Australiens Ex-Premierminister Scott Morrison
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Geheimer Minister

Australiens Ex-Premier droht Nachspiel

In Australien ebbt die Aufregung über die geheimen Ministerposten von Scott Morrison nicht ab. Wie am Dienstag bekanntwurde, dürfte der frühere Premierminister nicht nur drei, sondern gleich fünf Ressortzuständigkeiten übernommen haben, ohne Minister und die Öffentlichkeit zu informieren. Das sei ein Versehen gewesen, sagte Morrison.

Während der Coronavirus-Pandemie hatte Morrison nach Angaben des amtierenden Premierministers Anthony Albanese nicht nur die Rollen des Finanz-, Gesundheits- und Ressourcenministers inne, sondern auch jene des Innenministers und des vom Finanzministerium getrennten Schatzmeisters. Es sei ungewöhnlich, dass diese Ernennungen von März 2020 bis April 2021 vor der Bevölkerung geheim gehalten worden seien, sagte Albanese. Er bezeichnete das Vorgehen seines Vorgängers als eine „beispiellose Aushöhlung unserer Demokratie“.

Der frühere Premierminister Morrison schied im Mai 2022 nach der Niederlage bei der Parlamentswahl aus dem Amt bzw. den Ämtern aus. Zudem trat der langjährige Regierungschef als Vorsitzender der konservativen Liberalen Partei zurück. Seitdem sitzt Morrison im Repräsentantenhaus und ist seit den Enthüllungen über die geheimen Ministerrollen mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Morrison rechtfertigte sein Vorgehen mit der Pandemie: Er habe „in gutem Glauben gehandelt“.

Minister wussten nichts über zusätzlichen Minister

Das Thema dominiert derzeit die australische Berichterstattung. Einige von Morrisons damaligen Kabinettsmitgliedern, darunter auch Ex-Finanzminister Mathias Cormann, berichteten, sie seien nicht darüber informiert worden, dass der Premier als ihr Kominister fungierte. Im Radiosender ABC wird die frühere Innenministerin Karen Andrews damit zitiert, dass sie ebenfalls keine Kenntnis davon hatte, dass Morrison ihre Ressortaufgaben übernahm.

Australiens Ex-Premierminister Scott Morrison
Reuters/Alex Ellinghausen
Scott Morrison hat nach eigenen Angaben im „guten Glauben“ gehandelt

Der frühere Schatzmeister Josh Frydenberg, der nach dem Verlust seines Sitzes bei der Wahl im Mai aus der Politik ausgeschieden ist, wusste ebenfalls nicht, dass Morrison für sein Ministerium zuständig war, wie „The Australian“ berichtete. Ex-Gesundheitsminister Greg Hunt hatte sich 2020 hingegen bereiterklärt, sein Ressort zu teilen, falls er durch eine Covid-19-Erkrankung handlungsunfähig werden sollte. Zudem wollte man eine Machtkonzentration in einer Person vermeiden.

Der damalige Finanzminister Cormann soll hingegen erst vergangene Woche erfahren haben, dass er mit Morrison die Ministeragenden gemeinsam wahrgenommen hatte, so News.com.au. Für Kontroversen sorgte insbesondere Morrisons Entscheidung, in seiner Funktion als Ressourcenminister ein umstrittenes Offshore-Gasprojekt zu blockieren. Nach Einschätzung der Verfassungsrechtsexpertin Anne Twomey könnten einige Entscheidungen der früheren Regierung möglicherweise rechtlich angefochten werden können.

Australien: Morrison führte „Schattenregierung“

Der australische Premierminister Anthony Albanese hat seinen Vorgänger und dessen „Schattenregierung“ scharf kritisiert. Der frühere Premierminister Scott Morrison soll während seiner Amtszeit mehrere Ministerposten innegehabt haben, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Morrison habe „unsere Demokratie untergraben“, indem er sich während der Covid-19-Pandemie heimlich zum Innen- und Finanzminister ernannt habe, zusätzlich zu den zuvor bekanntgewordenen Ressorts Gesundheit, Finanzen und Ressourcen, so Albanese vor Medienvertretern in Canberra.

Morrison: „Es gab viel zu tun“

In einem langen Beitrag auf Facebook versuchte Morrison, sein Verhalten zu erklären. Mit der Übernahme von Ministerrollen wollte er sicherstellen, dass die Regierung während der Coronavirus-Pandemie handlungsfähig bleibe. „Das Risiko, dass Minister in einer kritischen Stunde arbeitsunfähig werden, krank werden, ins Krankenhaus müssen oder sogar sterben, war sehr real“, schrieb er.

In einem Radiointerview sagte Morrison am Dienstag, er habe die Ämterübernahme nicht öffentlich gemacht, weil sie nur der Absicherung dienten. Es sei ein „Versehen“ gewesen, dass die zuständigen Minister nicht über seine Rolle informiert wurden. „Ich habe diese Befugnisse nur ein einziges Mal genutzt. Ich habe nicht versucht, die Minister bei der Ausübung ihres Ressorts zu behindern“, sagte er.

Das australische Parlamentsgebäude in Canberra
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Das Parlament in Canberra wurde über das Vorgehen Morrisons nicht informiert

Der Politiker räumte aber ein, dass die Vorkehrungen aus heutiger Sicht unnötig gewesen seien. Dass er sich zu seinem Vorgehen bis Montag nicht öffentlich geäußert habe, erklärte er damit, dass er das vergessen habe. „Es gab viel zu tun“, schrieb Morrison auf Facebook weiter.

Albanese überlegt weitere Schritte

Der amtierende Premierminister Albanese ließ sich in den vergangenen Tagen juristisch vom australischen Generalstaatsanwalt über Morrisons rechtlich beraten. Weitere Schritte werde man zeitnah ankündigen, sagte er. Insbesondere die Übernahme des Portfolios des Ressourcenministerium sei besorgniserregend, weil die zwei Minister eben unterschiedliche Ansichten vertraten. Dem Parlament nicht mitzuteilen, wer für das Ressort zuständig ist, sei „ein klarer Verstoß gegen die Verpflichtungen, die der Premierminister gegenüber dem Parlament hat“, sagte Alabanese gegenüber ABC Radio.

Traditionell werden Minister und Ministerinnen in Australien während einer Zeremonie durch den Generalgouverneur, der die Queen vertritt, vereidigt. Bei Morrison, der von 2018 bis 2022 Premierminister Australiens war, war das nicht der Fall. Generalgouverneur David Hurley sagte, dass er eine „Verwaltungsurkunde“ unterzeichnet hatte, die es Morrison erlaubt habe, die Ressorts zu übernehmen. Es sei keine Vereidigungszeremonie erforderlich, und die Bekanntgabe der Ernennungen sei eine Angelegenheit der jeweiligen Regierung.

Der ehemalige australische Primierminister Scott Morrison (rechts) mit Anthony Albanese, sein Nachfolger
AP/Jason Edwards
Hier konnten sie noch lachen: Doch am Montag kritisiert Albanese (l.) seinen Vorgänger Morrison (r.) heftig

„Es ist nicht ungewöhnlich, dass Minister für die Verwaltung von Ressorts ernannt werden, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen“, sagte der Sprecher von Generalgouverneur Hurley. Man habe sich an das normale Verfahren gehalten und auf Vorschlag der Regierung gehandelt.