Documenta: Unterbrechung nach neuen Vorwürfen gefordert

Nach erneuten Antisemitismusvorwürfen fordern die Gesellschafter der documenta in Kassel gestern, die diskutierten Zeichnungen „bis zu einer angemessenen Kontextualisierung“ aus der Ausstellung zu nehmen.

Die FDP forderte gar einen vorläufigen Stopp der Kunstschau. „Die neuerlichen Antisemitismusvorwürfe offenbaren einen Abgrund. Die documenta muss sofort unterbrochen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Die Vorfälle müssten zunächst aufgeklärt und die Ausstellung umfänglich auf weitere antisemitische Werke und Inhalte überprüft werden.

Rücktritt und Reform

Die documenta, die neben der Biennale in Venedig zu den wichtigsten Kunstausstellungen der Welt gehört, wird schon seit Anfang des Jahres von Antisemitismusvorwürfen überschattet. Damals gab es erste Stimmen, die dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur antiisraelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni war dann ein Banner mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgebaut worden.

In der Debatte über die Aufarbeitung des Vorfalls und den Streit über das weitere Vorgehen musste die Generaldirektorin der Ausstellung, Sabine Schormann, vor knapp zwei Wochen zurücktreten. Zudem wurde beschlossen, dass die Ausstellung auch mit Hilfe externer Experten und Expertinnen grundlegend reformiert werden soll.

Neue Vorwürfe: Werk „nicht strafrechtlich relevant“

An Mittwoch wies die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen auf weitere antisemitische Arbeiten hin. Es handelt sich um Darstellungen in einer Broschüre, die 1988 in Algier erschienen ist. Die darin enthaltenen Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly zeigen Soldaten mit Davidstern am Helm als Roboter mit entblößten Zähnen. Auf einem anderen Bild wehrt sich eine Frau gegen einen israelischen Soldaten mit übergroßer Hakennase.

Die documenta wies die Vorwürfe zurück. Das historische Archivmaterial sei vor rund drei Wochen vorübergehend aus der Ausstellung genommen worden, um es eingehender zu betrachten. „Nach der Untersuchung gibt es zwar eine klare Bezugnahme auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, aber keine Bebilderung von Juden ‚als solchen‘“, hieß es in einer Stellungnahme. Das Werk sei als strafrechtlich nicht relevant eingestuft worden.

Kritik vom Zentralrat der Juden

Seitens des Zentralrats der Juden in Deutschland hieß es jedoch: Seit Wochen diskutiere das Land über Antisemitismus, die Leitung der documenta tue jedoch weiter so, als ginge sie das nichts an.

„Diese documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen“, so der Präsident Josef Schuster. Und weiter: „Dass diese documenta wirklich bis zum 25. September laufen kann, erscheint kaum mehr vorstellbar“, betonte Schuster.