Archivaufnahme eines Autowracks
ORF
„50 Pieces“

Die Großeltern von „Fridays for Future“

Von Studierenden organisierte Demonstrationen gegen Umweltverschmutzung in Innsbruck, eine unzufriedene Linzer Bevölkerung über die dreckige Luft durch die Industriegebiete – bereits 1972 beschäftigte die Umwelt die österreichische Bevölkerung, wie das ORF-Archiv zeigt. Auch im Fernsehen und in der Musik spiegelte sich dieses neue Problembewusstsein.

Stimmen für den Umweltschutz kommen vermehrt aus den jüngeren Reihen der Zivilgesellschaft. Die wöchentlichen Klimastreiks der „Fridays for Future (FFF)“-Bewegung oder auch das Lobau-Camp, organisiert von verschiedenen Klimagruppierungen, welche die letzten Monate gegen den geplanten Lobautunnel und die Stadtstraße demonstrierten, machen das mehr als deutlich – ähnlich wie 1972 Innsbrucker Studierende, die bereits damals ihre Stimme gegen die Umweltverschmutzung erhoben.

International waren die 1970er Jahre stark von Umweltthemen geprägt: Gleich zu Beginn des Jahrzehnts gab es den ersten „Tag der Erde“, welcher fortan auf die weltweite Umweltverschmutzung aufmerksam machen sollte. Die Vereinten Nationen veranstalteten später ihre erste Umweltkonferenz (1972), auf welcher auch ihr Umweltprogramm (UNEP) verabschiedet wurde. Noch im selben Jahr machte der Club of Rome mit seinem Bericht auf die natürlichen Grenzen der Erde und des wirtschaftlichen Wachstums aufmerksam.

Umweltthemen standen bereits 1972 hoch im Kurs

50 pieces

So auch hierzulande, wie das ORF-Archiv nun mit seinen „50 Pieces“ zeigt, um den 50. Geburtstag der damals neu gegründeten Landesstudios in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich zu feiern.

Innsbrucker Studierende gegen Autowracks

In Innsbruck wurden die Stimmen aus der Zivilgesellschaft lauter: Studierende setzten es sich zum Ziel, auf die bestehenden Umweltprobleme aufmerksam zu machen und demonstrierten. Wie im ORF-Beitrag ersichtlich, setzte man sich hier unter anderem mit dem durch Autowracks entstandenem Abfall auseinander.

Ein Haufen Autowracks und demonstrative Plakate mit den Worten: „Leitfossil des Jahres 1972 – Autowracks“ versuchten plakativ auf die Verschmutzung aufmerksam zu machen. Das richtige Recycling von Müll spielte somit auch vor 50 Jahren schon eine Rolle – das Auto sollte „an einen geeigneten Ort“ abschleppt werden und „nicht einfach irgendwo stehengelassen" werden, wie der Vertreter der medizinischen Fachschaft der Innsbrucker Studierenden im ORF-Interview damals betonte.

Die „dreckige“ Linzer Luft

In den 1970er Jahren nahm die Luftverschmutzung in der oberösterreichischen Industriestadt Linz beträchtlich zu und wurde vor allem für die zivile Bevölkerung spürbar. Als Folge der industriellen Produktion fanden sich vermehrt Ausstöße von Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Feinstaub in der Luft, welche die Menschen stark belasteten.

Dies spiegelte sich auch im ORF-Beitrag wider, hier drückte die Linzer Bevölkerung ihren Verdruss über die Situation aus: Die Luft war stark verpestet – das trug sogar gesundheitliche Auswirkungen mit sich, Atemwegserkrankungen nahmen in dieser Zeit vermehrt zu. Eine Frau beklagte sich darüber, dass sich der Staub auf ihre Stimmbänder legen würde; ein Mann schilderte den Gestank und die schlechte Luft in Linz.

1972 beklagt sich die Linzer Bevölkerung über die schlechte Luft

50 pieces

Gleichzeitig stieg auch in der Linzer Bevölkerung das Bewusstsein über Umweltschutz und sie hoffte auf Verbesserung. Es gab Versuche durch die Industriekonzerne, die Luftqualität zu bereinigen – spürbar war das jedoch eine lange Zeit kaum: „Es stinkt hier manches Mal fürchterlich, die Luft ist oft zum Schneiden“, äußerte sich der Passant kritisch im Interview gegenüber ORF.

Bereits in den 1980ern verbesserte sich die Situation in Linz aber immens. Die industriellen Auswirkungen auf die Umwelt und die Luftverschmutzung sind stark zurückgegangen – heute spielen sie so gut wie keine Rolle mehr.

Ölpreisschock und ein autofreier Tag

1973 schlug die Ölpreiskrise aufgrund der Folgen des Jom-Kippur-Kriegs mit voller Wucht ein – auch Österreich war betroffen. Der Rohölpreis stieg drastisch an und offenbarte, wie abhängig Länder wie Österreich von fossilen Brennstoffen wie Erdöl waren – ein Umstand, der auch aktuell wieder deutlich wird.

Der Treibstoff im Land war knapp, die Benzinpreise stiegen drastisch an. Die Antwort der Regierung unter Bruno Kreisky: der autofreie Tag. Einmal in der Woche musste aufs Autofahren verzichtet werden, an welchem Tag, war frei wählbar. Ein Aufkleber auf der Windschutzscheibe kennzeichnete den individuell gewählten Tag. Falls das Auto trotzdem genutzt wurde, hatten die Bürgerinnen und Bürger mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Nach wenigen Wochen wurde dieser „autolose“ Tage jedoch wieder abgeschafft.

Archivaufnahme: Autofreier Tag, eine Frau klebt ein Mittwoch-Pickerl auf die Windschutzscheibe
Picturedesk.com/ÖNB-Bildarchiv
Eine Frau klebt ein Mittwoch-Pickerl auf die Windschutzscheibe ihres Autos

Als die Barbapapas einen Vogel retteten

Das Thema Umwelt wurde aber nicht nur immer öfter in der Nachrichtenberichterstattung aufgegriffen, sondern schlug sich auch in der Popkultur dieser Zeit nieder.

Die französisch-japanische Serie Barbapapas (1973-1977), welche immer wieder gesellschaftskritische Themen verarbeitete, widmete 1974 eine Folge dem Thema Umweltverschmutzung. Hier stößt die bunte, birnenförmige Familie der Barbapapas auf Vögel, die aufgrund von Umweltschäden erkrankt sind und nimmt sich deren Pflege an.

Die deutsche Science-Fiction-Serie „Telerop 2009 – Es ist noch was zu retten“ (1974) spielt in einer dystopischen Zukunft im Jahr 2009. Die Umweltzerstörungen der 1970er und 1980er Jahre sind hier so weit gegangen, dass die Menschheit die Erde kaum noch bewohnen kann. Niedriger Sauerstoffgehalt, Smog und eine zerstörte Umwelt machen der übrig gebliebenen Bevölkerung zu schaffen, welche in dieser düsteren „Zukunft“ ums Überleben kämpft.

Joni Mitchell, Yusuf/Cat Stevens und der Beton

Auch in der musikalischen Welt der 1970er lassen sich Umwelt- und Klimathemen immer wieder entdecken. Bereits 1970 besang die kanadische Musikerin Joni Mitchell in ihrem Song „Big Yellow Taxi“ den zunehmenden negativen Einfluss menschlicher Handlungen auf die Umwelt – und spiegelt damit die ökologischen Probleme und Ängste dieser Zeit wider. Mitchell singt von Baumabholzungen für Parkplätze, dem Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung von natürlichen Ökosystemen – Themen, welche die Gesellschaft auch heute noch beschäftigen:

„(…) They took all the trees / Put ‘em in a tree museum / And they charged the people / A dollar and a half just to see ‘em /
Don’t it always seem to go / That you don’t know what you’ve got / Till it’s gone / They paved paradise / And put up a parking lot /
Hey farmer farmer / Put away that DDT now / Give me spots on my apples / But leave me the birds and the bees / Please!(…)“

Im selben Jahr veröffentlichte der britische Künstler Yusuf/Cat Stevens seinen Song „Where do the children play?“, in welchem er auf die steigende Umweltverschmutzung hinwies und bereits damals Themen der ökologischen Nachhaltigkeit thematisierte:

“Well you′ve cracked the sky, scrapers fill the air. / But will you keep on building higher / Til there’s no more room up there? (…) I know we′ve come a long way, /We’re changing day to day, /But tell me, where do the children play?" – Der Künstler verwies auf die technologischen Errungenschaften, aber auch auf die betonierten Straßen der Städte und stellte die wohl berechtigte Frage – wo sollen denn die Kinder spielen?

„Atomkraft? Nein danke“

Aus der heutigen gesellschaftlichen Debatte sind Umweltthemen kaum mehr wegzudenken. Sowohl im politischen Diskurs als auch in der Popkultur haben sie ihren festen Platz gefunden. Immer wieder zeigte sich in den letzten Jahrzehnten, dass es vermehrt Stimmen aus der Zivilbevölkerung sind, die beim Thema Umwelt das Wort ergreifen und Veränderung fordern.

So auch bei zwei Meilensteinen der österreichischen Umweltbewegung: einerseits die Volksabstimmung 1978 und die Antiatombewegung, welche das Aus der Atomkraft in Österreich besiegelten und damit auch die Inbetriebnahme des viel umkämpften AKW Zwentendorf verhinderten. Andererseits die Besetzung der Hainburger Au 1984/85, um den Bau des geplanten Wasserkraftwerks zu verhindern, das die natürlichen Lebensräume der Donau-Auen in Gefahr gebracht hätte.

Auch heute könnte man sich die österreichische Umweltbewegung kaum noch ohne die starken Stimmen aus der Zivilbevölkerung vorstellen, die sich gegen den Klimawandel und für eine gerechte Zukunft einsetzen.