Der ehemalige australische Primierminister Scott Morrison
AP/Rick Rycroft
Australien

Unruhe wegen geheimer Ministerposten

In Australien herrscht Aufregung: Der frühere Premierminister Scott Morrison soll während seiner Amtszeit mehrere Ministerposten innegehabt haben, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Der amtierende Premierminister Anthony Albanese leitete am Montag eine Untersuchung ein. „Das hier ist nicht irgendein lokaler Fußballverein“, kritisierte er.

Nach Informationen von lokalen Medienberichten hatte Morrison in den zwei Jahren vor seinem Machtverlust im Mai 2022 – also mit Beginn der Coronavirus-Pandemie – die Finanz-, Gesundheits- und Ressourcenagenden übernommen. In den Berichten wird von einer „Geheimniskrämerei“ gesprochen. Denn traditionell werden Minister und Ministerinnen in Australien während einer Zeremonie durch den Generalgouverneur, der die Queen vertritt, vereidigt.

Doch bei Morrison sei das nicht der Fall gewesen, sagte auch Albanese. Selbst wichtige Kabinettsmitglieder hätten davon nichts gewusst. Morrison, der von 2018 bis 2022 Premierminister Australiens war, sagte gegenüber Sky News lediglich, dass er die Aussagen von Albanese weder gehört noch gesehen habe: „Seit meinem Ausscheiden aus dem Amt habe ich mich nicht mehr mit der Tagespolitik befasst.“

Sache der Regierung, Ernennungen bekanntzugeben

Generalgouverneur David Hurley sagte laut BBC am Montag, dass er eine „Verwaltungsurkunde“ unterzeichnet hatte, die es Morrison erlaubt habe, die Ressorts heimlich zu übernehmen. Das stehe „im Einklang mit der Verfassung“, sagte ein Sprecher Hurleys. Es sei keine Vereidigungszeremonie erforderlich, und die Bekanntgabe der Ernennungen sei eine Angelegenheit der jeweiligen Regierung.

Der ehemalige australische Primierminister Scott Morrison (rechts) mit Anthony Albanese, sein Nachfolger
AP/Jason Edwards
Hier konnten sie noch lachen: Doch am Montag kritisiert Albanese (l.) seinen Vorgänger Morrison (r.) heftig

„Es ist nicht ungewöhnlich, dass Minister für die Verwaltung von Ressorts ernannt werden, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen“, sagte der Sprecher von Generalgouverneur Hurley. Man habe sich an das normale Verfahren gehalten und auf Vorschlag der Regierung gehandelt.

Albanese sagte hingegen am Montag, dass diese Aktivitäten nicht zu tolerieren seien. Wenn in einem nicht demokratischen Staat Ministerposten auf diese Art und Weise übernommen werden, „würden wir uns darüber lustig machen“, so der Premierminister. „Das war eine Zentralisierung der Macht durch den ehemaligen Premierminister. Das australische Volk ist darüber im Unklaren gelassen worden, wie die ministeriellen Vereinbarungen aussehen.“

Gesundheits-, Finanz- und Ressourcenminister

Lokale Medien berichteten unterdessen, dass sich der damalige Gesundheitsminister Greg Hunt 2020 bereiterklärt habe, sein Ressort zu teilen, falls er durch eine Covid-19-Erkrankung handlungsunfähig werden sollte. Zudem wollte man eine Machtkonzentration in einer Person vermeiden, berichtete die Zeitung „The Australian“. Der damalige Finanzminister Mathias Cormann soll hingegen erst vergangene Woche erfahren haben, dass er mit Morrison die Ministeragenden gemeinsam wahrgenommen hatte, so News.com.au.

Morrison sei vergangenes Jahr neben Keith Pitt als zweiter Minister für Ressourcen vereidigt worden, hieß es weiter. Der damalige Premier soll seine Befugnisse dazu genutzt haben, um eine umstrittene Lizenz für die Erdölexploration in New South Wales zu blockieren – eine Entscheidung, die von Pitt abgelehnt wurde. Gegenüber dem Nachrichtensender ABC sagte dieser, dass er die Entscheidung von Morrison akzeptiert habe.

Barnaby Joyce, Morrisons stellvertretender Regierungschef ab Juni 2021, sagte, er habe keine Kenntnis von den Ernennungen gehabt. „Ich bin damit nicht einverstanden. Ich glaube an ein Kabinettssystem, in dem die Minister für ihr eigenes Ressort verantwortlich sind. Wir haben keine präsidiale Regierungsform“, sagte Joyce. Auch der ehemalige Premierminister Malcolm Turnbull verurteilte die Geheimniskrämerei um die zusätzlichen Ministerposten. Dieses Vorgehen untergrabe die Tradition der parlamentarischen Demokratie.