Alex Jones in einem Gerichtssaal in Travis County
Reuters/ Briana Sanchez
Alex Jones

Gericht entlarvt Verschwörungstheoretiker

Jahrelang galt Alex Jones als einer der einflussreichsten US-Verschwörungstheoretiker. Über seine Plattform Infowars verbreitete er unter anderem die Lüge, das Schulmassaker von Sandy Hook mit 26 Toten im Jahr 2012 sei lediglich inszeniert gewesen – es seien keine Kinder gestorben, bei den Eltern handle es sich um Schauspielerinnen und Schauspieler, und der Angriff sei von der Regierung arrangiert worden, um das Recht auf Waffentragen einschränken zu können. Jones wurde bereits mehrfach wegen dieser Behauptung geklagt und muss den Eltern eines getöteten Kindes laut Gericht nun „mindestens 4,1 Millionen Dollar“ zahlen.

Jones muss sich seit Ende Juli vor dem Gericht in Austin, Texas, in einem Verleumdungsprozess verteidigen, den die Eltern eines sechsjährigen Opfers angestrengt hatten. Am Donnerstag entschied das texanische Gericht, dass er den Eltern mindestens 4,1 Millionen Dollar (vier Mio. Euro) zahlen müsse, da er fälschlicherweise behauptet hatte, die Schießerei sei ein Scherz gewesen.

Die Geschworenen werden laut der Nachrichtenagentur Reuters auch über die Forderung der Eltern nach bis zu 75 Millionen Dollar Strafschadenersatz gegen Jones beraten. Jones hatte in den vergangenen Jahren bereits vier Prozesse zu Sandy Hook verloren. Aus diesen sind nun drei aktuelle Prozesse zu Schadensersatzansprüchen hervorgegangen.

Beim derzeit laufenden ersten Verfahren musste Jones einen Rückschlag nach dem anderen einstecken. Zuletzt gestand der 48-Jährige am Mittwoch seine Lüge ein. Was bei dem tödlichsten Schulmassaker in der Geschichte der USA geschehen sei, sei „100-prozentig real“, so Jones in seiner Aussage. Es sei „verrückt“ gewesen, das Massaker als inszeniert zu bezeichnen, so Jones, der auch die Verbreitung von Verschwörungstheorien zu anderen Tragödien wie den Massakern von Parkland und Las Vegas eingestand.

Zweifel an Aufrichtigkeit

Zuvor hatten die Eltern des sechsjährigen Opfers ausgesagt und von ihrem anhaltenden Trauma sowie Belästigungen und Attacken durch Anhänger von Jones berichtet. „Einen Sechsjährigen zu haben, dem im Klassenzimmer in die Stirn geschossen wird, ist unerträglich. Dass es darüber hinaus noch jemanden gibt, der immer wieder die Lüge wiederholt, dass es eine Lüge war, dass es ein Fake war, dass es nicht passiert ist, dass ich eine Schauspielerin bin… Glauben Sie wirklich, dass ich eine Schauspielerin bin?“, so die Mutter an Jones.

Jones richtete auch eine Entschuldigung an die Eltern. Allerdings kommen in dem Prozess große Zweifel an Jones’ Aufrichtigkeit hoch – nicht nur, weil er sich parallel zum laufenden Prozess in seiner Show beleidigend über das Verfahren, die Richterin und die Jury äußerte. Vor allem schlug ein Leak von Jones’ Smartphone-Inhalten hohe Wellen, den der Anwalt der Eltern, Mark Bankston, am Mittwoch enthüllte.

Anwalt schickte versehentlich Smartphone-Kopie

Laut Bankston habe Jones’ eigenes Anwaltsteam ihm versehentlich eine Kopie von Jones’ Smartphone-Daten zugeschickt. Es handle sich um mehrere Gigabyte an Daten. In den Nachrichten gehe es auch um Sandy Hook. Brisant daran: Das Gericht hatte nur zwölf Tage zuvor offiziell Nachrichten zu Sandy Hook auf Jones’ Smartphone angefordert, Jones hatte aber stets behauptet, er habe keine. Bankston warf Jones nun vor, er habe gelogen und dem Gericht bewusst Beweismaterial vorenthalten, Jones habe eindeutig Textnachrichten zu Sandy Hook verfasst.

Der Inhalt von Jones’ Smartphone könnte auch für den Untersuchungsausschuss zum Angriff auf das Kapitol am 6. Jänner des Vorjahres von Interesse sein. Der Verschwörungstheoretiker galt stets als Unterstützer des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und hielt am Tag des Angriffs eine Rede vor dessen Unterstützern. Seither steht auch Jones’ Rolle im Interesse der Ermittler. „Wir kooperieren umfänglich mit den Ermittlern und der US-Regierung, wenn sie interessiert daran sind, das Material zu sehen“, so Bankston.

800.000 Dollar Einnahmen pro Tag

Der Anwalt präsentierte auch Dokumente, die Jones’ Zahlungskraft beweisen sollen. Bankston zufolge habe Jones zu Spitzenzeiten bis zu 800.000 Dollar pro Tag eingenommen. Jones war mit seinem Kanal und dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln, Survivalprodukten, Waffenzubehör und Merchandise reich geworden.

Das ist insofern zentral, als die Anklage Jones vorwirft, bei vorgehenden Prozessen Millionen seines Vermögens in Briefkastenfirmen versteckt zu haben. Zuletzt meldete Jones für die Firma hinter Infowars den Bankrott an. Die Verteidigung vermutet, dass Jones das Verfahren damit weiter verzögern will.

Im Hauptprozess haben nun die Beratungen begonnen, ob Jones Entschädigung oder Strafe zahlen muss. Sollte das der Fall sein, wird die Höhe in einem separaten Verfahren entschieden, in dem es auch um Jones’ Vermögensverhältnisse gehen wird. Seine Verteidiger baten die Jury, den Schaden auf acht Dollar zu begrenzen. Jones selbst sagte, jede Zahlung über zwei Millionen würde das Unternehmen „versenken“.