Javier Bardem in „Der perfekte Chef“
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„Der perfekte Chef“

„Papa“ Bardem wird es schon richten

In der bösen Arbeitsplatzkomödie „Der perfekte Chef“ besticht Javier Bardem als väterlicher Unternehmer, der für seinen Machterhalt alles zu tun bereit ist. Bei den spanischen Goyas war der Film der große Sieger – mit insgesamt sechs Auszeichnungen, unter anderen für Bardem und Regisseur und Drehbuchautor Fernando Leon de Aranoa.

Es ist dumm gelaufen. Eigentlich ist Salva ja ein guter Junge, er hat nur die falschen Freunde, die ihn in eine Schlägerei mit diesen aggressiven Arabern reingezogen haben – und was für ein Pech, dass dann die Polizei kam. Aber zum Glück arbeitet Salvas Papa, der alte Fortuna, bei Blanco Waagen, und dort gibt es noch einen Chef vom alten Zuschnitt, einen, der sich kümmert. Der Patron wird’s schon richten.

Tatsächlich ist Julio Blanco (Bardem) in der schwarzen Komödie „Der perfekte Chef“ ein Boss, der wie ein fürsorglicher Feudalherr agiert. „Ich habe keine eigenen Kinder, ihr seid wie meine Kinder“, hören seine Arbeiter. Gönnerhafte Motivationsreden sind Blancos Spezialität, da spricht er von Exzellenz, von Gerechtigkeit und immer wieder von Familie, „mein Bruder“ sagt er zu seinem Produktionsleiter Mirelles und glaubt es in dem Moment offenbar wirklich. „Ihr gehört mir“, sagt er aber auch, und meint es gar nicht böse.

Im Fall von Salva, dem jungen Schläger, reicht ein Anruf bei einem Lokalpolitiker, und Fortuna kann seinen Sohn abholen. Klar, man ist dem Chef jetzt etwas schuldig, Fortunas Unterwürfigkeit kennt gar keine Grenzen mehr. In anderen Fällen ist die Sache komplizierter: Produktionsleiter Mirelles ist in letzter Zeit unkonzentriert, ständig unterlaufen ihm Fehler. Blanco nimmt ihn beiseite, lädt ihn zum Essen ein und schnell wird klar: Offenbar geht Mirelles Frau fremd. Wieder muss der Chef handeln, denn was seine Arbeiter unglücklich macht, schadet der Firma.

Alles bleibt in der Familie

De Aranoa schildert in „Der perfekte Chef“ eine Woche im Leben von Blanco, in der er unter großem Druck steht: Seine Firma ist nominiert für einen wichtigen Wirtschaftspreis, und wenn die Jury vorbeikommt, muss alles glatt laufen. Doch vor den Toren der Fabrik protestiert ein kürzlich entlassener Angestellter, ein Querulant, der mit seinen Kindern im Dreck campiert und sich weigert, seine Transparente abzubauen. Blanco versucht, alle Probleme persönlich zu lösen, doch an diesem Mann beißt er sich die Zähne aus.

Für die schönen Dinge im Leben, im Speziellen für die schöne Marketinganfängerin Liliana, muss aber immer Zeit sein. „Ist das normal, dass der Chef die Praktikantin nach Hause fährt?“, fragt sie großäugig, und er: „Ich kümmere mich gerne. Die Firma ist meine Familie, die Praktikantinnen sind praktisch meine Töchter.“ Blancos Schmierigkeit kennt keine Grenzen. Dass sich der Chef unter den Praktikantinnen eine aussucht, mit der er eine Affäre beginnt, ist nicht neu. Nur Blancos Frau weiß nichts davon.

Schieflage zwischen Persönlichem und Professionellem

Die Beziehungen innerhalb der Firma und ihre Details wirken so spezifisch, dass sich der Verdacht aufdrängt, de Aranoa habe eine konkrete Person als Vorbild gehabt. Im ORF.at-Gespräch anlässlich der Weltpremiere beim Festival in San Sebastian verneint er das: „Natürlich kenne ich Leute, die diese Art Probleme auch am Arbeitsplatz haben. Ich wollte aber primär davon erzählen, wie persönliche Beziehungen in professionelle hineinpfuschen, und wie da die Wechselwirkung ist, wenn die Grenzen nicht klar sind.“

Almudena Amor in „Der perfekte Chef“
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Nachwuchs in der Marketingabteilung: Die schöne Liliana (Almudena Amor) ist Blancos jüngste Eroberung

Gerade die Betonung des Familiären im Arbeitskontext kann ein Warnsignal sein, finden doch auch die meisten Missbrauchsbeziehungen innerhalb der Familie statt – und wenn Blanco in einer seiner Ansprachen sagt, dass „unsere Arbeitsbeziehungen das übertreffen, was im Arbeitsvertrag steht“, dann klingt das vielleicht schön, ist aber in Wahrheit eine implizite Warnung. Der väterliche Chef, der sich um alles kümmert, birgt als Figur zwar großes Potenzial für Humor.

Doch wenn Blanco im Verlauf des Films immer mehr Grenzen überschreitet, um Probleme zu lösen, droht die Stimmung in Horror umzuschlagen. So brillant der Film geschrieben ist, furioses Zentrum des Films ist Bardem. Er kombiniert hier die Verletzlichkeit und Zärtlichkeit seiner Rolle in dem Drama „The Roads not Taken“ mit der unwiderstehlichen Grausamkeit des Raoul Silva in „James Bond 007: Skyfall“, einer schillernden Figur, auf deren Seite das Publikum auch dann noch ist, wenn er ganz offenkundig amoralisch handelt.

Machterhalt um jeden Preis

De Aranoa schrieb Bardem die Rolle auf den Leib, und Bardem gibt jedes Kompliment an seinen Regisseur zurück: „Das war alles schon im Drehbuch, alle Details, ich musste sie nur noch mit Leben erfüllen“, sagt Bardem im Gespräch mit ORF.at. Er spielt Blanco als charmanten Widerling, als einen, der ununterbrochen auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, sich selbst aber als fürsorglich und menschenfreundlich wahrnimmt, egal ob er junge Schläger aus dem Gefängnis holt, junge Mitarbeiterinnen vögelt oder in die Ehe seiner Arbeiter hineinpfuscht.

„Wir alle kennen solche Leute, der ist ja kein spanisches Phänomen. Solche Leute gibt es überall, wo jemand seine Macht behalten will, koste es, was es wolle“, so Bardem. Der Film ist ein scharfsichtiges Porträt einer Form von Unternehmertum, die hinter ihrem jovialen Auftreten beinharten Kapitalismus verbirgt und nicht müde wird, von harter Arbeit zu schwärmen, obwohl Blanco selbst einer Generation von Erben angehört.

Szene aus dem Film „Der perfekte Chef“
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Hauptsache, alles bleibt im Gleichgewicht: Blanco (Bardem) in seiner ererbten Fabrik

Der Klassenkampf findet nicht statt

Der Klassenkampf, der hier im wachsenden Zorn der Belegschaft angelegt ist, bleibt dennoch ausgespart, was schmerzlich, zugleich aber ziemlich witzig ist in dieser Farce über haarsträubende Arbeitsbedingungen. Das war auch die Idee, so de Aranoa: „Es geht auch um mangelnde Solidarität innerhalb der Arbeiterklasse und um die schädliche Vereinzelung – denn wenn einer gefeuert wird, müssen die Leute vereint sein, um dagegen anzukämpfen, sonst haben sie keine Chance gegen den Chef.“

Der Film bleibt konsequent auf Blancos Seite, was zunehmend unangenehm wird, je aufdringlicher und rücksichtsloser er agiert, und je mehr er dabei sentimentale Reden schwingt. Am besten ist „Der perfekte Chef“ in seinen finstersten Momenten, und die Botschaft kommt klar an: Hüte dich vor einem Chef, der vorgibt, dein väterlicher Freund zu sein. Er ist nur Freund seines eigenen Geldes.