, dass die Entscheidung erst beim Sommerministerrat am Mittwoch vorgestellt wird.

Zudem soll ein Variantenmanagementplan für Österreich aufgestellt werden, der vier Szenarien für die weitere Pandemiebekämpfung enthält. Im ersten Szenario gebe es weder Maskenpflicht noch Zusatzregeln – gröbere Einschränkungen seien jedoch im Falle resistenterer Mutationen geplant.

„Die Einhaltung von nicht pharmazeutischen Schutzmaßnahmen ist vor allem in Infektionswellen mit besonders gefährlichen immunevasiven Varianten unabdinglich. Entsprechend kommt es in diesen Phasen zu starken Einschränkungen im gesellschaftlichen und sozialen Leben“, zitierte „Heute“ aus dem Papier. Neben FFP2-Masken sollen diese Einschränkungen etwa nächtliche Ausgangsbeschränkungen, Ausreisetests und Zusammenkunftsregelungen auch bei privaten Treffen beinhalten.

Auch „Hochrisikosettings“ – wie etwa Großveranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze und Nachtgastronomie – können dann untersagt werden. Im „Worst Case“ käme ein Lockdown, zitierte „Heute“. „In einer epidemiologisch-gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Abwägung ist ein frühzeitiger, kurzer, aber stringenter Lockdown – wenn nicht vermeidbar – vorzuziehen“, heißt es demzufolge in dem Entwurf des Variantenmanagementplans.