Sandbank am italienischen Fluss Po
APA/AFP/Marco Sabadin
Stadt, Land, Schluss?

Was sinkende Flusspegel bedeuten

Ob Colorado River in den USA, der Po in Italien, die Thaya in Tschechien oder die Donau in Österreich, überall zeigt sich das gleiche Bild: Den Flüssen geht das Wasser aus. Doch was bedeuten sinkende Flusspegel? Für die Umwelt, aber auch für die Wirtschaft wie die Schifffahrt? Und wie lässt sich entgegensteuern? Experten geben Auskunft.

„Colorado River schwindet im Zeitraffer“, „Das Po-Delta droht zur Wüste zu werden“, „Tonnenweise Fische in Fluss in Tschechien verendet“ und „Trockenheit verschärft Probleme für Donauschifffahrt“, aktuelle Schlagzeilen wie diese belegen: Das Weltklima wird auch für die Flüsse zunehmend zum Problem. Seitens des Science Media Center (SMC) heißt es: „Wegen zunehmender Dürre und Hitze durch den Klimawandel dürften solche niedrigen Pegelstände in Zukunft häufiger zu erwarten sein.“

Und weiter: „Angesichts dessen scheint es sinnvoll zu sein, Verkehr, Industrie und Wasserwirtschaft möglichst bald auf diese Niedrigwasser vorzubereiten und Schritte einzuleiten, um die Ökosysteme der Flüsse zu schützen, um die Folgen so klein wie möglich zu halten.“ Doch nicht alle Maßnahmen seien geeignet, einige würden sogar mehr schaden als nützen, so das SMC. Als Beispiele werden hier zusätzliche Staustufen und das Vertiefen von flachen Stellen im Fluss genannt.

Tschechische Feuerwehrleute entfernen tote Fische aus dem Fluss Thaya
AP/CTK/Patrik Uhlir
Grund für das Fischsterben in der Thaya ist laut Fachleuten Sauerstoffmangel im Wasser wegen einer Massenvermehrung von Blaualgen

Gefahr für Biodiversität

Gerade, was die Flussökosysteme betreffe, bedürfe es größerer Aufmerksamkeit gegenüber den Risiken wie dem Verlust von Biodiversität, warnt der deutsche Experte Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Dadurch, dass sich bei Niedrigwasser etwa der Anteil von gereinigtem Abwasser in Fließgewässern erhöhe, komme es zu höheren Konzentrationen von Schad- und Nährstoffen im Wasser.

Das wiederum führe zu Fischsterben. Und „wenn Fische sterben, sterben natürlich auch andere Organismen wie Muscheln und Insektenlarven“, so Rinke, der hier drastische Änderungen in der Abwasseraufbereitung fordert. Dazu komme, dass sich durch die Hitze auch das Wasser stärker erwärme und einige an kühlere Temperaturen gewöhnte Arten nicht mehr in den geänderten Verhältnissen leben könnten, während gleichzeitig andere Arten aus wärmeren Gebieten eindringen würden.

Bäume an einem Flussufer
ORF.at/Christian Öser
Gerade bei kleineren Fließgewässern können Bäume als kühlende Schattenspender dienen

Beschattung durch neue Bäume

Besonders starke Erhitzung trete Rinke zufolge in Staubereichen auf, wo es zu einer Massenentwicklung von Cyanobakterien, also Blaualgenblüten, komme. „Diese Entwicklung ist bedenklich, denn Cyanobakterien können Giftstoffe produzieren und belasten den Sauerstoffhaushalt. Auch treten hier verstärkte Treibhausgasemissionen, zum Beispiel Methanemissionen, auf.“ Die Installation von zusätzlichen Staudämmen bewertet der Experte daher als „kritisch“. Bei kleineren Gewässern könnte stattdessen etwa Beschattung durch neue Bäume Abhilfe schaffen.

Klar ist: „Trocken gefallene Flussbette sind ein Totalverlust für die Flora und Fauna des Gewässers“, so Rinke. Laut Klimaprognosen gebe es zwar nur einen geringen negativen Trend in den Niederschlägen, aber eine Verschiebung vom Sommer in den Winter. „Das heißt, der ohnehin feuchtere Winter wird noch feuchter und die Sommer trockener und länger. Die Anfälligkeit für Dürreverhältnisse steigt also definitiv“, zeigt sich der Experte überzeugt.

Ein Flusskreuzfahrtschiff in Bayern auf der Niedrigwasser führenden Donau
APA/dpa/Armin Weigel
Auch die Donauschifffahrt kämpft mit der Trockenheit

Neue Schiffe, neue Infrastruktur

Nicht zuletzt haben niedrige Wasserpegel auch einen Effekt auf die Schifffahrt. Jonathan Köhler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung erklärt: Je niedriger der Wasserstand ist, desto leichter müssten die Schiffsladungen sein. Wenn der Pegel zu weit falle, müsse die Schifffahrt eingestellt werden: "Derzeit zum Beispiel fahren Flusskreuzfahrtschiffe auf der Donau nicht weiter als von Deutschland bis Bratislava.“ Ausbaggern sei keine Lösung, so Köhler. „Weil es schlecht für Tiere, Pflanzen und den Wasserhaushalt und weil der Aufwand, mehrere Strecken dauernd auszubaggern, nicht praktikabel ist.“

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Wenn Schiffe also in Zukunft genauso viel Fracht wie jetzt transportieren sollen, müssten diese entweder breiter, länger oder höher als die heutigen sein. Das wiederum führe dazu, dass man die bestehende Infrastruktur, von Schleusen bis zu Brücken, anpassen müsse. Mehrkosten würden aber auch entstehen, wenn man die großen Schiffe durch mehrere kleinere ersetze.

Negative Folgen auch für Klimapolitik

„Die Folge davon könnte sein, dass sich Frachtverkehr vom Binnenschiff auf Land verlagert", so Köhler. Da die Bahnkapazitäten beschränkt seien, bestehe das Risiko, dass der Verkehr auf die Straßen verlagert wird. Was dann wiederum den Klimazielen widersprechen würde.

Ähnlich verhält es sich mit der Energiewende: Sind die Pegelstände zu niedrig, können Wasserkraftwerke weniger Strom produzieren. Energieanbieter müssen dann auf herkömmliche Energiequellen wie Gas zurückgreifen.