Der Frachter „Star Helena“ beim Auslaufen aus dem Hafen
Reuters/Serhii Smolientsev
Getreideexporte

Zweiter Konvoi aus Ukraine ausgelaufen

Aus der Ukraine sind weitere Frachter mit Getreide an Bord ausgelaufen. Es handle sich um vier Schiffe, hieß es am Sonntag. Insgesamt hätten sie rund 170.000 Tonnen Getreide an Bord. Der erste Frachter seit Beginn des Krieges hatte die Ukraine am Montag verlassen. Anders als geplant wird die „Razoni“ allerdings nicht am Sonntag an ihrem Ziel im Libanon ankommen. Wieso, ist nicht wirklich klar.

Die Nachricht vom Auslaufen der vier weiteren Schiffe aus Häfen am Schwarzen Meer kam am Sonntag vom ukrainischen Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow. Der nächste Konvoi sei unterwegs, schrieb er auf Twitter. Die Frachter „Mustafa Necati“, „Star Helena“, „Glory“ und „Riva Wind“ hätten gemeinsam rund 170.000 Tonnen Getreide und andere Lebensmittel an Bord, hieß es.

Mit dem Eintreffen des Frachters „Fulmar S“ am Samstag, laut Kubrakow dem ersten Schiff, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges zuvor zum Laden in ukrainische Hoheitsgewässer eingelaufen war, äußerte er die Hoffnung, die Frequenz der Schiffe bald deutlich erhöhen zu können. Ukrainische Häfen sollten 100 Frachter pro Monat abfertigen können, schrieb der Minister ebenfalls auf Twitter. In einem weiteren Beitrag hatte er sich als Ziel den Export von über drei Mio. Tonnen Getreide pro Monat gesteckt.

Warten auf „Razoni“ im Libanon

Der Frachter „Razoni“, der Anfang der Woche in Odessa mit Kurs auf Tripoli im Libanon abgelegt hatte, wird währenddessen nicht wie ursprünglich vorgesehen, noch am Wochenende dort ankommen. Gründe dafür nannte die Ukraine keine, es hieß am Samstag lediglich, das Schiff habe Verspätung. Schifffahrtsdaten auf MarineTraffic.com zeigten die „Razoni“ Sonntagfrüh vor der türkischen Küste. Der Frachter hat rund 26.500 Tonnen Mais geladen.

Der Frachter  „Razoni“
Reuters/Mehmet Emin Caliskan
Spekulationen über Kurs von Frachter „Razoni“ – er ist verspätet

Nach ihrem Auslaufen und der Fahrt durch den zwischen den Kriegsparteien vereinbarten Korridor im Schwarzen Meer folgte eine Inspektion am Bosporus unter anderem durch türkische und russische Experten. Danach durfte der Frachter seine Fahrt fortsetzen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS berichtete nun, der Frachter werde am Dienstag in Tripoli anlegen – er habe seine Route geändert. Zwischendurch war auch spekuliert worden, der Frachter werde überhaupt nicht im Libanon anlegen, die Ladung werde womöglich anderswo verkauft.

Ladung weiterverkauft?

Sonntagmittag hieß es, zumindest ein Teil der Fracht auf dem Schiff könnte nach Syrien weiterverkauft werden. Es habe „viel Rummel“ um die „Razoni“ gegeben, sagte Hani Bohsali, Präsident des Konsortiums für Lebensmittelimporte im Libanon.

„Die Welt stellt sich ein Hilfsschiff vor, das die Libanesen aus ihrer finanziellen Misere rettet. Offen gesagt ist das nicht der Fall“, sagte Bohsali. „Der Libanon braucht Weizen, keinen Mais.“ Bis jetzt habe niemand das Gut auf der „Razoni“ öffentlich beansprucht. Mehr Klarheit werde es erst geben, wenn das Schiff tatsächlich anlege und die Ladung gelöscht werde.

Kiew ist vorsichtig

Samstagabend durfte der zweite Getreidefrachter die Meerenge Bosporus in Richtung Mittelmeer passieren. Nach einer internationalen Kontrolle in Istanbul hatte das mit 33.000 Tonnen Mais aus der Ukraine beladene Schiff die Erlaubnis zur Weiterfahrt erhalten. Zwei weitere Schiffe wurden erwartet.

Kontrolle des Frachters „Razoni“ in Istanbul
Reuters/Türkisches Verteidigungsministerium
Inspektion der Fracht im Schwarzen Meer: Es darf nur Getreide geladen sein

Die Wiederaufnahme der ukrainischen Getreideexporte gilt als wichtig für die Stabilisierung der Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt. Vorerst will Kiew aus Sicherheitsgründen allerdings täglich nur drei Schiffe ablegen lassen.

Schlechtes Jahr für ukrainische Landwirtschaft

Ukrainische Landwirte stehen trotz der Wiederaufnahme der Getreideexporte über das Schwarze Meer unter starkem Druck. In diesem Jahr würden absehbar nur rund 20 Millionen Tonnen Weizen geerntet, etwa zwei Drittel des Ertrags im Vorjahr vor Beginn des russischen Angriffskrieges, sagte der ukrainische Vizelandwirtschaftsminister Taras Wyssozkyj den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe (Sonntag-Ausgaben). Bisher seien außerdem „mindestens 20 Landwirte bei ihrer Arbeit ums Leben gekommen, weil sie über Minen gefahren sind", so Wyssozkyj.

Getreidelieferung verzögert sich

Das Getreideschiff „Razoni“, das vor wenigen Tagen aus der Ukraine aufgebrochen ist, soll später als geplant im Libanon ankommen. Es ist der erste Transport seit Kriegsbeginn und für viele Länder sehr wichtig.

Ertragreichste Anbauflächen in der Kriegszone

„Wir müssten monatlich sechs Millionen Tonnen Getreide exportieren“, sagte der stellvertretende Agrarminister. Ende Juli hatten Russland und die Ukraine mit der Türkei und den Vereinten Nationen ein Abkommen zur Getreideausfuhr über die bis dahin durch den Krieg blockierten ukrainischen Schwarzmeer-Häfen vereinbart. „Wir hoffen, dass unsere internationalen Partner darauf achten, dass alle Vereinbarungen eingehalten werden“, sagte Wyssozkyj. „Grundsätzlich bin ich aufgrund des Abkommens aber optimistischer als noch im März.“

Die ertragreichsten Getreideanbaugebiete der Ukraine befinden sich in den aktuellen Kriegsregionen. Die Ukraine wirft Russland immer wieder vor, Getreide aus besetzten Gebieten zu stehlen. Experten zufolge sind der Grund für den erwarteten Rückgang der Ernte allerdings nicht nur das Kriegsgeschehen sowie Minen und Verunreinigungen auf den Feldern, sondern vor allem auch die Trockenheit in diesem Jahr.