Britischer Autor Salman Rushdie
Reuters/Dylan Martinez
Schwer verletzt

Weltweit Entsetzen nach Angriff auf Rushdie

Der Messerangriff auf den Schriftsteller Salman Rushdie hat weltweit Entsetzen ausgelöst: Die US-Regierung und UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigten sich bestürzt. Rushdie stehe für „wesentliche, universelle Werte“ wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit, erklärte US-Präsident Joe Biden am Samstag. Der weltbekannte Autor wird künstlich beatmet, über das Motiv des Angreifers herrscht noch Rätselraten. Gegen den Mann wurde Anklage erhoben.

Biden erklärte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen. „Und heute bekräftigen wir unser Bekenntnis zu diesen zutiefst amerikanischen Werten in Solidarität mit Rushdie und all jenen, die für Meinungsfreiheit eintreten.“ Die USA und die Welt seien Zeugen eines „verwerflichen Angriffs“ geworden, so auch Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan. „Diese Gewalttat ist entsetzlich.“ Die gesamte US-Regierung bete für eine schnelle Genesung des 75-Jährigen.

„In keinem Fall ist Gewalt eine Antwort auf Worte, die von anderen in Ausübung ihrer Meinungs- und Ausdrucksfreiheit gesprochen oder geschrieben wurden“, teilte Guterres’ Sprecher Stephane Dujarric mit. Der UNO-Generalsekretär wünsche Rushdie baldige Genesung.

Der US-Senator und Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb auf Twitter, die Tat sei ein „Angriff auf die Rede- und Gedankenfreiheit“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb, Rushdie sei von „Hass und Barbarei“ getroffen worden. Der scheidende britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich „entsetzt“.

Van der Bellen und Nehahmmer verurteilen Angriff

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief bestürzt: „Hass und Gewalt dürfen keinen Platz in unserer freien Gesellschaft haben“, schrieb das Staatsoberhaupt Samstagnachmittag auf Twitter. Van der Bellen wünsche dem „großartigen Menschen und Autor“ und seiner Familie viel Kraft.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte auf Twitter den „feigen Anschlag“ auf Rushdie als Angriff auf die Freiheit und unsere demokratischen Grundwerte. Nehammers Gedanken seien in diesen schweren Stunden bei dem Autor und seiner Familie. Das Außenministerium twitterte: „Der gestrige abscheuliche Angriff auf @SalmanRushdie beweist einmal mehr brutal, dass wir unsere Bemühungen zur Verteidigung der #Meinungsfreiheit nicht verlangsamen dürfen. Unsere Gedanken sind bei ihm und seiner Familie, wir wünschen ihm eine baldige Genesung.“

Rowling online bedroht

Auch Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling drückte ihre Bestürzung aus. Sie wurde daraufhin online bedroht. Rowling hatte zuvor auf Twitter geschrieben: „Ich hoffe, er ist okay.“ Daraufhin antwortete ein anderer Nutzer: „Keine Sorge, du bist die Nächste.“ (Original: „Don’t worry you are next“). Rowling bat zunächst Twitter um Unterstützung. Später bedankte sich die 57-Jährige dann bei ihren Followerinnen und Followern für Zuspruch und Unterstützung und schrieb, die Polizei sei eingeschaltet – und auch wegen anderer Drohungen im Einsatz.

Bestürzung bei Kolleginnen und Kollegen

Der US-amerikanische Autorenverband PEN America zeigte sich schockiert über den Angriff auf seinen ehemaligen Präsidenten. Rushdie werde seit Jahrzehnten wegen seiner Worte angegriffen, aber er habe sich nie beirren lassen und nie gezögert, schrieb die Vorsitzende Suzanne Nossel in einem Statement.

Der deutsche Schriftsteller Günter Wallraff, der Rushdie 1993 in seinem Haus in Köln-Ehrenfeld versteckt hatte, sagte, die Nachricht sei „natürlich ein Schlag für mich“ gewesen. Die Grazer Autorenversammlung (GAV) verurteilte das Attentat auf Rushdie auf das Schärfste. Es sei ein Angriff auf „unser aller Freiheit und Menschenrecht, eine Attacke auf die Literatur“, hieß es in einer Stellungnahme. Rushdies Werke könnten nicht unterdrückt oder ausgelöscht werden und werden „trotz und wegen des Terrors umso wichtiger sein“.

Autor Salman Rushdie
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Rushdie wurde wegen seines Werks jahrelang bedroht

Die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“, die nach umstrittenen Mohammed-Karikaturen 2015 zum Anschlagsziel von Islamisten geworden war, verurteilte den Angriff. „Nichts rechtfertigt eine Fatwa, ein Todesurteil“, schrieb Redaktionschef Riss. „Gedanken- und Meinungsfreiheit“ hätten insbesondere im Islam keinen Platz.

Iranische Medien jubeln

In iranischen Medien ist der Messerangriff auf den mit dem Roman „Die satanischen Verse“ weltbekannt gewordenen Schriftsteller Rushdie hingegen begrüßt worden. In der regierungsnahen Zeitung „Kayhan“, deren Chefredakteur vom weltlichen und geistlichen Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, ernannt wird, hieß es am Samstag: „Tausend Bravos (…) für die mutige und pflichtbewusste Person, die den abtrünnigen und bösen Salman Rushdie in New York angegriffen hat“. Weiter hieß es: „Die Hand des Mannes, der dem Feind Gottes den Hals umgedreht hat, muss geküsst werden.“

Die Schlagzeile der Hardliner-Zeitung „Vatan Emrooz“ lautete: „Messer im Nacken von Salman Rushdie“. Die Zeitung „Khorasan“ brachte die Schlagzeile: „Satan auf dem Weg zur Hölle“. Die Nachrichtenseite Asr Iran veröffentlichte ein Zitat von Khamenei, in dem es heißt, der vom ehemaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini abgeschossene „Pfeil“ werde eines Tages das Ziel treffen. Von der Führung in Teheran lag noch keine Stellungnahme vor.

Mehrere Stichwunden

Rushdie wurde nach dem Angriff in ein Krankenhaus gebracht, operiert und seinem Manager Andrew Wylie zufolge an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Der Polizei zufolge wurde Rushdie mindestens einmal in den Hals und den Bauch gestochen. Der 75-Jährige wurde mit einem Hubschrauber in ein örtliches Krankenhaus gebracht. Er könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren, schrieb Wylie nach Angaben der „New York Times“.

Nervenstränge in seinem Arm seien durchtrennt und seine Leber beschädigt worden. „Die Nachrichten sind nicht gut.“ Der bei der Diskussion anwesende Politikprofessor Carl LeVan sagte AFP, der Angreifer sei auf die Bühne gerannt und habe offenbar in Tötungsabsicht „wiederholt und brutal“ auf Rushdie eingestochen.

Rätselraten über Hintergründe

Zu den Hintergründen des Angriffs gab es zunächst keine Details. Der mutmaßliche Angreifer soll aus Fairfield im nahe New York gelegenen Bundesstaat New Jersey stammen und allein gehandelt haben, hieß es von der Polizei. Er wurde nun wegen versuchten Mordes und Körperverletzung angeklagt.

Die Familie des Angreifers soll einem lokalen Bürgermeister zufolge aus dem Süden des Libanon kommen. Die Eltern kämen aus dem Ort Jarun, der 24-Jährige selbst habe den Libanon aber seines Wissens nie besucht, sagte der Bürgermeister des Ortes, Ali Kassim Tahfa, der dpa. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Der Süden des Libanon ist eine Hochburg der schiitischen Hisbollah-Organisation, die eng mit dem ebenfalls schiitischen Iran verbündet ist.

Ob die Messerattacke im Zusammenhang mit der jahrzehntealten Fatwa steht, blieb zunächst offen. Rushdie war vor über 30 Jahren per Fatwa zum Tode verurteilt worden: Wegen seines Werks „Die satanischen Verse“ („Satanic Verses“) aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini das religiöse Rechtsdokument veröffentlicht, das zur Tötung des Autors aufforderte. Chomeini warf Rushdie vor, in seinem Roman den Islam, den Propheten und den Koran beleidigt zu haben.

Keine Bodyguards mehr gebraucht

Das islamische Rechtsgutachten des Ajatollahs rief damals nicht nur zur Tötung Rushdies auf, sondern auch all derer, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.

Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hätte die Fatwa für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie „Joseph Anton“ aus dem Jahr 2012.

Schärfere Sicherheitsvorkehrungen abgelehnt

Die Tat geschah nun bei einer Vorlesung Rushdies in der sogenannten Chautauqua Institution, einem Erziehungs- und Kulturzentrum in einem ländlichen Gebiet des Bundesstaates. Die Veranstaltung habe im Rahmen einer Serie unter dem Titel „Mehr als Schutz“ („More than Shelter“) stattgefunden, bei der über die USA als Zufluchtsort für Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil und über die Verfolgung von Künstlerinnen und Künstlern diskutiert werden sollte.

Nach Informationen des US-Senders CNN soll das Institut noch zwei Tage zuvor abgelehnt haben, die Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen. Unklar sei aber, ob mit den empfohlenen Maßnahmen das Attentat auf Rushdie habe verhindert werden können, schrieb der Sender.

Rushdie vor wenigen Tagen: Fühle mich sicher

Vor wenigen Tagen noch hatte Rushdie dem Magazin „Stern“ gesagt, dass er sich in den USA sicher fühle. „Das ist lange her“, sagte Rushdie auf die Frage, ob er noch immer um sein Leben bange. „Für einige Jahre war es ernst“, sagte Rushdie weiter. „Aber seit ich in Amerika lebe, hatte ich keine Probleme mehr.“ Der Autor habe dabei aber auch vor dem politischen Klima und möglicher Gewalt in den USA gewarnt: Das Schlimme sei, „dass Morddrohungen alltäglich geworden sind“.

Autor Rushdie auf Bühne niedergestochen

Der Autor Salman Rushdie ist am Freitag auf einer Bühne im US-Bundesstaat New York attackiert worden. Der mutmaßliche Täter wurde laut Polizei festgenommen. Die genauen Hintergründe der Tat sind noch unklar.

Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay). Er studierte später Geschichte am King’s College in Cambridge. Seinen Durchbruch als Autor hatte er mit dem Buch „Mitternachtskinder“ („Midnight’s Children“), das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde.

Rushdie veröffentlichte mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Sein Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet. Diese sieht er zunehmend in Gefahr, was auch im Zentrum seiner jüngst veröffentlichten Essays steht. Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich darin gegen Trumpisten und Coronavirus-Leugner.