COFAG am Wiener Donaukanal
ORF.at/Roland Winkler
Nach RH-Rohbericht

„Grobe handwerkliche Mängel“ bei COFAG

Der Rohbericht des Rechnungshofs (RH) zur Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) sorgt für neue Konflikte in der heimischen Politik. Die Prüfer kritisierten Genese, Zusammensetzung und mangelnde Transparenz der Agentur scharf. Auch der Innsbrucker Verwaltungsjurist Peter Bußjäger geht mit der COFAG hart ins Gericht. Die Opposition sieht sich bestätigt, die ÖVP verteidigt die Vorgangsweise der Regierung.

Die Kritikpunkte der Prüfer summieren sich zu einer langen Liste, wie am Dienstag „Falter“ und „Standard“ berichteten. Die COFAG verteilte oder gewährte angesichts der Pandemie in etwas mehr als einem Jahr 17 Milliarden Euro. Darunter waren den Berichten zufolge auch hohe Geldleistungen für externe Berater: Rechtsanwälte der Wiener Sozietät Schönherr sollen etwa bei einem Tagsatz von 4.032 Euro insgesamt 2,57 Mio. Euro kassiert haben. Alle Beratungsleistungen zusammen hätten 21 Millionen Euro verschlungen, während die vorhandenen Fachleute im Finanzministerium nicht eingebunden gewesen seien.

Die COFAG sei innerhalb von vier Tagen entworfen und im Nationalrat beschlossen worden. Einen rechtlichen Auftrag des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) habe es nicht gegeben, es sei kaum etwas dokumentiert worden. Die Rechnungsprüfer hätten sich auf persönliche Mitschriften verlassen müssen.

Durch die Abwicklung der CoV-Hilfen habe zudem ein „erhebliches Risiko für Überförderungen“ bestanden, so habe etwa ein Handelsbetrieb in Summe 16,2 Mio. Euro erhalten, weil er 47 Tochtergesellschaften hatte – etwa ein Fünftel der ansuchenden Betriebe haben hingegen rund 2.500 Euro erhalten.

Rechnungshof kritisiert COFAG

„Entscheidung hat sich als richtig erwiesen“

Auch die Entlohnung des vorübergehenden Geschäftsführers Bernhard Perner wurde vom Rechnungshof kritisch hinterfragt. Perner sei als vorläufig interimistischer COFAG-Geschäftsführer auf doppelter Gehaltsschiene gefahren, so der „Falter“. 280.000 Euro seien im „Rumpfjahr“ 2020 von der ABBAG gekommen, 175.000 Euro habe die COFAG dazugegeben. Das sei geschehen, obwohl Perner – er war seit 2016 Geschäftsführer der Bankenabbaugesellschaft ABBAG – laut Arbeitsvertrag mit der ABBAG Dienste bei Töchtern wie eben der COFAG ohne zusätzliches Entgelt leisten müsste.

Ex-Finanzminister Gernot Blümel
APA/Herbert Neubauer
Gernot Blümel

Dass Finanzminister Blümel Perners definitive Bestellung zum COFAG-Geschäftsführer außerdem vier Monate auf dem Schreibtisch habe liegen lassen, obwohl das den Fristen des Stellenbesetzungsgesetzes des Bundes widerspreche, habe Perner von März 2020 bis Dezember 2020 den Zuverdienst von 8.750 Euro im Monat abgesichert. Erst dann seien die Einkommensverhältnisse geregelt worden.

Das alles und noch weitere Kritikpunkte konnte das Finanzministerium am Dienstag nicht nachvollziehen. „Wir waren und sind der Überzeugung, dass die Abwicklung der Unterstützungsleistungen durch die COFAG die schnellste und effizienteste Methode war, um rasch Hilfe bereitzustellen. Die Entscheidung hat sich als richtig erwiesen“, hieß es in einer Stellungnahme. „Kritik, Kommentare und Empfehlungen des Rechnungshofes werden natürlich umgesetzt.“

„Darf in dieser Form nicht stattfinden“

Diese Umsetzungen werden für die vergangenen Geldvergaben zu spät sein. Wo im Rahmen des Gesetzes Rückförderungen möglich sind, wird man das prüfen lassen müssen, so Jurist Bußjäger zum Ö1-Mittagsjournal. „Wenn Zahlungen aber rechtskonform ausgeschüttet wurden – worauf auch einiges hindeutet – wird man sich mit Rückforderungen schwertun.“ Dass die COFAG auf die Beine gestellt wurde, sei an sich „nicht von vornherein schlecht“, es komme aber auf die Rahmenbedingungen an. Die vom RH kritisierten Vorgänge wie mutmaßliche Mehrfachbezüge der Geschäftsführung oder die Gefahr der Überförderungen dürfe „trotzdem in dieser Form nicht stattfinden“, so Bußjäger.

Der Experte ist der Ansicht, dass Alternativen trotz des Zeitmangels zu prüfen gewesen wären. „Was bekannt ist aus dem Rohbericht, dass überhaupt keine Unterlagen zu Alternativen geprüft wurden, das sind grobe handwerkliche Mängel.“ „Es ist ganz typisch, dass an der Verwaltung vorbei eine politische Entscheidung umgesetzt wurde“, so Bußjäger. Dabei sei offenbar nicht auf die Expertise der eigenen Fachabteilungen gesetzt, sondern teure externe Expertise zugekauft worden. Auch an der Verteilung hegt Bußjäger Kritik: „Man kann meiner Einschätzung nach nicht einfach Unternehmen, die bestimmten Branchen angehören, ohne Plausibilitätskontrolle Geld zukommen lassen.“

Da es um Steuergeld geht, gehöre auch die Mehrfachbezahlung Perners auf Rückzahlungen „zumindest geprüft“, so Bußjäger. „Wenn man sich die Höhe ansieht und betrachtet, dass der Geschäftsführer offenbar ein Einkommen von drei verschiedenen Institutionen bezogen hat, dann fragt man sich schon, wie das alles gerechtfertigt sein kann.“

Brunner: Externe Berater waren notwendig

Die ÖVP verteidigte am Mittwoch die Einrichtung und Vorgangsweise der COFAG: Die Gründung sei damals „Gebot der Stunde“ gewesen, so Generalsekretärin Laura Sachslehner. Unternehmen und Arbeitsplätze seien abgesichert worden. Das zuständige Finanzministerium werde den Rohbericht nun prüfen. Blümels Nachfolger, Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagte: „Wir greifen selbstverständlich die Kritik auf und haben bereits Empfehlungen umgesetzt. Zum Beispiel wurden Hilfen bereits adaptiert“, so Brunner zur APA. „Aber es war damals notwendig, schnell zu reagieren, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern und Hunderttausende Jobs zu retten“, so Brunner.

Im Rückspiegel der Zeit sei es natürlich leichter, Dinge anders zu beurteilen. Die Verantwortlichen seien damals unter großem Zeit- und Entscheidungsdruck gestanden. Und man sei dabei mit vielen Dingen zum ersten Mal konfrontiert gewesen. Die externen Berater seien notwendig gewesen, aber deren Vergütung sei durchaus branchenüblich gewesen, sagte Brunner.

ORF-Redakteurin Battisti über Gründung der COFAG

Barbara Battisti aus der ORF-Wirtschaftsredaktion spricht über die damalige Gründung der COFAG. Außerdem spricht sie darüber ob es auch zu Rückzahlungsforderungen kommen könnte.

Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli sah gegenüber Ö1 das Finanzministerium unter der Führung des Koalitionspartners in der Verantwortung. Dank der Grünen gebe es nun zumindest eine Transparenzoffensive, nach der bald auch COFAG-Hilfen ab 10.000 Euro öffentlich einsehbar seien.

Oppositionskritik reißt nicht ab

Für die Opposition reicht das nicht. SPÖ, FPÖ und NEOS hatten die COFAG von Anfang an als „Blackbox“ ohne Transparenz kritisiert. „Brunner verteidigt ein Schlamassel, das nicht zu argumentieren ist. Die COFAG war von vornherein immer ein Konstrukt, das ausschließlich dazu geeignet ist, Geld möglichst unkontrolliert und ungeniert zu verteilen“, so SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Es sei zynisch, wenn der Finanzminister sage, man habe aus den Fehlern gelernt. „Blöderweise erst, nachdem das Geld weg war“, so Krainer.

„Hier wurde von ÖVP und Grünen ein Moloch geplant, um viel Geld mittels Freunderlwirtschaft zu verteilen“, hieß es am Mittwoch von FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem freiheitlichen Wirtschaftssprecher Erwin Angerer. Kickl hatte sich zuvor schon für die Auflösung der COFAG ausgesprochen.

NEOS kritisierte am Dienstag „die zahlreichen Missstände“: „Ohne zusätzlichen Nutzen wurde eine Stelle geschaffen, die die Auszahlung von Corona-Hilfen lediglich verkompliziert hat und ein reiner Selbstzweck für Kurz-Intimus Perner war“, hieß es in einer Aussendung von NEOS-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer.

17 parlamentarische Anfragen

Ein von der Opposition verlangter Unterausschuss zum Budgetausschuss wurde von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne verweigert. Diese verwiesen stets auf genügend mögliche Information im COFAG-Beirat. Ihre Sessel dort ließen SPÖ, FPÖ und NEOS aber wiederum aus Protest unbesetzt. Der Beirat sei zahnlos, weil dort das Bankgeheimnis einzuhalten sei. Mit parlamentarischen Anfragen – 17 an der Zahl – hatte sich die Opposition die Zähne ausgebissen und keine Antworten zu Beraterkosten, Hilfszahlungen und Co. erhalten.

Die COFAG hat nun die Möglichkeit, auf den 196-seitigen Rohbericht zu antworten, danach wird der Rechnungshof seinen Endbericht erstellen. Die Aufarbeitung der COFAG-Hilfen hat damit erst begonnen.