Autor Salman Rushdie wird auf einer Bühne nach einem Messerangriff behandelt
AP/Joshua Goodman
„Satanische Verse“

Autor Rushdie auf Bühne niedergestochen

Der Autor Salman Rushdie ist am Freitag auf einer Bühne im US-Bundesstaat New York attackiert worden. Ein Mann habe ihn in Hals und Brust gestochen, hieß es von der Polizei. Der Angreifer wurde festgenommen. Rushdie, Verfasser der „Satanischen Verse“, erhielt über Jahre unzählige Morddrohungen bzw. war wegen seines Werks vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini seinerzeit praktisch zum Tod verurteilt worden.

Der Angriff auf den indisch-britischen Autor ereignete sich laut Bericht der „New York Times“ um etwa 10.45 Uhr (Ortszeit), kurz nachdem Rushdie die Bühne für eine Lesung an der Chautauqua Institution, einem Bildungszentrum in der gleichnamigen Kleinstadt nahe Jamestown, betreten hatte.

Augenzeugen bestätigten gegenüber Medien die Attacke auf Rushdie, hatten aber erst nicht sagen können, wie oder womit diese ausgeführt wurde. Ob oder wie stark der 75-Jährige verletzt wurde, war erst ebenfalls unklar. Polizei und Rettung seien zum Veranstaltungsort gerufen worden, hieß es im US-Sender CNN. Danach teilten die Behörden mit, der Autor sei mehrfach in Hals und Brust gestochen worden. Beim mutmaßlichen Täter soll es sich um einen 24-jährigen US-Amerikaner aus dem Bundesstaat New Jersey handeln, hieß es.

Polizist griff ein

Rushdie sei „am Leben und erhalte im Krankenhaus die Pflege, die er brauche“, erklärte die Gouverneurin von New York, Kathy Hochul. Das Eingreifen eines Polizisten habe dem Autor das Leben gerettet. Rushdie wurde laut US-Medienberichten am Freitag operiert, sein Zustand war unklar.

Rushdie mit Hubschrauber in Krankenhaus geflogen

Der Schriftsteller Salman Rushdie ist angegriffen worden, bevor er einen Vortrag im US-Bundesstaat New York halten wollte. Berichten zufolge stürmte ein Mann die Bühne und begann, auf Rushdie einzustechen, der daraufhin zu Boden fiel. Rushdie wurde mit dem Helikopter in ein Krankenhaus geflogen.

„Und ich möchte die Staatspolizei loben, es war ein staatlicher Polizist, der aufstand und sein (Rushdies, Anm.) Leben rettete, ihn beschützte“, sagte Gouverneurin Hochul in der Stadt Buffalo. Laut Medienberichten waren mehrere Menschen auf die Bühne gegangen, um Rushdie zu helfen. Er wurde nach dem Angriff mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.

„Er rannte blitzschnell auf ihn zu“

Die Polizei in New York teilte später mit, Rushdie sei in den Hals und in die Brust gestochen und verletzt worden. Die „New York Times“ zitierte eine Zeugin: „Es gab nur einen Angreifer.“ Und weiter: „Er war schwarz gekleidet. Er hatte ein loses schwarzes Kleidungsstück an. Er rannte blitzschnell auf ihn zu.“

Autor Salman Rushdie
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Rushdie wurde wegen seines Werks jahrelang bedroht

Wegen seines Werks „Die satanischen Verse“ (1988) war Rushdie einst mit einer Fatwa, einem Spruch nach islamischem Recht, der zu seiner Tötung aufforderte, belegt worden. Einige Muslime fühlten sich durch das Werk in ihrem religiösen Empfinden verletzt. Chomeini erließ 1989 ein entsprechendes Rechtsgutachten, das zur Tötung Rushdies und all derer aufrief, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren.

Jahrelang untergetaucht und unter Polizeischutz

Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz. Als Rushdie der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur des Jahres 1992 zuerkannt wurde, wurde das nicht kommuniziert. Wegen dessen Sicherheitssituation wurde der Preis erst im Mai 1994 in einer überraschenden Zeremonie an den Autor überreicht.

Bericht zum Angriff auf Rushdie

ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet aus den USA über die Attacke auf den Autor Salman Rushdie in New York.

Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay). Er studierte später Geschichte am King’s College in Cambridge (Großbritannien). Seinen Durchbruch als Autor hatte er mit dem Buch „Mitternachtskinder“ („Midnight’s Children“), das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde und seither zweimal zum besten Booker-Prize-Gewinner gewählt wurde. Er erzählt darin die Geschichte von der Loslösung Indiens vom britischen Empire anhand der Lebensgeschichte von Protagonisten, die genau zur Stunde der Unabhängigkeit geboren werden und mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet sind.

Zuletzt auf Schutz verzichtet

Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hat die Fatwa Chomeinis für Rushdie inzwischen keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr, hieß es. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie „Joseph Anton“ aus dem Jahr 2012.

Rushdies Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet. „Die Literatur, welche Technik auch immer sie verwendet, realistisch oder fantastisch, versucht, einem eine Form der Wahrheit über das menschliche Wesen zu vermitteln“, erläuterte er einmal.

Rushdie veröffentlichte insgesamt mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Im Jahr 2007 wurde er von der britischen Queen zum Ritter geschlagen.

Entsetzte Reaktionen

Die Tat löste weltweit Entsetzen aus. Der US-Senator und Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb auf Twitter, die Tat sei ein „Angriff auf die Rede- und Gedankenfreiheit, die zwei Grundwerte unseres Landes und der Chautauqua Institution“ seien. Auch der scheidende britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich „entsetzt“, dass Rushdie attackiert wurde, während er „ein Recht ausgeübt hat, dass wir niemals aufhören sollten zu verteidigen“. Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling und Bestsellerautor Stephen King drückten ebenfalls ihre Bestürzung aus und schrieben, sie hofften, es gehe Rushdie entsprechend gut.

Die Interessengemeinschaft (IG) Autorinnen Autoren Wien verurteilte „mit allem Nachdruck den Anschlag auf Salman Rushdie, der ein Anschlag auf uns alle ist“. In einer der APA am Freitag übermittelten Aussendung heißt es unter anderem: „Wir sind Salman Rushdie als zentrale Beteiligte an der ersten Initiative, die ihn 1989 gegen die Mordaufrufe wegen der Veröffentlichung seiner ‚Satanischen Verse‘ verteidigt hat, und als Österreichischem Staatspreisträger für Europäische Literatur des Jahres 1992 besonders eng verbunden.“