Das Kohlekraftwerk Mellach
APA/AFP/Joe Klamar
Energielenkung

Opposition stoppt Verordnung

SPÖ, FPÖ und NEOS haben der Erdgaslenkungsmaßnahmenverordnung von Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) und damit unter anderem der Reaktivierung des klimaschädlichen Kohlekraftwerks Mellach am Dienstag im Hauptausschuss des Nationalrats nicht zugestimmt. Die Regierung hätte eine Zweidrittelmehrheit benötigt.

Es werden selbstverständlich weitere Gespräche geführt, um zu einem guten Ergebnis zu kommen", hieß es aus dem Energieministerium. In der von Gewessler eingebrachten Lenkungsmaßnahmenverordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe zur Umrüstung aufgefordert, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen.

Die Verordnung betrifft unter anderem das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach in der Steiermark und auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zudreht.

Gewessler kritisiert SPÖ scharf

Scharfe Kritik an der SPÖ übte Gewessler. „Ich finde das Verhalten der SPÖ komplett unverantwortlich“, sagte sie gegenüber Ö1 im Vorfeld der Sitzung. Ein reaktiviertes Kohlekraftwerk Mellach könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. „Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben.“

Die von der Regierung anvisierte Reaktivierung des Kohlebetriebs in Mellach verzögert sich nun. „Je später diese gesetzliche Grundlage gegeben ist, umso später ist auch ein Einsatz im Notbetrieb umsetzbar“, hieß es vom Verbund. „Die Reaktivierung der Kohleverstromung am Standort Mellach beinhaltet Umbau- und Wartungsarbeiten, Personalfragen, die Beschaffung der Kohle am Weltmarkt wie auch der Transportslots an den Standort“, so der teilstaatliche Energieversorger.

Mellach würde bei einer als kompliziert geltenden Reaktivierung allerdings erst ab 2023 Energie liefern können, sagte Verbund-Chef Michael Strugl zuletzt. „An den Herbst ist nicht zu denken. Wir reden von 2023“, sagte der Chef des teilstaatlichen Unternehmens.

Leichtfried: SPÖ weiter verhandlungsbereit

Laut Gewessler wurde nach Gesprächen mit der SPÖ die Verordnung verändert. Auch die Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) kritisierten das geplante Abstimmungsverhalten der SPÖ als „grob verantwortungslos“. Auf Twitter richtete Maurer der Vorsitzenden der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, aus, dass diese „mit ihrem verantwortungslosen Verhalten die Versorgungssicherheit“ riskiere, „wenn Putin den Gashahn zudreht“.

Die SPÖ ist trotz des Vetos weiterhin verhandlungsbereit. „Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz in Wien. Auf Maurers Tweet replizierte Leichtfried, dass keine Oppositionspartei zustimme, „dass jene Unternehmen, die Übergewinne teilweise in Milliardenhöhe verbuchen konnten, jetzt noch mehrere hundert Millionen an Steuergeld erhalten.“ Die Reaktion der Grünen-Klubchefin bezeichnete er als „Trauerspiel“.

Die Sozialdemokraten hatten vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft, etwa dass zusätzliche Kosten, die durch die Umrüstung von Gas auf Kohle und Öl entstehen, nicht auf die Energiekundinnen und -kunden abgewälzt werden dürfen. Sollte es substanzielle Änderungen geben, könne man „nächste oder übernächste Woche die Verordnung beschließen“, sagte Leichtfried. Für die SPÖ sei die Sicherstellung der Versorgungssicherheit zentral.

FPÖ sieht „Reality-Check“, NEOS mit Kritik

Für die FPÖ war die heutige Sitzung des Hauptausschusses ein „Reality-Check“ für die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung, den diese nicht bestanden habe. Viele Fragen seien noch nicht geklärt.

Kritik kam auch von NEOS: „Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld“, so NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Die Verordnung sei „komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten“.

Regierung: „Parteitaktische Spielchen“

Die Regierungsparteien bezeichneten die Ablehnung durch die Oppositionsparteien als „parteitaktische Spielchen“. Die Frage von Übergewinnen und Strompreisen sei „eine andere Debatte“, hieß es Dienstagnachmittag in einer Aussendung der Parlamentskorrespondenz. Aufgrund des anhaltenden russischen Angriffskrieges müsse sich Österreich auf alle Szenarien vorbereiten, „weshalb Lenkungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit nötig sind“, betonte Gewessler.

Die Verordnung sei auf Basis des auch durch die Oppositionsparteien mitbeschlossenen Energielenkungsgesetzes formuliert worden, so die Ministerin. Dabei gehe es vor allem um die Herstellung der Substitutionsfähigkeit sowie um einen Sparaufruf, der jedoch nicht rechtsverbindlich sei. Anstatt der Weitergabe der durch die Umrüstung entstehenden Mehrkosten an die Kundinnen und Kunden habe man eine Erstattung durch den Bund angedacht.