Baustelle an einem Einfamilienhaus
ORF.at/Lukas Krummholz
Wohnkredite

Neue Regeln und mögliche Nebenwirkungen

Mit Montag gelten für die Vergabe von Wohnkrediten strengere Vorgaben, was Eigenmittel, Kreditrate und Laufzeit betrifft. Die höheren Hürden sollen in erster Linie helfen, Kreditausfälle zu vermeiden und so die Stabilität des heimischen Bankensystems zu sichern. Als Nebenwirkung könnten sie aber auch die Preise auf dem heimischen Immobilienmarkt zügeln.

Niedrige Zinsen, steigende Immobilienpreise und ein dadurch gestiegenes Interesse an zunehmend höheren Krediten: So stellte sich bis vor Kurzem die Lage am heimischen Immobilienmarkt dar – und ließ bei den Bankenhütern die Alarmglocken läuten. Die Nationalbank (OeNB) beklagte schon länger zu laxe Regeln bei der Kreditvergabe. Anfang 2022 forderte auch der zur Europäischen Zentralbank gehörende Europäische Rat für Systemrisiken von Österreich strengere Vergabekriterien für Immobilienkredite.

Im Juni erließ die Finanzmarktaufischt schließlich eine entsprechende Verordnung, die nun in Kraft tritt. Obergrenzen, die bisher nur als Empfehlung für die Banken gegolten haben, werden damit verpflichtend. Für all diejenigen, die bereits einen Kredit laufen haben, ändert sich dadurch nichts. Für potenzielle Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer bedeutet es aber: Die rechtlichen Hürden, um an einen Wohnkredit zu kommen, sind höher geworden.

Eigenkapital jetzt verpflichtend festgeschrieben

Allerdings fallen nicht alle Verschärfungen gleich stark ins Gewicht. Kaum eine Rolle spielt für künftige Kreditnehmer etwa, dass Kredite nun maximal für 35 Jahre vergeben werden dürfen. Diese Obergrenze wurde bereits jetzt so gut wie nie überschritten. Mehr Auswirkungen hat da schon die Regelung zum Eigenkapital, das Kreditnehmerinnen und -nehmer mitbringen müssen. Dieses muss nun mindestens 20 Prozent des Kaufpreises inklusive Nebenkosten ausmachen.

Ausnahmen

Kredite bis 50.000 Euro sind von den strengeren Regeln nicht betroffen. Das soll Renovierungen und Sanierungen erleichtern.

Banken dürfen überdies bei 20 Prozent ihrer vergebenen Kredite eine der Obergrenzen überschreiten.

Konkret lautet der Passus in der Verordnung, dass die „Beleihungsquote“ bei maximal 90 Prozent liegen darf. Die Quote berechnet sich aus der Kredithöhe dividiert durch den Marktwert der Immobilie. Mit anderen Worten: Die Höhe des Kredits darf maximal 90 Prozent des errechneten Marktwertes betragen. Zählt man noch die Nebenkosten hinzu, die bei einem Immobilienkauf anfallen, ergibt sich als Untergrenze eine Eigenkapitalquote von ungefähr 20 Prozent.

Wer etwa eine Eigentumswohnung um 400.000 Euro kauft (deren Wert von der Bank auch in der Höhe eingeschätzt wird), bekommt einen Kredit von maximal 360.000 Euro. Um zusätzlich zum Kaufpreis auch noch Grunderwerbssteuer, die Kosten für den Grundbucheintrag sowie Anwalt, Notariat und Makler bezahlen zu können, müssen Käuferin und Käufer also rund 80.000 Euro auf der hohen Kante haben.

Hürde für manche zu hoch

Bei den Kreditvergaben der vergangenen Jahre war das nicht immer der Fall. Zwar wiesen die großen heimischen Banken zuletzt mehrfach darauf hin, die bisherigen Empfehlungen schon bisher umgesetzt zu haben. OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber sprach allerdings im Frühjahr davon, dass derzeit mehr als die Hälfte der Kredite mit einem Eigentumsanteil von unter 20 Prozent abgeschlossen wurden.

Zimmer einer Altbauwohnung
ORF.at/Zita Klimek
Unter 6.000 Euro pro Quadratmeter ist etwa in Wien kaum noch eine Wohnung zu bekommen

Wenngleich das nicht bedeutet, dass all diese Kreditnehmer nicht mehr Eigenkapital zur Verfügung gehabt hätten; sondern nur, dass sie es nicht zur Schaffung von Wohnraum einsetzten. Für manche potenziellen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer könnten die neuen Eigenkapitalhürden aber sehr wohl zu hoch sein. Das Vergleichsportal Durchblicker.at analysierte im Frühjahr auf Basis der eigenen Daten, dass bis zu 29 Prozent der Antragsteller an den neuen Regeln scheitern könnten. Die Nationalbank selbst nennt zwar keine konkreten Zahlen, rechnet aber auch „mit einem leicht dämpfenden Effekt auf die Kreditvergabe“.

Fünftel belastet Einkommen mit Kredit übermäßig stark

Zu diesem Effekt beitragen dürfte auch die dritte Neuregelung, die nun in Kraft tritt: Die monatliche Kreditrate darf maximal 40 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen. Um beim vorherigen Beispiel zu bleiben: Bei einem Kredit über 360.000 Euro mit zwei Prozent verzinst und der Ausreizung der maximalen Laufzeit von 35 Jahren liegt die Kreditrate bei rund 1.300 Euro.

Das geforderte Nettoeinkommen müsste dann im Monat (inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld) 3.250 Euro ausmachen. Das entspricht aufs Jahr gerechnet ziemlich genau dem Medianeinkommen der österreichischen Haushalte. Oder anders gesagt: Rund die Hälfte aller Haushalte in Österreich würde in diesem Beispiel an der Kredithürde scheitern.

Grafik zu Immobilienkredite
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OeNB

Tatsächlich greift laut Analyse der Nationalbank derzeit fast ein Fünftel aller Kreditnehmer auf mehr als 40 Prozent des Einkommens zurück. Gerade wer sich für einen variabel verzinsten Kredit entschieden hat, kann in Zeiten steigender Zinsen mit einer – zu – hohen Belastung konfrontiert werden; umso mehr im Fall einer langen Laufzeit, bei der die monatlichen Raten am Anfang kaum die ausstehende Kreditsumme verringern. In Österreich ist der Anteil solcher Kredite relativ hoch. Laut einer Aufschlüsselung der OeNB sind nur sechs Prozent über die gesamte Laufzeit fix verzinst, 44 Prozent gemischt und 50 Prozent sind komplett variabel verzinst. In der Euro-Zone liegt ihr Anteil nur bei 14 Prozent.

Kreditanbieter und Immobranche spielen soziale Karte

Stellen die neuen Regeln nun sicher, dass Menschen sich nicht überschulden – und es nicht zu vielen Kreditausfällen mit einhergehender Gefahr für die Banken kommt? Oder verhindern sie, dass Menschen mit geringerem Einkommen und ohne Erbschaft noch eine Chance auf den Erwerb von Eigentum haben? Die Antwort auf diese Frage hängt – wie so oft – davon ab, wer gefragt hat.

In Kombination mit steigenden Zinsen würden die Banken einen Rückgang des Neugeschäfts um ein Viertel, teils sogar um die Hälfte erwarten, und viele Kundengruppen würden davon abgehalten, Eigentum zu kaufen, sagte im Mai Michael Pisecky, Vizeobmann des Fachverbands der Immobilientreuhänder. Die Immobilienwirtschaft werde etwa junge Familien mit mittleren Einkommen als Kundengruppe verlieren.

Bereits im Februar präsentierte die Bundessparte Banken und Versicherungen der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) eine Studie der Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO. Darin hieß es, dass das Risiko von Kreditausfällen im Wohnbereich für den heimischen Bankensektor überschaubar sei. Zum anderen warnte die Studie vor „sozialpolitischen Auswirkungen“. Vor allem Menschen aus den unteren Einkommensschichten werde mit den neuen Regeln der Zugang zum Wohnungseigentumsmarkt schwerer gemacht.

Ganz ähnlich argumentierte durchblicker-Geschäftsführer Reinhold Baudisch: „Vor allem junge Menschen werden sich keine eigene Wohnung mehr leisten können.“ Freilich gehören Immobilienkredite zum Kerngeschäft – sowohl von Banken als auch einem Vergleichsportal wie durchblicker, das bei erfolgreichem Kreditabschluss eine Provision bezieht.

Positives Urteil von Konsumentenschützern

Anders fiel das Urteil der Arbeiterkammer (AK) im Zuge der Begutachtung der Verordnung aus. Die auch mit Konsumentenschutz betraute Arbeitnehmervertretung begrüßte die strengeren Regeln weitgehend – und konnte sich sowohl bei Eigenmittelanteil als auch Schuldenquote und Laufzeit sogar noch strengere Vorgaben vorstellen.

Manche Banken würden auf Empfehlungen allein nur unzureichend reagieren. „Daraus ist auch der Schluss zu ziehen, dass die im Finanzwesen regelmäßig beklagte ‚Überregulierung‘ auch ein Resultat dessen ist, dass ‚Empfehlungen‘ und ‚freiwillige Verhaltenskodizes‘ eben nur unzureichend eingehalten werden“, so die AK.

Grafik zur Entwicklung der Immobilienpreise
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OeNB Fundamentalpreisindikator

Die Argumentation, wonach die neuen Regeln zu streng seien und die Finanzierung eines Eigenheims vor allem für jüngere Menschen mit geringerem Einkommen und Eigenmitteln noch schwerer werde, seien „zu eindimensional“. Das Ziel solle nicht eine lockere Kreditvergabe, sondern erschwingliche Immobilienpreise und ausreichende Einkommen sein, so die Arbeitnehmervertretung.

Dämpfende Wirkung auf Immomarkt erwartet

Tatsächlich könnten die neuen Regeln auch einen Effekt haben, der Eigentum in Zukunft wieder erschwinglicher macht – oder zumindest die Preissteigerungen der vergangenen Jahre abschwächt. Die steigenden Zinsen in Kombination mit den strengeren Regeln würden „schlussendlich die Nachfrage nach Immobilien senken, wodurch auch die Preise und das Wachstum im Immobiliensektor gedämpft werden“, erwartete zuletzt etwa Patrick Rezazadeh, Geschäftsführer des Wiener Immounternehmens VRG Immobilien.

Auch die OeNB sah im Juni gerade in einer „Überhitzung“ des Immobilienmarkts ein Argument, um die neuen Regeln „frühestmöglich“ einzuführen. Allerdings: Wie schnell und in welchem Ausmaß die neuen Regeln tatsächlich auf die Preise durchschlagen, traut sich derzeit – auch angesichts von Inflation und steigenden Rohstoffpreisen – kaum jemand zu prognostizieren.